Auf Augenhöhe mit Bachelor und Master
Seit wenigen Jahren steht der Nationale Qualifikationsrahmen Berufsbildung (NQR) zur Verfügung, um Bildungssysteme und Studiengänge vergleichen zu können. Mit ihrer hohen Einstufung brauchen die beiden Berufstitel im Rechnungswesen und Controlling keinen Vergleich mit anderen Abschlüssen zu scheuen.
Einer, der die Materie aus unterschiedlicher Perspektive beleuchten kann, ist Dieter Pfaff, Professor für Accounting an der Universität Zürich, Vizepräsident des Fachverbands veb.ch und Mitglied der Prüfungskommission des Vereins für die höheren Prüfungen im Rechnungswesen und Controlling.
Herr Pfaff, welche Aussagekraft hat der Nationale Qualifikationsrahmen Berufsbildung (NQR) grundsätzlich?
Dieter Pfaff: Die Einstufung im NQR macht Ausbildungsgänge miteinander vergleichbar. Zum einen innerhalb der höheren Berufsbildung, denn nicht jedes eidgenössische Diplom bzw. jeder eidgenössische Fachausweis erfüllt identische Anforderungen. Der NQR nutzt zudem die gleiche achtteilige Struktur wie der europäische Referenzrahmen, der EQR. Auch der Qualifikationsrahmen der Schweizer Hochschulen, der nqf.ch-HS, folgt dieser Gliederung.
Wo stehen die Fachleute im Finanz- und Rechnungswesen (eidgenössischer Fachausweis) bzw. die Experten in Rechnungslegung und Controlling (eidgenössisches Diplom) im Vergleich zu Hochschulabsolventen?
Das SBFI hat das eidgenössische Diplom für Experten in Rechnungslegung und Controlling der höchstmöglichen NQR-Stufe 8 zugeordnet – wie ein Master bzw. sogar ein Doktorat aus der universitären Bildung. Der eidgenössische Fachausweis im Finanz- und Rechnungswesen bewegt sich mit NQR-Stufe 6 auf Augenhöhe mit einem Bachelor-Abschluss. Allerdings kann man die Abschlüsse nicht direkt vergleichen, da Hochschulbildung und berufliche Bildung andere Ziele verfolgen und daher unterschiedliche Anforderungen stellen.
Brauchen die Berufsleute im Rechnungswesen und Controlling diese NQR-Bewertung, um sich im Arbeitsmarkt behaupten zu können?
Die Abschlüsse sind bestens etabliert. Wer auf Arbeitgeberseite mit dem System der höheren Berufsbildung der Schweiz vertraut ist, erhält durch die konkrete NQR-Einstufung allenfalls eine Bestätigung. Dies trifft insbesondere für die KMU zu, bei denen der Stellenwert von Fachausweis und Diplom sehr hoch ist. Bei international ausgerichteten Unternehmen hingegen dürfte das Wissen über die Qualitäten und das Prüfungssystem der höheren Berufsbildung allgemein geringer sein. Hier kann der NQR als Orientierungspunkt einiges leisten.
Sie sprechen das Prüfungssystem an. In der höheren Berufsbildung wird zentral geprüft. Wie wirkt sich dies auf die Abschlüsse aus?
Es ist von Vorteil, wenn die Prüfungen unabhängig von den Schulen durchgeführt werden. Für alle Kandidatinnen und Kandidaten gilt schweizweit derselbe Massstab. Daraus entsteht eine verlässliche Qualität des Abschlusses. Im Rechnungswesen und Controlling finden die Berufsprüfung und die höhere Fachprüfung im Übrigen tatsächlich national statt, also in drei Sprachregionen. Das empfinde ich als sehr wertvoll.
Wie schnell können diese beiden Prüfungen auf neue Herausforderungen reagieren, auf die Digitalisierung beispielsweise?
Fallstudien haben auf beiden Ebenen einen hohen Stellenwert. Die Aufgaben entstehen aus der Praxis und integrieren aktuelle Herausforderungen. Zum anderen passt sich die Prüfungswegleitung neuen Gegebenheiten an. Im Moment läuft gerade eine Revision. Insbesondere Datenmanagement, Datenanalyse, Leadership und Personalführung werden an Bedeutung zulegen. Es liegt selbstverständlich auch im Eigeninteresse der Absolventinnen und Absolventen, sich permanent auf Stand zu halten. Arbeitsmarktfähigkeit und Karrierechancen hängen davon ab.
Inwiefern unterscheiden sich die Qualifikationen der dualen und der akademischen Bildung?
Der entscheidende Unterschied ist die Praxisnähe der dualen Bildung. Die Verankerung im beruflichen Alltag, das Aufbauen einer Expertise «on the job» – das ist das entscheidende Charakteristikum der beruflichen Bildung, auch bei den Dozierenden. Neues Wissen schliesst an vorhandene Erfahrung aus dem Beruf an und kann auch sofort auf die Praxis umgelegt werden.
Zum Zeitpunkt der Prüfungen sind neben vertieften Fachkenntnissen auch Handlungskompetenzen vorhanden, die im betrieblichen Alltag täglich unter Beweis gestellt werden. Ohne mehrjährige Praxis keine Zulassung zur Prüfung. Die universitäre Bildung nähert sich den Herausforderungen der Praxis aus einem anderen Blickwinkel an. Im Vordergrund stehen Methoden, Wissen, analytisches und vernetztes Denken, das sich zumeist über die ganze Betriebswirtschaft erstreckt. Selbstverständlich kennen die Studierenden die Herausforderungen eines Konzernabschlusses – die Praxiserfahrung dazu haben zum Zeitpunkt der Prüfung aber die Experten in Rechnungslegung und Controlling.
Gibt es für Arbeitgeber einen Grund, im Bewerbungsprozess die eine oder andere Seite zu bevorzugen?
Nicht grundsätzlich. Sind in erster Linie generalistisches Denken und eine vernetzte Problemlösung gefordert, könnte dies eher auf Abschlüsse von Universitäten und Fachhochschulen hinweisen. Braucht eine Funktion vertiefte Fachkenntnisse und eine breit abgestützte Kompetenz aus der Praxis, sind eher die Berufsleute gefragt. Eine scharfe Abgrenzung ist aber kaum möglich.
Sie begrüssen eine Annäherung bzw. die Durchlässigkeit von akademischer und beruflicher Bildung gerade im Berufsfeld von Rechnungswesen und Controlling. Weshalb?
In der Weiterbildung zu Experten in Rechnungslegung und Controlling sehen wir zum Beispiel immer mehr Teilnehmende, die von einer Fachhochschule oder einer Universität kommen. Sie treffen auf Kolleginnen und Kollegen, die den klassischen Weg der Berufsbildung von Lehre über Fachausweis eingeschlagen haben. Wir stellen fest, dass diese Bandbreite an Wissen und Erfahrung in einer Studiengruppe sehr befruchtend ist. Umgekehrt stehen Berufsleuten zunehmend berufsbegleitende Weiterbildungen an Fachhochschulen und Universitäten offen – eine gute Entwicklung.
Sie selber lehren Accounting an einer Universität, Ihr Bildungsrucksack ist akademisch geprägt. Wie ist Ihr Interesse für die höhere Berufsbildung im Rechnungswesen und Controlling entstanden?
Mir liegt ganz einfach das Fach am Herzen. Ich beschäftige mich aus Leidenschaft mit der Materie. Da sind Neugierde, Interesse, Verständnis und Engagement für beide Seiten der Bildung sinnvoller als Abgrenzung.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
zahlenmeister.ch – Stärkung der Berufsabschlüsse
Fachleute im Finanz- und Rechnungswesen sind qualifizierte Praktiker mit einem grossen theoretischen Wissen in einem komplexen und rechtlich sensiblen Tätigkeitsgebiet (NQR Stufe 6). Expertinnen und Experten in Rechnungslegung und Controlling zeichnen sich durch vorausschauendes, strategisches, steuerndes Denken und Handeln in einer Querschnittsfunktion des Managements aus (NQR Stufe 8). Das SBFI informiert unter nqr-berufsbildung.ch über den Qualifikationsrahmen Berufsbildung. Die Handlungskompetenzen, die den beiden Berufen gemäss ihrer NQR-Einstufung zugewiesen sind, sind auf zahlenmeister.ch (Berufstitel/NQR) zu finden.
Unter dem Motto «Gesucht, geprüft, gemacht.» setzt der Verein für die höheren Prüfungen in Rechnungswesen und Controlling Massnahmen zur Stärkung der Berufsabschlüsse mit Fachausweis und Diplom um. Kernidee ist ein Storytelling: Erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen erzählen von ihrem Bildungs- und Berufsweg mit persönlichen Einblicken.
Verein für die höheren Prüfungen in Rechnungswesen und Controlling
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