Lernen

Bildungscontrolling: 
Kontrolle ist gut, Fokus ist besser

Weiterbildung ist kostspielig. Ihren Nutzen zu evaluieren ebenso. Deshalb wird hier in Krisenzeiten gerne der Rotstift angesetzt. Doch wer genau plant und bedarfs- sowie strategieorientiert weiterbildet, braucht die Kontrolle des Nutzens nicht immer bis ins kleinste Detail nachzuvollziehen. Das spart Kosten und wertvolle Ressourcen.

Nicht erst seit Richard Gris mit seinem Buch «Die Weiterbildungslüge» den Markt unter die Lupe genommen hat, ist klar, dass Unternehmen im Namen der Weiterbildung viel Geld verjubeln. Denn nicht jede Weiterbildung ist automatisch eine gute und Weiterbildungen zu identifizieren, die den Mitarbeiter und das Unternehmen tatsächlich weiterbringen, ist schwer. In Krisenzeiten setzen Unternehmen deshalb dort gern den Rotstift an – denn das Sparen tut hier nicht auf Anhieb weh.

Solche Massnahmen setzen die Personalentwicklung unter Druck, die Ausgaben für Weiterbildung zu rechtfertigen und greifbare Resultate aufzuzeigen. Keine einfache Aufgabe, denn die Rechnung, dass jedem in Weiterbildung investierten Franken auch ein messbarer Output gegenübersteht, geht nicht zwingend auf.

Bildungscontrolling als Kreislauf

Doch es gibt mehr, was Unternehmen tun können, als mit Kennzahlen und Erhebungen im Nachhinein nach den messbaren Erfolgen eines Seminars  zu fahnden. Denn die nachträgliche Erfolgskontrolle ist nur ein Aspekt des so genannten Bildungscontrollings. Der Begriff bezeichnet vielmehr einen Kreislauf: von der Bedarfserhebung über die Durchführung von Weiterbildungsmassnahmen bis hin zu dem, was sich viele wohl unter dem Begriff Bildungscontrolling vorstellen: zur Evaluation von Weiterbildungsmassnahmen.

«Die meisten Unternehmen setzen Bildungscontrolling eher sporadisch ein», weiss Bernd Käpplinger vom deutschen Bundesinstitut zur beruflichen Bildung (BIBB), der verschiedene Studien zum Thema betriebliche Weiterbildung erarbeitet hat. Am ehesten würden die Unternehmen auf den ersten beiden Ebenen (Bedarfsanalyse / Planung und Durchführung) aktiv werden – eine kostspielige, oft wenig sinnvolle Evaluation steht eher seltener auf dem Programm. «Echten Return zu messen, ist kaum möglich», weiss auch Christoph Negri, Leiter des Zentrums Human Resources, Development & Assessment am IAP Zürich.

Sein Institut untersucht als Anbieter von Weiterbildungen deren Nachhaltigkeit und den Transfer des vermittelten Wissens in die Praxis. Die Möglichkeiten, einen solchen Erfolg zu messen, sind dabei ebenso vielfältig wie unterschiedlich in Aufwand und Aussagekraft: Sie reichen von den so genannten «Happy Sheets» – Fragebögen, die am Ende eines Seminars von den Teilnehmern ausgefüllt werden und in denen diese ihre Zufriedenheit zum Ausdruck bringen können – bis hin zur Bildung von Vergleichsgruppen, bei denen überprüft wird, ob jene, die eine Weiterbildung hatte, jetzt produktiver ist oder eben nicht, erklärt Käpplinger. Doch Letzteres lasse sich vielleicht noch am Beispiel eines Vertriebsmitarbeiters nach einer Verkaufsschulung beurteilen, in anderen Bereichen sei ein solcher Vergleich kaum möglich. Weiter fragt sich, zu welchem Zeitpunkt sich ein Nutzen am besten erheben lässt: gleich nach der Weiterbildung, vier Wochen später oder erst nach einem Jahr?

Nicht alle Effekte sind messbar

Entscheidend für jede Art von Evaluation sind jedoch Ziele: Wer nicht weiss, was er messen will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er nichts herausfindet. Dabei sind operative Ziele noch leicht zu messen. Anders sieht es mit strategischen Zielen aus: Der Beitrag einer Weiterbildung zum Unternehmenserfolg lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken. Und ein negativer ROI heisst nicht in jedem Fall, dass sich eine Investition nicht gelohnt hat. Es gibt auch qualitative Erträge, die nicht sichtbar sind: beispielsweise ein verbessertes Betriebsklima oder die gesteigerte Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter. «Weiterbildungen», betont Bernd Käpplinger, «haben oft auch nichtintendierte Effekte, zum Beispiel durch den informellen Austausch zwischen den Teilnehmern.» Solche Effekte sichtbar zu machen ist nahezu unmöglich.

Christoph Negri will mit seiner Studie «Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengängen am IAP Zürich» herausfinden, welche Faktoren dafür sorgen, dass von der Weiterbildung auch etwas ins Unternehmen gelangt: «Wir versuchen qualitativ zu beschreiben, was es braucht, damit die Umsetzung besser gelingt. Das kann die Begleitung durch Vorgesetzte sein, das Lernklima, der Umgang zwischen den Teilnehmern und den Dozenten. Wir suchen nach den Strukturen, die eine Weiterbildung braucht, um nachhaltig zu sein.» Ganz entscheidend ist seiner Ansicht nach, dass das Gelernte einen direkten Bezug zur Tätigkeit des Mitarbeitenden hat. «Weiterbildung auf Vorrat ist nicht empfehlenswert», so Negri.

Weiterbildung – eine Machtfrage

Genau das passiert aber in vielen Unternehmen. Die Weiterbildung ist stark institutionalisiert, meist gibt es ein festes Budget und die Verantwortlichen überlegen sich, wie sie das Geld ausgeben können. Die wenigsten Firmen unternehmen die Anstrengung, das Weiterbildungsbudget zielgerecht anzupassen und sich zu fragen, was sie tatsächlich brauchen und was nicht, so Bernd Käpplinger. «Und solange sich nichts Negatives zeigt, werden die Weiterbildungsprogramme in der Regel so weitergeführt wie gehabt. Zudem spielt bei der Verteilung der Weiterbildungsbudgets oft auch Macht oder das Standing von einzelnen Abteilungen eine Rolle.»

Gleichzeitig stehen die HR-Abteilung bzw. die Personalentwickler unter Druck, ihre Arbeit zu legitimieren und anhand konkreter Ergebnisse auszuweisen, was sie da eigentlich macht. «Hier müssen sich Unternehmen wirklich genau überlegen, was sie herausbekommen wollen und ob sich der Aufwand lohnt, den es braucht, um Nutzen sichtbar zu machen», warnt Käpplinger. Und das hängt vor allem davon ab, welche Fragen man beantwortet haben will: Jene nach der Zufriedenheit der Kursteilnehmer ist noch leicht zu beantworten. Auch welche Kompetenzen in einem Seminar erlernt wurden, ist durch Befragung noch nachvollziehbar.

Aber je weitreichender die Fragen, desto schwieriger wird es, Erfolg oder Misserfolg auf die Spur zu kommen: Schon recht schwer zu beantworten ist die Frage, wie sich das Verhalten des Mitarbeitenden verändert hat oder wie sein Verhalten zur Verbesserung der Produktivität oder zum Erreichen des Unternehmensziels beiträgt. Und die Frage, ob sich die Investition letztlich gelohnt hat, wird sehr selten mit hundertprozentiger Sicherheit beantwortet werden können. Für Käpplinger ist deshalb klar, dass sich ein lehrbuchhaftes Bildungscontrolling nicht in jedem Unternehmen realisieren lässt. «Der gesamte Kreislauf des Bildungscontrollings bindet sehr viele Ressourcen. Ich plädiere deshalb dafür, nur sporadische Überprüfungen durchzuführen und beispielsweise einmal pro Jahr ein ausgewähltes Element dieses Kreislaufs auf Projektbasis genauer anzusehen.»

Echte Bedarfe identifizieren

Unternehmen passen ihre Weiterbildungsausgaben meist dem Konjunkturverlauf an: «In vergangenen Krisen wurde leider zuerst bei der Qualifizierung und Weiterbildung gespart, besonders bei den Geringqualifizierten. Dabei hätten Unternehmen in Krisenzeiten die Chance, sich zu überlegen, ob sie die Zeit, die aufgrund der schwachen Auftragslage freigeworden ist, zur Weiterbildung nutzen könnten. «Diese Investition in ihre Mitarbeiter ist es, die sie später wieder weiterbringt», sagt André Schläfli, Direktor des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung. Dafür ist es notwendig, sich mit der künftigen strategischen Ausrichtung auseinanderzusetzen und echte Bedarfe zu identifizieren und die richtigen Massnahmen zu ergreifen. Wer das berücksichtigt, verschwendet kaum Ressourcen und muss im Nachhinein auch kein Vermögen in die Effizienzmessung investieren. Denn bildlich gesprochen geht es nicht nur darum, zu schauen, wie viel Tee aus der Kanne in die Tassen gelangt, sondern vor allem auch darum, darauf zu achten, wer überhaupt Durst hat und dass unterwegs nichts verloren geht.

Literatur


  • Richard Gris, Die Weiterbildungslüge (2008), Campus
  • Rolf Meier, Praxis Bildungscontrolling (2008), Gabal
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