Bei Unzufriedenheit Klartext
Ist der Arbeitgeber nicht zufrieden mit den Leistungen eines Arbeitnehmers, kommt es oft vor, dass er dies nicht genügend klar zum Ausdruck bringt und dokumentiert. Dabei wäre in solchen Situationen meist Klartext geboten – auch aus rechtlicher Sicht.
Sowohl Verwarnungen wie auch Verweise sollten nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich kommuniziert werden. (Illustration: Jonas Reaber)
Um den heissen Brei herumzureden und zu -schreiben, wenn unerfreuliche Themen anzusprechen sind: Dieses Phänomen ist in der Schweiz möglicherweise verbreiteter als in anderen Ländern. Es erfasst nicht selten HR-Verantwortliche und Vorgesetzte, die mit den Leistungen oder dem Verhalten eines Mitarbeiters unzufrieden sind – obschon es gerade dann wichtig wäre, Klartext zu sprechen und das Besprochene schwarz auf weiss festzuhalten.
Das gilt in den meisten Fällen auch aus juristischer Perspektive. Andernfalls riskiert der Arbeitgeber, in Schwierigkeiten zu geraten, wenn er im Streitfall seine Sicht der Dinge darlegen muss. Dieser Artikel erörtert typische Anwendungsfälle aus der Praxis, bei denen die Verwendung, beziehungsweise die Nicht-Verwendung klarer Aussagen und deren Dokumentation in rechtlicher Hinsicht bedeutsam sein können.
Der erste Anwendungsfall sind die Formulare für die Mitarbeiterbeurteilung, die in den meisten Unternehmen jährlich oder häufiger auszufüllen sind. Kommt es zum Streit, begegnet man nicht selten der folgenden Situation: Der Arbeitgeber stellt sich auf den Standpunkt, die Leistung des Arbeitnehmers sei schon lange unbefriedigend gewesen, und sie sei auch bei den Gesprächen über die Mitarbeiterbeurteilung gerügt worden. Studiert man den Text in den betreffenden Formularen, stellt man aber oft fest, dass die Kritik nicht oder nur undeutlich festgehalten wurde.
Ob und wie die Kritik mündlich kommuniziert worden war, ist meist nicht mehr ohne Weiteres feststellbar. Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer seinerseits in solchen Fällen häufig die Meinung vertritt, dass die Kritik nicht vorgebracht worden sei.
Nicht zwingend ein Ersatz für Klartext ist, wenn in der Gesamtnote des Formulars über die Mitarbeiterbeurteilung festgehalten wurde, dass die Ziele nur teilweise erreicht wurden. Denn je nach Umständen ist es möglich, dass die Ziele im konkreten Fall auch bei einer zufriedenstellenden Leistung des Mitarbeiters nicht erreichbar gewesen wären.
Verwarnung oder Verweis?
Ein weiterer Anwendungsfall sind Verwarnungen beziehungsweise Verweise, die bei ernsthafterem Fehlverhalten ausgesprochen werden können, oder das Fehlen von schriftlichen Verwarnungen oder Verweisen, dem man im Betriebsalltag immer wieder begegnet. Mit einer Verwarnung (Abmahnung) wird dem Arbeitnehmer gegenüber klargestellt, dass das fragliche Fehlverhalten nicht toleriert wird. Für den Wiederholungsfall werden ihm zudem negative Rechtsfolgen angedroht, welche die ordentliche Kündigung und in schwereren Fällen sogar die fristlose Kündigung zur Folge haben können. Werden keine Rechtsfolgen angedroht, spricht man von einem Verweis.
Sowohl Verwarnungen als auch Verweise sollten nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich kommuniziert werden. Zudem sollte der Arbeitnehmer aus Beweisgründen gebeten werden, den Erhalt des betreffenden Schreibens mittels Unterschrift zu bestätigen.
Das Aussprechen einer Verwarnung oder eines Verweises bei einem ernsthaften Fehlverhalten ist auch deshalb angezeigt, weil die Unterlassung dieser Massnahme vom Arbeitnehmer je nach Konstellation so verstanden werden könnte, dass das fragliche Verhalten vom Arbeitgeber nicht beanstandet oder zumindest geduldet wird.
Zu beachten ist, dass in der juristischen Lehre die Meinung vertreten wird, dass eine erfolgte Abmahnung dem Arbeitnehmer nur während einer beschränkten Dauer entgegengehalten werden kann, wobei die maximale Gültigkeitsdauer bei schwerem Fehlverhalten etwa zwei Jahre betragen soll. Entsprechend wird postuliert, dass die Kopie der Verwarnung nach Ablauf dieser Dauer aus dem Personaldossier entfernt werden müsse.
Ein weiterer Anwendungsfall betrifft die schriftliche Begründung des Arbeitgebers für die von ihm ausgesprochene Kündigung. Bekanntlich muss der Kündigende eine solche Begründung vorlegen, wenn die andere Partei dies verlangt (Artikel 335 Absatz 2 Obligationenrecht).
Es kommt vor, dass der Arbeitgeber die Kündigung mit betrieblichen Notwendigkeiten begründet, obwohl der wahre Grund in seiner Unzufriedenheit mit dem Verhalten oder in den ungenügenden Leistungen des Mitarbeiters zu verorten ist. Dies kann unangenehme Folgen für den Arbeitgeber haben. Kommt es zum Streit, könnte der Arbeitnehmer geltend machen, dass die angeführten betrieblichen Gründe nicht zutreffen und die unzutreffende Begründung dazu dient, einen missbräuchlichen Kündigungsgrund zu kaschieren. Zudem wird die Arbeitslosenkasse unter Umständen vom Arbeitgeber genauere Auskunft über die Kündigungsgründe verlangen.
Aus rechtlicher Sicht ist es empfehlenswert, die Begründung der Kündigung mit Bedacht und mit Blick auf den konkreten Fall zu formulieren. Einerseits ist von einer unzutreffenden Begründung abzuraten. Andererseits birgt eine allzu detaillierte Begründung die Gefahr von Ungenauigkeiten und kann zudem unnötig sein. Nicht selten entscheiden sich Arbeitgeber daher, bei der Begründung auf das viel zitierte «gestörte Vertrauensverhältnis» zu verweisen, sofern dies im konkreten Fall zutrifft.
Als letzter Anwendungsfall zu erwähnen ist das Arbeitszeugnis, worin der Arbeitgeber die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers zu bewerten hat. Die Formulierung eines Arbeitszeugnisses für einen Mitarbeiter, mit dessen Leistung oder Verhalten der Arbeitgeber unzufrieden war, kann eine herausfordernde Aufgabe sein, die hier nur am Rande gestreift werden kann.
Wohlwollende Formulierungen
Der Arbeitgeber ist gehalten, das Arbeitszeugnis mit Blick auf das berufliche Fortkommen des Mitarbeiters wohlwollend zu formulieren. Unbesehen Klartext zu schreiben ist hier also nicht angebracht. Zugleich hat das Arbeitszeugnis aber auch wahr zu sein, wobei die Wahrheit dem Wohlwollen vorgeht. Ein Arbeitszeugnis darf also in keinem Fall unwahr sein.
Zudem muss das Zeugnis auch vollständig sein. Wesentliche Aspekte können also nicht einfach weggelassen werden. Indes dürfen negative Punkte nur dann erwähnt werden, wenn sie für die Beurteilung des Gesamtbilds von Bedeutung sind. Kleinere Einzelvorfälle oder Verfehlungen sind in der Regel daher nicht zu erwähnen. In praktischer Hinsicht bedeutsam sind zudem allfällige früher ausgestellte Zwischenzeugnisse.
Der Arbeitgeber muss sich dabei bewusst sein, dass gute Gründe vorliegen müssen, wenn er eine Bewertung des Mitarbeiters in einem neuen Arbeitszeugnis negativer formulieren will als im vorgehenden Zwischenzeugnis.