Serie Business-Knigge 2: Russland

«Beziehungen sind von grösster Wichtigkeit»

Militante Nichtraucher und Antialkoholiker dürften es schwer haben, Kenner der russischen Literatur dagegen können bei ihren Geschäftspartnern in Russland punkten. Worauf Sie in Verhandlungen und in der Kommunikation mit Russen achten müssen, erfahren Sie im zweiten Teil unserer Business-Knigge-Serie.



Winston Churchill nannte Russland einst ein «Rätsel, eingepackt in einem Mysterium, das in einer Wundertüte eingeschlossen ist.» Tatsache ist: Bei der Firmenkultur läuft in Russland vieles anders als in Europa. Wer im Lande Putins Geschäfte machen will, muss einiges beachten. Überall lauern Fallstricke. 

Zarenreich, Kommunismus, Kapitalismus. In 100 Jahren erlebte Russland die verschiedensten Systeme. Zwar zerbrachen diese, doch sind die neuen, die dabei sind sich zu konsolidieren, so schwierig zu verstehen und zu durchdringen wie die alten. Eines darf man nicht vergessen: Mit seinen schier unendlichen Ressourcen ist Russland wirtschaftlich verheissungsvoll, doch an der Eroberung des russischen Marktes sind schon andere, berühmte Zeitgenossen grandios gescheitert, wie die Geschichte zeigt. 



Sind Sie militanter Nichtraucher oder Antialkoholiker, haben Sie es schwer in Verhandlungen mit Russen, denn der unvermeidliche Wodka wird auch bei Geschäftsessen oft in rauen Mengen serviert. In Business-Meetings in Russland ist es ganz normal, dass auf den Tischen Zigaretten qualmen, während ein Teil der Delegation noch isst, und immer wieder mal das Handy klingelt. Es empfiehlt sich, nicht gegen die russischen Sitten aufzubegehren. Das könnte missverstanden werden in einem Land, dessen Menschen stolz auf ihre Jahrtausende alte Kultur sind und sich den Russian Way of Life nicht vorschreiben lassen.



Akzeptieren Sie die Bedürfnisse des russischen Körpers und der russischen Seele und punkten Sie mit Kenntnissen über die russische Literatur. Fast alle russischen Manager sind hervorragende Literatur-Kenner und oftmals bitter enttäuscht, wenn ihr Gegenüber auf diesem Gebiet Bildungslücken zu erkennen gibt. Wichtig zu wissen: Sie müssen nicht alle Bücher, die oft sehr umfangreich sind, gelesen haben. Es genügt, wenn Sie der Spur nach wissen, worum es geht. Vermeiden Sie das Gespräch auf Russland-kritische Literatur zu lenken. Solschenizyn ist nicht überall gerne gelesen. Auf der sicheren Seite sind Sie mit den Klassikern, wie zum Beispiel Leo Tolstois «Krieg und Frieden».   

Russland ist ein Männerland. Eine Frau, die bei einem Treffen im Restaurant die Rechnung bezahlt, würde den Stolz des russischen Mannes verletzen. Westliche Frauen sollten deshalb nicht unbedingt ihre Emanzipation unterstreichen. Auch Minderheiten können nicht auf Gleichbehandlung zählen. Wer sein Schwulsein offensiv kommuniziert, wird auf wenig Verständnis stossen. 

Ganz allgemein kann zum Umgang in der Businesswelt in Russland gesagt werden: So gross das Misstrauen gegenüber bestehenden Systemen ist, so gross ist das Vertrauen auf ein Geflecht persönlicher Beziehungen. Diese zu pflegen ist von grösster Wichtigkeit. Hier einige Tipps und Hintergründe über die Arbeit und Verhandlungen in der russischen Wirtschaft:

Verhandlungen

  • Verhandlungen sind zäh und können richtiggehend theatralisch werden
  • Es kommt vor, dass Russen in Verhandlungen ihre Fassung verlieren, ausrasten und laut werden, den Raum verlassen oder aus verhandlungstaktischen Gründen damit drohen, die Verhandlungen ergebnislos zu beenden.
  • Wenn der russische Geschäftspartner von Ihnen einen Nachlass oder Zugeständnisse fordert, sollten Sie auf keinen Fall schon früh nachgeben; dies würde als Zeichen von Schwäche gedeutet und dass man bei Ihnen noch viel mehr herausholen kann.
  • Russen sind eher transaktional und auf den eigentlichen Geschäftsvorgang orientiert; es ist ihnen nicht so wichtig, langjährige Geschäftsbeziehungen aufzubauen.

Kommunikation und Zusammenarbeit

  • Für Russen zählt das gesprochene Wort mehr als das geschriebene.
  • Daher sollten westliche Führungskräfte darauf achten, alles mündlich Besprochene auch noch schriftlich festzuhalten und von der russischen Seite eine ausdrückliche Zustimmung verlangen.
  • Achten Sie bei der Führung russischer Mitarbeiter darauf, dass diese von Ihnen einen eher direktiven, hierarchischen Umgang erwarten
  • Von Ihnen werden Entscheide erwartet; wenn Sie davor stets die Meinung Ihrer Mitarbeiter einholen, werden Sie als entscheidungsschwach wahrgenommen.

Tatsache ist: Wer in Russland Geschäfte machen will, muss sich bewusst sein, dass vieles anders läuft als in Westeuropa. Wer gewillt ist, sich auf die russische Mentalität und Geschäftskultur einzulassen, entdeckt eine grossartiges Land mit ungeahnten Möglichkeiten.

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Waseem Hussain ist CEO der Marwas AG (www.marwas.ch) in Zürich. Er ist seit 16 Jahren interkultureller Trainer. Seine Mitarbeiterschulungen beanspruchen KMU sowie globale Finanz-, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen in der Schweiz und in Europa. Zudem ist er Gastdozent an diversen Hochschulen und Keynote-Speaker.

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