Arbeitszufriedenheit hängt auch vom Privatleben ab
In den meisten Personalbefragungen werden wichtige Treiber der Arbeitsmotivation völlig ignoriert. Etwa der Einfluss des Privatlebens, persönliche Eigenschaften oder prägende Einzelereignisse wie zum Beispiel die Übernahme eines Projekts oder eine verletzende Bemerkung der Chefin. Eine neue Grundlagenstudie zeigt, wo angesetzt werden muss.
Für viele Unternehmen ist die wiederkehrende Personalbefragung eine lästige Pflichtübung, die ihnen ihr Qualitätsmanagement aufbrummt. Der Fragebogen, oft Marke «Eigenbau», hat für die Zufriedenheit und Motivation bei der Arbeit einen niedrigen Erklärungswert. Die Auswertung umfasst re dundante Diagramme und weist ausser Durchschnittswerten und einer Fülle an offenen Antworten zu wenig konkreten Handlungsbedarf aus. Wann immer eine Befragung einerseits hohe Zufriedenheitswerte ergibt, andererseits aber auf brennende Probleme, wie beispielsweise hohe Fluktuation oder überdurchschnittliche Absenztage, keine einleuchtende Erklärung gibt und keine griffigen Massnahmen ableitet, herrscht methodischer Handlungsbedarf.
Eine im Jahr 2011 durchgeführte umfassende Grundlagenstudie (siehe Servicekasten) zeigt auf, inwiefern in der Mitarbeiterzufriedenheitsforschung neue Wege gegangen werden müssen.
Ereignisse bestimmen das Arbeitsleben
Konkrete Ereignisse, positiver und negativer Natur, beeinflussen das Arbeitsleben mehr als die Leistungen des Arbeitgebers und das allgemeine Arbeitsumfeld. Die punktuelle Übertragung von Verantwortung – beispielsweise im Rahmen eines Projekts – hat eine wesentlich höhere Wirkung auf die Verbundenheit mit dem Arbeitgeber als eine perfekte Infrastruktur. Negative Ereignisse, wie eine verletzende Bemerkung des Chefs, sind im Gegenteil wahre Motivationskiller. Eine Mitarbeiterbefragung muss diese Ereignisse systematisch erheben, nach Kategorien quantifizieren und anonymisiert im Originalton wiedergeben. Ein griffiges elektronisches Tool, welches Abfrage und gruppierte Auflistung dieser Ereignisse ermöglicht, liefert wesentlich wertvollere Erkenntnisse als skaliert abgefragte Aussagen zum Arbeitsleben.
Auch das Privatleben bestimmt das Arbeitsleben
Auch wenn es auf den ersten Blick paradox erscheint, hat die Zufriedenheit mit dem Privatleben einen statistisch signifikant höheren Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit als der Arbeitgeber. Offensichtlich hat der Mensch eine Art «Zufriedenheitskompetenz», eine Fähigkeit, Wohlbefinden zu schaffen, welche er sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld einsetzt – oder eben nicht. Dies bedeutet, dass eine Personalbefragung immer auch die wichtigsten Dimensionen des Lebens ausserhalb der Arbeit, wie privates Umfeld, Lebenssituation, Gesundheit etc., erheben muss. Durch statistische Verfahren müssen diese dann zu den Dimensionen des Arbeitslebens in Bezug gesetzt werden. Diese ganzheitliche Herangehensweise schafft schliesslich die Möglichkeit, die Burnout-Gefährdung und die Work-Life-Balance für eine ganze Firma, eine Abteilung oder ein Team respektive gar für das Individuum auszuweisen.
Der Einfluss von persönlichen Eigenschaften
Ein weiterer wichtiger Treiber der Arbeitsmotivation, welcher in den meisten gängigen Personalbefragungen völlig ignoriert wird, sind persönliche Eigenschaften – im Besonderen Konfliktfähigkeit, Sozialkompetenz, Umgang mit Veränderungen und Selbstmanagement. Eine negative Beurteilung des eigenen Teams wird durch die mangelnde Konflikt-fähigkeit der befragten Person oft wesentlich besser erklärt als durch die Stimmung im Team als Ganzes. Eine moderne Analyse der Arbeitsbeziehung muss aus diesem Grund der Befragung eine Art psychologischen Test hinterlegen, welcher auf Basis des Antwortverhaltens ein Persönlichkeitsprofil der Unternehmung als Ganzes sowie der Abteilungen und Teams erstellt.
Führungseigenschaften prägen die Management-Kompetenz
Eine interessante Anwendung der oben beschriebenen Analyse persönlicher Eigenschaften besteht in der Messung der Führungskompetenz des Managements. Traditionellerweise werden die Vorgesetzen bei einer Personalbefragung von deren Untergebenen in mehreren Bereichen wie Kompetenz, Feedbackkultur, Gerechtigkeit usw. beurteilt. Wirklich spannend wird es, wenn diese Beurteilung durch eine psychologische Profilierung der leitenden Angestellten ergänzt wird. Aus deren Antwortverhalten wird ein Führungsprofil abgeleitet, welches pro Abteilung, aber auch für die Unternehmung als Ganzes zentrale Führungskompetenzen wie Delegationsbereitschaft, Durchsetzungsvermögen, Verhandlungsgeschick etc. ausweist (Abbildung 1).
«Stars» oder «Ballast» im Humankapital?
Oftmals liegt der Grund für die mangelnde Aussagekraft von Personalbefragungen auch darin, dass die heute zur Verfügung stehenden Auswertungsmethoden nicht oder nur mangelhaft genutzt werden. Interessant ist es beispielsweise, zwei Schlüsselergebnisse – sogenannte Zieldimensionen – einander gegenüberzustellen und daraus neue Erkenntnisse abzuleiten. So entsteht aus der Kreuzung von Arbeitszufriedenheit (welche auch vordergründig sein kann) und Verbundenheit mit dem Arbeitgeber (auch «Engagement», «Bindung» oder «Motivation» genannt) die sogenannte Motivationstypologie. Sie stellt fest, welcher Anteil des Personals sich wirklich für die Firma einsetzt und wer im Gegensatz dazu innerlich gekündigt hat.
Kreuzt man die Arbeitszufriedenheit mit der Zufriedenheit mit dem Privatleben, entstehen «Flow-Typen», «Frust-Typen», «Arbeitstiere» und «Freizeittypen». Die Gegenüberstellung von tatsächlicher und gewünschter Verantwortung zeigt Über- oder Unterforderung. Die Kreuzung der Zufriedenheit und Wichtigkeit der verschiedenen Dimensionen der Arbeitsbeziehung zeigt Stärken, Schwächen, Chancen und Gefahren (SWOT-Analyse).
Besonders spannend wird es, wenn man der Arbeitnehmerzufriedenheit die Arbeitgeberzufriedenheit, also die Beurteilung der Angestellten durch die Chefs, gegenüberstellt – selbstverständlich in einer quantitativen, anonymisierten Form. Diese Auswertung legt wie keine andere den Wert des Humankapitals einer Unternehmung offen. Wie hoch ist der Anteil gleichberechtigter Partner? Wie viele Prozent sind Stars, die uns schon bald abgeworben werden? Wie viele sind Kurzbesucher ohne Zukunft in der Unternehmung? Und wie hoch ist der Anteil an «Ballast» – Personen, die im negativen Sinne treu sind, obwohl sie sich in keiner Weise für das Unternehmen einsetzen? (Abbildung 2)
Das Individuum bestimmt das Ganze
Eine zentrale Erkenntnis gilt der Wichtigkeit, auch den einzelnen Befragten eine fundierte, individuelle Auswertung ihres Antwortverhaltens zukommen zu lassen. Diese erlaubt es dem Individuum, eigenverantwortliche Massnahmen zu treffen. Gerade eine Burnout-Gefährdung wird oft durch eine Kombination von Überlastung sowohl im Privat- als auch im Arbeitsleben verursacht. Die Lösung liegt also nicht nur beim Arbeitgeber. Diese Auswertung muss ansprechend und verantwortungsvoll formuliert sein – Übersichtsgrafiken genügen nicht –, und es muss sichergestellt werden, dass nur die betroffene Person Zugang dazu hat (Anonymität gegenüber dem Arbeitgeber).
Motivierte Mitarbeitende begeistern Kunden
Letztendlich besteht ein unbestrittener Zusammenhang zwischen Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit. Eine hochprofessionelle Analyse der Mitarbeiterbeziehung sollte so konzipiert werden, dass ein Bezug zur Kundenbefragung hergestellt werden kann. Der Beitrag einzelner Mitarbeitergruppen zur Kundenbindung (Kundenorientierung) wird so objektiv messbar gemacht.
Eckdaten der «Basisstudie Personalbefragungen»
Die «Basisstudie Personalbefragungen» wurde von Januar bis März 2011 vom Institut für Systemisches Management in Zug (CH), vom Private Institute Human Resources in Achern (D) und von der constant dialog ag in Zug (CH) durchgeführt. Befragt wurden 500 Personen in der Deutschschweiz und in Baden-Württemberg (D). Alle Personen füllten einen Fragebogen zu ihrem Arbeits- und Privatleben aus, erhielten dazu eine individuelle Auswertung und wurden im Rahmen eines 20-minütigen persönlichen Tiefeninterviews zu ihrem Antwortverhalten und zu ihren persönlichen Ergebnissen befragt. Aus den Erkenntnissen dieser Studie wurde unter der Bezeichnung «Work Life Evaluation» ein Verfahren entwickelt, welches in einem Methodik-Handbuch dokumentiert ist.
Im September 2011 erfolgte eine statistische Validierung von insgesamt 2000 Interviews, welche nach der in diesem Artikel beschriebenen Methode durchgeführt wurden. (Abbildung 3)
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