Brexit – die migrationsrechtlichen Konsequenzen in der Schweiz
Seit dem 1. Januar 2021 gelten britische Staatsbürger nicht mehr als Bürger der Europäischen Union. Das Ausländer- und Integrationsgesetz (AIG) ist nun auch für UK-Staatsangehörige verbindlich. Ein Update zur Situation mit Stephanie Müller, Head Immigration Services bei BDO Schweiz.
Brexit: Was ist seit dem 1. Januar 2021 geschehen? (Bild: 123rf)
Seit wann gelten die neuen Gesetzesbestimmungen?
Stephanie Müller: Ende 2020 hat die zwischen London und Brüssel vereinbarte Brexit-Übergangsperiode geendet und das Vereinigte Königreich ist definitiv aus der EU ausgetreten. Das Ende der Übergangsperiode bedeutet neben dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt und der EU-Zollunion aber auch, dass die bisher geltenden bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und dem UK wegfallen.
Seit 1. Januar 2021 regeln neue bilaterale Abkommen die Beziehung der Schweiz zum Vereinigten Königreich. Diese wurden im Rahmen der «Mind the gap»-Strategie ausgearbeitet und sollen rechtliche Lücken vermeiden und gegenseitige Rechte und Pflichten schützen.
Was hat sich in der Praxis seit dem 1. Januar 2021 geändert, wenn ein britischer Staatsbürger eine neue Stelle in der Schweiz antritt?
Da die Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich Ende 2020 geendet hat, unterliegt die Zulassung zum Arbeitsmarkt seit dem 1. Januar 2021 der nationalen Gesetzgebung und es gelten die Zulassungsvoraussetzungen gemäss Ausländer- und Integrationsgesetz.
Das bedeutet, dass der Schweizer Arbeitgeber schriftlich bei der kantonal zuständigen Behörde eine Arbeitserlaubnis beantragen muss. Auch der Stellenwechsel eines britischen Staatsbürgers, der bereits im Besitz einer Schweizer Bewilligung ist, ist teilweise bewilligungspflichtig.
Was ist unter den Zulassungsvoraussetzungen gemäss Ausländer- und Integrationsgesetz zu verstehen?
Die Schweiz kennt bei der Zulassung ausländischer Arbeitskräfte ein duales System. Erwerbstätige aus den EU/EFTA Staaten erhalten aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens erleichterten Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt. Die Zulassungskriterien von Nicht-EU/EFTA-Staatsangehörigen bedeuten im Detail:
- Das gesamtwirtschaftliche Interesse muss erfüllt sein. Dabei werden insbesondere die jeweilige Arbeitsmarktsituation, die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und die Integrationsfähigkeit berücksichtigt.
- Der Schweizer Arbeitgeber muss mittels ausführlichen Suchbemühungen nachweisen, dass keine Personen mit Vorrang zur Verfügung stehen. Vorrang geniessen Schweizer, Ausländer mit Aufenthaltsbewilligungen B, die zu Erwerbstätigkeit zugelassen sind, Ausländer mit Niederlassungsbewilligung sowie alle Personen aus Staaten, mit denen ein Freizügigkeitsabkommen geschlossen wurde.
- Die Behörden prüfen bei Gesuchstellung, dass der Lohn, die Sozialversicherungsbeiträge und die Arbeitsbedingungen den orts-, berufs- und branchenüblichen Verhältnissen entsprechen.
- Zugelassen werden können Führungskräfte sowie Spezialisten und andere qualifizierte Arbeitskräfte. Als qualifizierte Arbeitskräfte gelten in erster Linie Personen mit Hoch- oder Fachhochschulabschluss sowie mehrjähriger Berufserfahrung. Neben der beruflichen Qualifikation werden auch die Integrationskriterien geprüft.
- Der Bundesrat hat für UK-Staatsangehörige separate Kontingente an Kurzaufenthalts- und Aufenthaltsbewilligungen festgelegt.
- Für Grenzgänger werden nur Bewilligungen erteilt, wenn diese in den definierten Grenzzonen auf Schweizer Seite und in den Nachbarländern arbeiten respektive wohnen. Zudem gilt auch bei Grenzgängern der Nachweis der Berücksichtigung des Inländervorrangs.
Sind britische Staatsangehörige, die eine vor dem 31.12.2020 erhaltene Schweizer Aufenthaltserlaubnis besitzen, von den neuen Bestimmungen betroffen?
Eine bereits vor Ende 2020 erworbene Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung sowie Grenzgänger- und Niederlassungsbewilligungen bleiben unverändert bestehen. Auch die Verlängerung dieser Bewilligungen erfolgt weiterhin nach den Regelungen gemäss Personenfreizügigkeitsabkommen.
Es besteht die Möglichkeit, dass UK-Staatsangehörige mit gültiger Bewilligung aufgefordert werden, den Ausländerausweis in einen biometrischen Ausländerausweis inklusive der Bemerkung «Gemäss Abkommen CH-UK vom 25.02.2019» umzutauschen. Dies ändert nichts an den bestehenden Aufenthaltsansprüchen. Sofern keine Aufforderung zum Umtausch erfolgt, wird die Bewilligung bei Verlängerung geändert. Grenzgänger mit Wohnsitz in UK oder einem Nicht-Mitgliedstaat des Schengen-Raums müssen mit den Behörden in Kontakt treten.
Für das Jahr 2021 stehen 3500 Kontingente für UK-Staatsangehörige zur Verfügung. Wird dies ausreichen?
Für erwerbstätige britische Staatsbürger wurde ein vorübergehendes separates Kontingent in der Höhe von insgesamt 3500 Einheiten (2100 Aufenthaltsbewilligungen und 1400 Kurzaufenthaltsbewilligungen) geschaffen. Dadurch sollen die Folgen eines abrupten Wechsels britischer Staatsangehöriger von Freizügigkeitsberechtigten hin zu Drittstaatsangehörigen für Wirtschaft und Kantone gemindert und ein unerwünschter Wettbewerb zwischen britischen Staatsangehörigen und anderen Drittstaatsangehörigen verhindert werden.
Der Bundesrat hat seinen Entscheid unter Berücksichtigung der Haltung der Kantone, des Bedarfs der Wirtschaft und unter Einbezug der Vorgaben des in der Bundesverfassung verankerten Zuwanderungsartikels getroffen. Die Kontingente werden quartalsweise an die Kantone freigegeben und die Bewilligungserteilung erfolgt vorläufig in der Kompetenz der Kantone und unterliegt nicht dem Zustimmungsverfahren.
Was ändert sich für kurzfristige Dienstleistungserbringer aus dem UK bei Einsätzen bis 90 Tagen?
Gestützt auf das befristete Abkommen über die Mobilität von Dienstleistungserbringern kommt für Zulassungen von grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringenden aus dem UK bis 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr weiterhin das Online-Meldeverfahren zur Anwendung. Dies gilt für Entsandte von Unternehmen mit Firmensitz im UK unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit sowie selbstständige Dienstleistungserbringende mit Firmensitz im UK. Voraussetzung für kurzfristig entsandte Dienstleistungserbringer zur weiteren Anwendung des Meldeverfahrens ist, dass diese mindestens seit 12 Monaten im Besitz einer Aufenthaltskarte oder einer Daueraufenthaltskarte des UK sind und somit auf dem regulären Arbeitsmarkt im UK zugelassen waren.
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