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Auf die Plätze, fertig, spielen!

Lassen sich Spiel und Arbeit miteinander verbinden? Aber ja doch. Mit Gamification eröffnen sich neue Wege in der Talentförderung und Mitarbeitermotivation.

Seit wenigen Jahren, und im Zuge von Social Media und Web 2.0, stösst man immer wieder auf den Begriff «Gamification».  Gemeint sind jedoch nicht virtuelle Bauernhöfe auf Facebook, erzürnte Vögel auf dem Smartphone oder wilde Schiessereien auf einer Spielkonsole. Vielmehr versteht man unter Gamification einen Sammelbegriff für spieltypische Methoden zur Förderung des Engagements bei Mitarbeitern, Kunden und Partnern, welche sich nach Erkenntnissen aus der Verhaltensforschung und Arbeitspsychologie richten. Umgesetzt werden diese Methoden mittels modernster Webtechnologien. Sie lassen sich auf verschiedene Weise in den Arbeitsalltag eines Mitarbeiters integrieren.

Die vier Grundelemente 
des Spielens

Spielen liegt in der Natur des Menschen. Spielerisch erfahren wir als Kinder unsere Umwelt, lernen den sozialen Umgang mit Gleichaltrigen und entwickeln kognitive und motorische Fähigkeiten. Für eine ausgeglichene und gesunde Entwicklung eines Kindes ist Spielen wichtig. Die kognitive Entwicklung betrifft jedoch nicht nur Kinder und Jugendliche. Wie die Hirnforschung der letzten Jahre belegen konnte, bleibt das Hirn bis ins hohe Alter formbar.

Neurowissenschaftler bezeichnen dies als Neuroplastizität. Spiele helfen allen Altersgruppen, intellektuell neue Strategien zu entwickeln und neue Wege zu beschreiten. Spielen fördert die Aktivität der Synapsen und die Bildung von Neuronen.

In der Berufswelt ist Schluss mit Spielen, und es zählen nur harte Fakten. Natürlich gibt es Ausnahmen. Diese finden sich jedoch lediglich in Form von Seminaren für Manager, an denen mit Lego-Bausteinen gespielt oder Rollenspiele aufgeführt werden. Das sind jedoch Exoten auf weit entfernten Inseln, sie haben selten eine nachhaltige Wirkung auf das Verhalten der Kursteilnehmer.

Im Gegensatz dazu versteht sich Gamification als ein «Spielbarmachen der Realität». Alltägliche und komplexe Vorgänge werden durch spielerische Elemente unterstützt und nachvollziehbar. Um zu verstehen, wie Gamification unser Verhalten beeinflussen kann, muss man verstehen, wie ein Spiel grundsätzlich funktioniert. Ein Spiel, welches Herausforderung und Spass bieten soll, muss über vier Grundelemente verfügen: ein Ziel, Regeln, ein Feedback-System und soziale Interaktion.(1)

Das Ziel definiert das Resultat der Leistung, die der Teilnehmer in das Spiel investiert. Ein klar umrissenes Ziel fördert den Fokus des Teilnehmers auf seine Entscheidungen und Handlungen während des Spiels.

Die Regeln limitieren den Teilnehmer darin, wie er das vorgegebene Ziel erreichen kann. Ohne Regeln verkommt ein Spiel zu rein willkürlichen Handlungen. Nur durch Regeln können Grenzen erkannt und ausgelotet werden, und der Teilnehmer wird dazu motiviert, Neuland zu betreten. Regeln entfesseln Kreativität und strategisches Denken.

Das Feedback-System zeigt dem Teilnehmer, ob seine Bemühungen ihn näher an das Ziel führen oder nicht. Es gibt ihm 
Sicherheit im Handeln. Ein intelligentes Feedback-System motiviert den Teilnehmer, sich noch mehr zu bemühen und sich noch mehr auf das Ziel zu konzentrieren.

Die soziale Interaktion gibt den Handlungen des Spielers, dem Ziel des Spiels und sogar dem Spiel als solches eine grössere Relevanz. Dank einem sozialen Umfeld, welches die gleichen Ziele verfolgt, werden die Motivation des Teilnehmers und das Erlangen neuer Erkenntnisse zusätzlich unterstützt.

Gamification ist besonders fürs HR und fürs Marketing interessant

Vereinfacht betrachtet erkennt man in diesen vier Grundelementen Methoden der Mitarbeiterführung. Jeder Mitarbeiter benötigt Ziele, um zu wissen, was er tun muss, und Regeln, um zu wissen, wie er es tun kann. Feedback von seinen Vorgesetzten hilft ihm, sein Tun zu reflektieren und abzuschätzen, ob sein Handeln den Zielen des Unternehmens entspricht. Und die soziale Interaktion verleiht seinem Handeln und seinen Zielen den notwendigen fachlichen und emotionalen Hintergrund. Noch weiter vereinfacht können viele Vorgänge innerhalb eines Unternehmens und Aufgaben eines Mitarbeiters ebenfalls auf diese vier Grundelemente reduziert werden.

Unternehmensorganisation und Mitarbeiterförderung auf diese spielerische Weise zu betrachten, ist Neuland. Gegenüber Endkunden setzen Unternehmen jedoch schon seit Jahrzehnten auf ähnliche Methoden: Fluggesellschaften verteilen Meilen, Supermärkte Punkte, und Restaurants 
belohnen ihre Kunden mit Treuegutscheinen. An diesen einfachen Beispielen kann bereits die Grundidee von Gamification erkannt werden: Jemand, ein Kunde oder der Mitarbeiter, muss ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen und wird hierfür belohnt. Gamification nach heutigen Massstäben bietet eine Vielzahl neuer Werkzeuge, Praktiken und Methoden und setzt viel mehr auf intrinsische als auf extrinsische Motivationsfaktoren.

Insbesondere HR- und Marketingabteilungen können Gamification einsetzen, um den Arbeitsalltag ihrer Teams und einzelner Mitarbeiter positiv zu beeinflussen oder um deren Verhalten zu analysieren. 
Es geht dabei um die proaktive Entwicklung von Talent, Wissen und Qualität. Anwendungen aus der Praxis belegen dies. Ein Unternehmen reicherte beispielsweise seine quartalsweisen Mitarbeiterumfragen mit Gamification-Elementen an. Dadurch steigerte sich die Motivation der Mitarbeiter, die Umfragen schneller und vollständiger auszufüllen. Ein anderes Unternehmen erweiterte sein Channel-Marketing mit Gamification: Mitarbeiter von Partnerfirmen wurden für bestimmte Tätigkeiten wie das Einreichen von Kundenreferenzen, das 
erfolgreiche Bestehen von webbasierten Trainings oder für positive Kundenbewertungen belohnt.

Bei beiden Beispielen erhielten die jeweiligen Mitarbeiter virtuelle Auszeichnungen und Punkte. Dadurch konnten sie sich auf spielerische Weise mit Kollegen und Kolleginnen messen, über ein Feedback-System erhielten sie, sobald sie ein bestimmtes Ziel erreichten, zusätzliche Anregungen und Tipps, und im Beispiel des Channel-Marketings konnten die Partnerunternehmen die gesammelten Punkte ihrer Mitarbeiter gegen zusätzliche 
Rabatte auf Produkte und Leistungen eintauschen.

Im Trend: E-Learning, webbasierte Umfragen und Assessments

Technologien und Dienstleister für Gamification sind zurzeit noch spärlich vorhanden, insbesondere in Europa. Vorreiter gibt es vor allem in den USA. Doch weitere Anbieter  werden mit Sicherheit in diesen Markt eintreten. Das Marktforschungsunternehmen M2 Research prognostiziert in einer kürzlich veröffentlichten Studie(2) ein Marktvolumen von 2,8 Milliarden Dollar im Jahr 2016.

Personalverantwortliche erhalten mit Gamification effektive Werkzeuge, um insbesondere in den Bereichen Wissensaufbau und Talentmanagement neue Wege zu gehen. Entsprechende 
Implementierungen zeigen den Trend klar auf: E-Learning, webbasierte Umfragen und Assessments sind zurzeit die Hauptanwendungen für  Gamification. Dank der technologischen Weiterentwicklung der 
letzten Jahre ist es möglich, beinahe jeden Arbeitsprozess oder jede Beziehung mit Kunden, Partnern oder zwischen Mitarbeitern abzubilden und zu unterstützen.

  • (1) 
In ihrem Buch «Reality is broken» reduziert Jane McGonigal die grundlegenden Eigenheiten 
eines Spiels auf folgende vier Bestandteile: Ziele, Regeln, Feedback und Freiwilligkeit.
  • 
(2) 
m2research.com/gamification-2012.htm
     
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Als Co-Founder der Creativity Republic 
AG realisierte Theo 
Favetto bereits 
mehrere Web-Plattformen mit Gamification- und Social-
Media-Elementen.
Twitter: (at)favetto

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