Auf der Suche nach Nischen: Interesse von KMU an Auslandsexpansion ist gross
Der Schritt über die Grenze ist nicht nur für Grossunternehmen eine aussichtsreiche Option. Rund 37 000 der 300 000 in der Schweiz ansässigen kleinen und mittelständischen Unternehmen exportieren laut Osec mittlerweile Güter und Dienstleistungen. Der Erfolg einer Auslandsexpansion hängt jedoch vor allem von einer sorgfältigen Vorbereitung ab.
(Fotomontage: Ulrike Kobelius)
Leichter ist es für KMU nicht geworden, im Zuge der Wirtschaftskrise ins Ausland zu expandieren. Der Konsum, insbesondere in der EU-Zone, ist zurückgegangen, was die Exportzahlen empfindlich drückt. «Vom gesamten Exportvolumen nehmen die EU-Länder immerhin fast zwei Drittel ab», erklärt Daniel Küng, Chef von Osec. Pro Jahr wickelt die Organisation für Aussenwirtschaftsförderung im Auftrag des Bundes über 600 Mandate ab und führt rund 2000 Beratungen durch. Motivationen für Auslandsaktivitäten von KMU liegen vor allem in Wachstum, Existenzsicherung und Sättigung des Schweizer Marktes.
Darüber hinaus gaben KMU in einer Osec-Umfrage von 2007 neue Marktnischen im Ausland und die erhöhte ausländische Nachfrage als Treiber an. Im März dieses Jahres führte Osec erneut eine Umfrage bei KMU durch, die zeigt, dass ein Grossteil der befragten 1000 Unternehmen trotz Krise nach wie vor auf den Export setzt. «Vielleicht reagieren gerade wegen der verschlechterten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die im Export tätigen Schweizer KMU mit verstärkten Exportaktivitäten», meint Küng. Es zeige sich aber klar, dass die KMU sich derzeit eher auf die Nachbarländer konzentrieren, wie Deutschland oder Frankreich. «Die Wachstumsmärkte wie China, Indien oder Südamerika bleiben aber weiter wichtig.»
Checkliste
Die 10 wichtigsten Fragen für den Schritt ins Ausland:
- In welchem Markt sollen Ihre Aktivitäten beginnen und warum?
- Verfügt Ihr Unternehmen über genug Know-how bezüglich des Zielmarktes bzw. haben Sie sich genug Informationen über den jeweiligen Markt beschafft?
- Haben Sie eine klare Geschäftsstrategie für den neuen Zielmarkt ausgearbeitet?
- Kennen Sie die Geschäftskultur und die Eigenheiten des Zielmarktes?
- Haben Sie die Vertriebskanäle Ihrer Produkte im Zielmarkt genau analysiert?
- Sind Ihre Produkte/Dienstleistungen im entsprechenden Zielmarkt wettbewerbsfähig und haben Sie im Zielmarkt Ihre Konkurrenten genau unter die Lupe genommen?
- Haben Sie allfällige Geschäftspartner im Zielmarkt sorgfältig ausgewählt? Werden diese von verschiedenen Stellen als seriös eingestuft?
- Hat sich Ihr Unternehmen genügend sorgfältig auf den Markteintritt vorbereitet und die nötigen Abklärungen bezüglich Zollformalitäten, Markenschutz, Gesetzen, Produktvorschriften usw. getroffen?
- Rechnen Sie in den nächsten Jahren im entsprechenden Markt mit einem angemessenen Marktvolumen und sehen Sie für Ihr Unternehmen in diesem Markt in naher Zukunft genug Marktpotenzial?
- Haben Sie die nötigen Ressourcen (finanzielle, personelle usw.) für die Marktbearbeitung?
(Quelle: Osec)
Der offizielle Schweizer Aussenwirtschaftsförderer Osec berät Unternehmen in allen Belangen rund um den Schritt ins Ausland. Osec verfügt über ein umfassendes Kompetenznetzwerk im In- und Ausland. Weitere Informationen auf www.osec.ch und www.poolofexperts.ch.
Die richtige Strategie
Auslandsaktivitäten heisst aber nicht nur Export. Den Eintritt in den Auslandsmarkt machen auch andere Formen wie Franchising, Partnerschaften, Tochtergesellschaften oder Auslandsniederlassungen möglich. «Wichtig ist es, zunächst zu klären, welche Strategie für das jeweilige Unternehmen die richtige ist», betont Küng. Ein ganz wichtiger Kanal ist heute das Internet. So lässt sich mit wenig Aufwand herausfinden, wie das Produkt oder die Dienstleistung im Ausland ankommt. Internetaktivitäten sind eine kostengünstige Option und ein einfacher Weg, eine grosse Zielgruppe zu erreichen. «Die Unternehmen, die mit uns in Kontakt treten, verfolgen aber andere Wege ins Ausland.»
Die Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland war lange Zeit der übliche Weg, ist es aber laut Küng heute nicht mehr. Da Distributionskanäle für jedes Unternehmen ein wichtiges Thema sind, sei es oftmals sinnvoller, mit einem Geschäftspartner vor Ort zusammenzuarbeiten, der den Markt kennt und über ein entsprechendes Netzwerk verfügt. So muss man nicht die ganze Infrastruktur neu aufbauen, mit allen nötigen personellen Ressourcen ist das sehr teuer.
«Einen passenden lokalen Partner zu finden, ist vielleicht die grösste Herausforderung in diesem Vorhaben», sagt Küng. Nicht an einen seriösen Partner geraten zu sein, kann fatale Folgen für das Unternehmen haben, bis hin zu Existenzschwierigkeiten. Osec hat unter anderem aus diesem Grund im Jahr 2005 den «Pool of Experts» ins Leben gerufen. Die weltweit tätigen Experten kennen sich nicht nur in verschiedenen Branchen und Märkten aus. Schliesslich geht es hier auch um Zollformalitäten, Normen, juristisches Know-how, steuerliche Aspekte oder andere Bestimmungen im Zielland. Solche Dinge würden allzu oft bei der Vorbereitung übersehen, so Küng. Dafür brauche es jeweilige Spezialisten, welche die Eigenheiten eines Zielmarktes kennen oder über ganz spezifische Kompetenzen verfügen.
Dazu kommen die so genannten Swiss Business Hubs, die in Wachstums- und Schwerpunktmärkten bei Schweizer Vertretungen und bei bilateralen Handelskammern angesiedelt sind. Mit einheimischem Personal unterstützen diese Business Hubs in den jeweiligen Ländern ebenfalls die Schweizer KMU bei einem Auslandsengagement. Die Hub-Mitarbeitenden kennen das Umfeld im Zielland bestens und stellen dabei ihr wertvolles, örtliches Netzwerk zur Verfügung.
Die richtige Vorbereitung
Das A und O für einen erfolgreichen Start im Ausland ist die richtige Vorbereitung. Basisinformationen und das erste Beratungsgespräch bietet Osec kostenlos an. «Wir verzeichnen derzeit eine grosse Nachfrage, der Informationsbedarf ist sehr gross. Erstaunlich ist, dass wir mehr Anfragen bekommen als noch vor zwei Jahren», bemerkt Küng. In der jetzigen Situation, in der Firmen vermehrt mit Kurzarbeit und hohem Kostendruck zu kämpfen haben, suchen sie auch verstärkt nach Nischen im Ausland. Das heisse aber nicht, dass alle diese Unternehmen, die sich an Osec wendeten, letztlich auch ins Ausland expandieren.
Entscheidet sich das Unternehmen, sein Auslandsvorhaben weiter voranzutreiben, steht eine umfangreiche Analyse auf dem Plan: Wie ist das Unternehmen insgesamt aufgestellt? Wie sieht es mit den finanziellen und personellen Ressourcen aus, mit dem eigenen Know-how? Zudem wird ein detaillierter Businessplan erstellt. Eine Marktanalyse im Zielland gibt Aufschluss darüber, ob das Produkt dort überhaupt eine Chance hat oder der Markt bereits weitgehend gesättigt ist und ob der Aufwand, sich selbst noch Raum zu erkämpfen, sich lohnt.
Ganz wichtig und doch oft vergessen: «Firmen müssen die nötige Zeit aufwenden, sich mit den Eigenheiten und der Kultur des Ziellandes vertraut zu machen», so Küng. Das sei besonders vor den ersten persönlichen Kontakten oder Verhandlungen immens wichtig. Unverstandene Weltanschauungen oder ein anderes Werteverständnis könnten die aussichtsreichsten Geschäfte bereits im Keim ersticken.
Als weiteren Stolperstein nennt Küng ein zu knappes Budget. «In einem schwierigen Markt muss man sicher die Mittel fürs Marketing höher ansetzen. Auch die rechtliche Seite würde oft unterschätzt: «In den USA geht ohne Anwalt wenig», so Küng.
Die richtige Branche
In der Statistik der Zolldirektion hat die chemische und pharmazeutische Branche den höchsten Anteil am Exportgeschäft. Auch in den Statistiken der verschiedenen Zielländer liegt diese Branche ganz vorne, gefolgt von der MEM-Industrie (Metall, Elektronik, Maschinen). Gerade hier hat aber die Nachfrage stark abgenommen. «Die Branche leidet im Moment sehr», so Küng. Auch die Nachfrage nach Präzisionsinstrumenten, eine weitere wichtige Exportbranche, leidet zurzeit.
Potenzial sieht Küng vor allem im Bereich Cleantech: «Umwelttechnologien, erneuerbare Energien – da haben Schweizer Unternehmen hochwertige Produkte», ist der Osec-Chef überzeugt. Die KMU in dieser Branche seien jedoch relativ klein und zersplittert. Um die Synergien besser nutzen zu können, will Osec unter der Dachmarke «SwissCleantech» eine Exportplattform aufbauen. Wir müssen die hohe Nachfrage in China, Indien und den USA mit dem Angebot der Schweiz zusammenbringen.
Der Gesprächspartner
Daniel Küng leitet Osec seit 2004. Nach Abschluss seines Studiums an der HSG in St. Gallen war Küng ab 1980 bei der Mercedes-Benz do Brasil in São Paulo tätig. 1982 beteiligte sich Küng aktiv als geschäftsführender Partner an der Gründung der Dienstleistungsgesellschaft Agrosuisse Lda. Fünf Jahre später folgten der Wechsel nach Portugal und die Gründung der Response Group in Lissabon.