Trennungsmanagement und Outplacement

Arbeitsmarktfähigkeit statt 
Abgangspaket zum Abschied

Mehrere hundert Stellen muss Helsana bis Ende dieses Jahres abbauen. Keine einfache 
Aufgabe für das HR des Unternehmens. HR-Leiterin Barbara Bourouba und ihre Mitarbeitenden
 haben HR Today Einblicke in den Prozess gewährt.

Das Wort Change wird bei Helsana in diesen Tagen ganz gross geschrieben. Mitte 2010 ging der langjährige CEO Manfred Manser in Pension. Der bisherige CFO Daniel H. Schmutz löste ihn an der Spitze des Schweizer Kranken- und Unfallversicherers ab, und auch die gesamte Konzernleitung wurde weitgehend neu formiert. Doch damit nicht genug: Auch eine komplett neue Strategie hat sich der Krankenversicherer gegeben und in der Folge sowohl Kultur als auch Struktur einer gründlichen Prüfung unterzogen. Von der ehemals divisionalen Struktur stellte Helsana auf eine funktionale um. Zusätzlich gab der Verwaltungsrat ein Einsparziel von 80 Millionen Franken bis 2012 vor.

Mitarbeitende für die Jobsuche 
freigestellt

«Als Krankenversicherung verlangen wir von Ärzten und Spitälern einen sparsamen Umgang mit personellen und finanziellen Ressourcen. Da müssen wir auch selbst aktiv werden, zumal uns die Öffentlichkeit sehr genau auf die Finger schaut, was wir mit den Prämien machen», sagt Barbara Bourouba, Leiterin HR. Ein Teil des umfassenden Veränderungsprozesses sei deshalb auch die Trennung von etwas mehr als 10 Prozent der über 3000 Mitarbeitenden. Bislang hat sich das Unternehmen von rund 170 Personen getrennt. Für den Grossteil dieser Personen konnte in der neuen Organisationsstruktur kein Job mehr gefunden werden. Bis Ende 2011 dürften etwa noch einmal so viele Mitarbeitende das Unternehmen verlassen müssen, schätzt Bourouba.

Ein umfassender Stellenabbau ist für HR immer eine grosse Herausforderung. Entsprechend haben sich die HR-Leiterin und ihr Team überlegt, wie ein solcher Trennungsprozess am besten zu gestalten ist. «Aus meiner Erfahrung gibt es in solchen Situationen zwei Philosophien: Ganz klassisch würde je nach Dienstalter und Alter ein Abgangspaket geschnürt und jedem ausscheidenden Mitarbeitenden gegeben. Wir wollten aber, dass die Leute einen neuen Job finden, und sie dabei, so gut es geht, begleiten», erklärt Bourouba. Im Fall von Helsana erforderten die beiden Ansätze – Abgangspaket oder Arbeitsmarktfähigkeit – gleich viele finanzielle Mittel. Ein wichtiger Aspekt, um auch die Konzernleitung für das Vorhaben zu gewinnen.

Für die HR-Chefin kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht in Frage, von Entlassungen zu reden, sondern von Freisetzung, auch wenn arbeitsrechtlich beide gleich sind: «Die Leute haben sich ja nichts zu Schulden kommen lassen. Entlassen werden jene, deren Leistung nicht mehr genügt. Freisetzung ist für mich etwas anderes», stellt sie klar. 
«Die Wertschätzung und der Umgang mit den Menschen sind anders.»

Diese Wertschätzung ist nach Aussage von Barbara Bourouba auch der Grund für das Angebot, das Helsana nun den gekündigten Mitarbeitenden macht: Alle Mitarbeitenden, von denen sich das Unternehmen trennt, werden während der Kündigungsfrist freigestellt, um sich so auf die Jobsuche fokussieren zu können. In dieser Zeit begleitet das Unternehmen die Mitarbeitenden mit verschiedenen Angeboten rund um das Thema Stellensuche. Dazu gehören der externe Employability Check zur eigenen Standortbestimmung sowie Workshops, um die Betroffenen für ihre Neuorientierung fit zu machen. Insgesamt fünf Workshops werden angeboten: «Berufliche Zukunft planen», «Bewerbungsunterlagen gestalten», «Kontakten, netzwerken, kommunizieren», «Projekt planen» und «Anspruchsvolle Gespräche meistern».

Beim externen Coach auch 
einmal Frust ablassen

Wer welche Workshops besucht, ergab der Employability Check des externen Partners Promove. «Diese Standortbestimmung ist 
elementar, um herauszufinden, in welchen 
Bereichen der Einzelne noch Hilfe braucht», erklärt Heinz Notter, der die Workshops konzipiert und durchgeführt hat. Die Ergebnisse aus diesem Check waren ganz unterschiedlich: Einige wussten genau, wohin sie wollten, und brauchten nur ihre Bewerbungsunterlagen auf Vordermann zu bringen, andere 
besuchten vier Workshops, um sich klar zu 
werden, was sie wollen.

«Wir haben den Check und die Workshops sehr rasch nach den Kündigungsgesprächen terminiert. Es ist sehr wichtig, dass die Leute sofort an ihre Bewerbung gehen, um keinen Schwung zu verlieren», so Notter. Ganz zentral ist für ihn die Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. «Jeder muss sich mit seiner Situation auseinandersetzen, und zwar nicht erst, wenn ihm gekündigt wurde. In diesem Punkt können wir als Unternehmen noch besser werden, indem wir seitens HR ein Bewusstsein für die Eigenverantwortung schaffen – bevor Mitarbeitende freigesetzt werden müssen.»

Der Entscheidung über die Zusammenarbeit mit dem externen Partner Promove gingen einige Überlegungen voraus. «Es ist natürlich eine Gratwanderung in Bezug auf die Glaubwürdigkeit, wie viel Unterstützung von innen und wie viel von aussen kommt», weiss Notter. «Bei einem externen Coach kann man eher auch mal Frust über das Unternehmen ablassen. Würden wir alles intern anbieten, würde diese Ventilfunktion fehlen.» Denn die Stationen Wut, Trauer, Abschied durchlaufen bei einer Trennung alle Betroffenen. Diesen Emotionen muss man Raum lassen. Das geht mit unabhängigen Begleitern besser als mit internen. Doch auch die Kosten spielen eine Rolle beim Entscheid, ob man mit Internen oder Externen arbeitet. Nach Ansicht von 
Bourouba wäre es ein Einfaches, den grössten Teil des Angebots von Externen durchführen lassen. «Aber wir hätten dann nicht so vielen Menschen selber Unterstützung anbieten können, und andererseits haben wir die notwendigen Skills intern zur Verfügung.»

Der Name jeder zu entlassenden Person geht durch die Konzernleitung

Für alle, die nach den zwei oder drei Monaten Frist noch keine neue Stelle haben, wird die Kündigungsfrist nochmals um zwei Monate verlängert. Dabei vertraut Helsana darauf, dass sich die Mitarbeitenden im Freisetzungsprogramm in der gegebenen Zeit auch tatsächlich bewerben: «Es gab vereinzelte Fälle, in denen Mitarbeitende erst einmal in die Ferien gingen. Wer unser Angebot so ausnutzt, kann jedoch nicht auf eine verlängerte Kündigungsfrist hoffen», so Bourouba.

Neben der Zeit und den Workshops gibt es zusätzlich finanzielle Vergünstigungen, wie Dienstaltersgeschenke, falls die Kündigung kurz vor einem Dienstjubiläum erfolgt, oder Weiterführung des Rabatts auf den Helsana-eigenen Versicherungen. Zudem erhielten rund 20 Leute ein individuelles Outplacement: einige Direktionsmitglieder und vereinzelte Angestellte, die mehr Unterstützung brauchten, weil sie zum Beispiel schon lange nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt waren. «In einem Gruppen-Workshop ist es natürlich nur begrenzt möglich, auf den Einzelnen einzugehen», so Notter.

Seit der Freisetzungsprozess begonnen hat, ist mittlerweile ein Jahr vergangen. Dass er sich über einen so langen Zeitraum hinzieht, erschwert die Situation zusätzlich. Die Verunsicherung bei den Mitarbeitenden liess sich auch aus der Mitarbeiterumfrage im Januar ablesen. «Aber wir sind keine amerikanische Firma, wo innerhalb eines Monats alle Kündigungen vollzogen sind und das Geschäft back to normal geht», so Bourouba. «Wir haben uns von Anfang an bewusst für einen längeren Prozess entschieden. Wer sich mehr Zeit nimmt, vermeidet mühsame Korrekturen hinterher. Zudem bestand auch in der neuen Unternehmensführung noch nicht letzte Klarheit über alle Begebenheiten, weil zwischen der Ankündigung der neuen Struktur und dem Stellenabbau im März und dem Start des neuen Managements im Juli drei Monate lagen. Wichtig war, dass wir auch das transparent gemacht haben und nicht den Eindruck vermittelten, dass schon alles entschieden sei.»

Um dennoch so zeitsparend wie möglich zu agieren, entschied sich die Konzernleitung für den Nominationsprozess: Statt dass sich jeder Mitarbeitende auf eine Stelle bewirbt, wird von Stufe zu Stufe von den Vorgesetzten entschieden, mit wem sie künftig die vorhandenen Stellen besetzen wollen. Dies erfolgte nach Anforderungsprofilen. Gleichzeitig wurden die Vorgesetzten angehalten, Kündigungen aus Leistungsgründen nicht bis zur Nominierung aufzusparen, um den Freisetzungsprozess nicht zum Abbauprogramm für Leistungsschwächere werden zu lassen.

Nachdem die Vorgesetzten über eine Freisetzung entschieden hatten, wurde jede einzelne Person im so genannten Resource Decision Board (RDB) nochmals diskutiert. Erst danach wurde die Freisetzung Tatsache. Dem RDB gehörten die Konzernleitung, ein Vertreter der Personalkommission und die Leitung Human Resources an. «Für mich war wichtig, dass sich die Konzernleitung mit jedem einzelnen Namen auseinandersetzt», unterstreicht Bourouba. «Das schärft das Bewusstsein der obersten Führung für die konkreten Konsequenzen ihrer Massnahmen.»

Überbrückungsrenten und 
Frühpensionierungen

Petra Fejes-Albers, HR Business Partner, hat den Freisetzungsprozess in vielen persönlichen Trennungsgesprächen hautnah mitbekommen. Ihrer Ansicht nach gab es wenige Härtefälle, und niemand wurde freigesetzt, der auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr hat. «Wir haben uns die Personaldossiers genau angesehen und mit den Vorgesetzten die Situationen der Einzelnen besprochen, um soziale Härtefälle abzufangen», so Fejes-
Albers. Bei Mitarbeitenden, die kurz vor der Pensionierung standen, konnte die Situation mit Überbrückungsrenten oder Frühpensionierungen entschärft werden.

«Die beste Personalpolitik erkennt man daran, wie Mitarbeitende nach aussen begleitet werden», findet Barbara Bourouba. «Es braucht Anstand und Würde sowie klare Prozesse und Standards. Oft erhalten die Leute Geld, die ohnehin einen neuen Job finden. Und andere, die es schwerer haben, gehen leer aus. Dabei sollte doch die Arbeitsmarktfähigkeit im Zentrum der Betrachtung stehen.» Ob dieser Ansatz hält, was sich die Helsana-Crew davon verspricht, ist im Moment noch nicht klar. «Wie viele bisher wirklich einen neuen Job haben, wissen wir noch nicht», so Bourouba. Als Best-Practice-Beispiel will sie ihren Ansatz daher auch nicht verstanden haben: «Wir sind einen möglichen Weg gegangen. Wie gut das Endresultat ist, können wir jetzt noch nicht sagen.»

Zusammenarbeit mit den Arbeitsmarktbehörden

Unternehmen, die aus wirtschaftlichen Gründen eine Massenentlassung vornehmen, sind verpflichtet, sich bei den Arbeitsmarktbehörden in ihrem Kanton schriftlich zu melden (OR Art. 335g). Die kantonalen Arbeitsmarktbehörden bieten verschiedene Dienstleistungen an, um Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer in dieser Phase zu unterstützen. Dazu gehören zum Beispiel Informationsveranstaltungen für die betroffenen Mitarbeitenden, Bildungsangebote und Workshops zum Bewerbungsprozess.

Neben Einzelveranstaltungen gibt es auch die Möglichkeit, ein Betriebliches Arbeitsmarktzentrum (BAZ) am Standort des Unternehmens einzurichten. Dort werden die Betroffenen so früh wie möglich im Prozess aufgefangen und noch während der Kündigungsfrist beraten und wenn möglich an einen neuen Arbeitsplatz vermittelt oder Weiterbildungsangebote unterbreitet. Das BAZ wird in der Regel von der Personalabteilung des Unternehmens in Zusammenarbeit mit dem RAV betrieben. Diese Massnahme wird von der Arbeitslosenversicherung gemäss Richtlinien des Seco finanziert. Als klassisches Beispiel gilt das BAZ, das bei der Auflösung der Swissair im Jahr 2002 in Kloten eingerichtet wurde und alle freigesetzten Mitarbeitenden betreute.

Eine Alternative zum BAZ ist eine so genannte Transferorganisation. Diese Institution übernimmt die von einer Massenentlassung Betroffenen, sie werden aber weiter vom alten Arbeitgeber entlohnt (während der Kündigungsfrist Entlöhnung durch Arbeitgeber, danach Taggeld). Das Angebot der Transferorganisation umfasst die aktive Arbeitsplatzsuche, die Vorbereitung für eine selbständige Erwerbstätigkeit, die Suche nach Zwischenverdienstmöglichkeiten oder Einsätze in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung. In einer Transferorganisation arbeiten Unternehmen und kantonale Amtsstelle eng zusammen.

www.treffpunkt-arbeit.ch/arbeitgeber/massenentlassung/Meldepflicht/

 

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