Lehrlingsausbildung

Berufsbildung: Vorzeigemodell Schweiz

In den USA stösst das Schweizer Berufsbildungssystem auf starkes Interesse. Um dem Lehrlingsmodell in den Vereinigten Staaten Vorschub zu leisten, haben Accenture, die Swiss American Chamber of Commerce, das Global Apprenticeship Network (GAN), die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich mit «Jobs Now» Empfehlungen ausgearbeitet. Ursula Renold, Leiterin der Abteilung Vergleichende Bildungssysteme der KOF im Interview.

Frau Renold, ist das Schweizer Berufsbildungssystem ein Exportschlager?

Ursula Renold: Nicht ganz, (lacht). Ein Swiss-Style-Berufsbildungssystem in den USA einzuführen, ist eine grosse Herausforderung und braucht Zeit. Die Voraussetzungen sind sehr unterschiedlich. So gibt es dort beispielsweise auf Bundesverwaltungsebene keine zentrale Stelle wie bei uns das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung und kein allgemein gültiges Berufsbildungsgesetz. Die Amerikaner kennen ein Konstrukt wie die hiesigen Branchenverbände nicht, die dafür verantwortlich sind neue Berufe zu entwickeln, Bildungsinhalte zu definieren und überbetriebliche Kurse sowie die höhere Berufsbildung zu organisieren. Ausserdem engagieren sich die Unternehmen in der Berufsbildung kaum. Deshalb muss man von den Gegebenheiten im Land ausgehen und prüfen, wie ein Berufsbildungssystem darauf angepasst werden kann.

Was macht das Schweizer Berufsbildungssystem so erfolgreich?

Kaderfachkräfte mit einem Berufsbildungshintergrund sind das Rückgrat der KMUs, denn 70 Prozent aller Jugendlichen machen eine Berufslehre sowie einen zweiten formalen Bildungungsabschluss auf Tertiärstufe und bilden sich anschliessend weiter. Dank der Berufslehre ist bei uns die Jugendarbeitslosigkeit relativ niedrig. Im schnellen technischen Wandel, den wir durchleben, werden Softskills künftig wichtiger. Etwa, um Probleme zu lösen oder Entwicklungen zu antizipieren. Das lernt man am Besten am Arbeitsplatz. Darin liegt auch die Stärke der Lehrlingsausbildung, denn die Jugendlichen lernen solche Dinge nebenbei. Wenn man nur in die Schule geht, fehlt einem dies. Schlussendlich ist es der Mix von Akademikern und Praktikern, der Innovation ermöglicht, wie verschiedene Studien zeigen.

Was bedeutet Ihnen das Motto «Kein Abschluss ohne Anschluss»?

Das ist Gold wert. Im schweizerischen Berufsbildungssystem führt jeder formale Abschluss zu einem weiterführenden der Höheren Berufsbildung oder an Hochschulen. Das Schweizer Bildungssystem ist sehr durchlässig. Jeder und jede kann ein ganzes Leben lang auf- und umsteigen. 

Wie bringt man Firmen in den USA dazu, sich in der Berufsbildung zu engagieren?

Indem man einen Business Case macht. Den Kosten und  den Nutzen einer Berufslehre kann man für Betriebe berechnen. So wissen wir aus der Forschung, dass sich die Ausbildung von Lehrlingen für Schweizer Firmen im Durchschnitt rentiert. Nichtstun ist für US-Firmen keine Alternative, denn die Demografie schreitet auch in den USA voran. Der Fachkräftemangel wird für US-Firmen spürbar, wenn sie nicht für Nachwuchs sorgen.

Hat dieses Nichtstun mit einem Missverständnis zu tun?

Teilweise. In den USA ist ein «Apprenticeship» meist ein Arbeitsintegrations- und kein Bildungssystemprogramm. Etwa so, wie ein vom RAV bezahlter Einarbeitungszuschuss. Die Schweizer Berufslehre ist hingegen im Bildungssystem integriert. US-Delegierte, die sich mit Schweizer Lehrlingen unterhalten, sind deshalb über die Anforderungen einer Berufslehre und über die Reife der Jugendlichen erstaunt. «Sie verhalten sich so, wie Dreissigjährige bei uns», höre ich immer wieder.

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Der Bericht «Jobs Now» will US-Organisationen sensibilisieren, ein Berufsbildungsprogramm zu iniitieren, um Qualifikationslücken zu schliessen und genügend Nachwuchskräfte zu gewinnen. Dieser wurde von Accenture, der Swiss American Chamber of Commerce, dem Global Apprenticeship Network und der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich im November 2017 publiziert. 

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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