Georg Lange
Arbeitszeugnisse sind in manchen Ländern detailliert, in anderen lediglich eine Bestätigung der Tätigkeitsdauer und anderswo gänzlich unbekannt. In Ländern, welche die detaillierte, qualifizierte Form als Standard kennen, möchte mancher sie am liebsten abschaffen. Aus den Ländern jedoch, wo sie nahezu unbekannt sind, höre ich immer wieder, wie gerne man qualifizierte Arbeitszeugnisse hätte. Also habe ich sie mehrfach dort als Option eingeführt und stets gute Erfahrungen gemacht. Wieso? Arbeitszeugnisse spiegeln den Entwicklungsweg, das Leistungsvermögen und nicht zuletzt die Sozialisierungsfähigkeit eines Menschen.
Dieses Feedback wird formuliert, wenn eine wesentliche Veränderung im Arbeitsverhältnis erfolgt – und ist gerade deshalb präzise. Dies ist ein wesentlicher Vorteil gegenüber Referenzauskünften, die durch die Erinnerung naturgemäss getrübt sind. Natürlich wird in Arbeitszeugnissen eine sogenannt wohlwollende Formulierung benutzt, doch ich denke, diese Sprache beherrschen gute Personalerinnen und Personaler doch. Der Vorwurf der Schönfärberei ist deshalb meines Erachtens unangebracht.
In Ländern, in denen das qualifizierte Arbeitszeugnis unbekannt ist, hat sich eine ganze Industrie entwickelt, die mit Background-Checks die Kosten jeder Rekrutierung deutlich in die Höhe treiben. Ich wollte deshalb öfters wissen, ob diese Aufwände gerechtfertigt sind. Dafür habe ich die fristlosen Kündigungsraten während der ersten zwei Anstellungsjahre länderübergreifend mehrfach überprüft. Es spielte kaum eine Rolle, ob ein Background-Check durchgeführt wurde. Zudem stellte sich heraus, dass übertriebene oder gar gefälschte Arbeitszeugnisse regelmässig nicht die einzigen Vergehen waren. Ich denke, auch hier sollten wir Personaler uns auf unsere Kernkompetenz verlassen, die Spreu vom Weizen trennen zu können. Ich plädiere deshalb dafür, die erste Rekrutierungsrunde auf Arbeitszeugnisse abzustützen. Die Referenzbeschaffung und Background-Checks können auf die zuletzt verbliebenen Bewerber beschränkt werden. Natürlich nur nach Absprache und in einem der Position angemessenen Verhältnis.
Mir ist noch ein letzter Punkt wichtig: Ein qualifiziertes, ehrlich und doch wohlwollend formuliertes Arbeitszeugnis ist ein wichtiger Ausdruck von Wertschätzung eines Unternehmens gegenüber seinen abgehenden Mitarbeitenden. Ich kenne einige Unternehmensbeispiele, in denen diese Chance gerne genutzt wird, um ein letztes Feedback über sich als Arbeitgeber abzuholen. Dafür bedarf es eines einheitlichen Performance-Management-Systems: Die Linien-Manager sind darin verpflichtet, jeden Mitarbeitenden zweimal jährlich hinsichtlich ihres Entwicklungswegs, des Leistungsvermögens und der Sozialisierungsfähigkeit zu beurteilen. Diese Beurteilungen sind Teil des Manager Review. Für die Erstellung von qualifizierten Arbeitszeugnissen stehen deshalb jederzeit alle notwendigen Angaben bereit und die Arbeitszeugnisse sind standardisiert.