Checkliste

Coaching: Lieber selber machen

Unzufriedenheit im Job, Über- oder Unterforderung, nerviger Chef, unmögliche Kollegen – es gibt viele Situationen im Berufsleben, in denen ein Problem schier unlösbar erscheint. Betroffene suchen oft Hilfe bei einem Coach. Es geht aber auch ohne: Mit Selbstcoaching können Sie sich aus eigener Kraft auf die Sprünge helfen. Damit Sie gleich durchstarten können, haben wir zehn Übungen für Sie gesammelt.

«Wir haben alles in unserem Kopf, wir müssen es nur ordnen und Prioritäten setzen», erklärt Sabine Asgodom, Management-Trainerin und Coach. «Mit Selbstcoaching kann man sich selber in einen Zustand versetzen, in dem man imstande ist, eine Entscheidung zu treffen oder adäquat zu handeln», erklärt Coach Kafi Freitag. Und genau darum geht es: nicht länger wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen, sondern wieder handlungsfähig zu werden.

«Professionelle Coaches helfen den Personen, sich selbst zu helfen», sagt Kafi Freitag. Eigentlich machen sie nichts anderes als im Dialog mit den Klienten deren innere Ressourcen zu aktivieren. An die Stelle des Dialogs mit dem Profi tritt beim Selbstcoaching der bewusste Dialog mit sich selbst. Damit sind aber nicht die üblichen Selbstgespräche gemeint, von denen wir rund 4000 am Tag führen. Die sind nämlich oft Grund des Übels. Auch wenn wir die meisten von ihnen gar nicht wahrnehmen, hemmen sie uns. Denn 70 Prozent davon haben einen negativen Inhalt. «Das schaffe ich niemals», «Davon habe ich doch gar keine Ahnung», «War doch klar, dass ich das verbocke» – mit solchen Sätzen rauben wir uns selbst unbewusst und ständig Lebensfreude und Energie. «Gerade dann, wenn wir unsere Ressourcen am meisten bräuchten, schwächen wir uns», erklärt Coaching-Trainer Urs Bärtschi das Phänomen.

Schluss mit negativen Dialogen

Genau hier setzt Selbstcoaching an. «Den grössten Gewinn und die meiste Autonomie erzielt der Mensch dadurch, dass er seine inneren Überzeugungen und Dialoge identifiziert», sagt Urs Bärtschi. Wer es schaffe, aus den negativen Dialogen auszusteigen und sich stattdessen selbst zu ermutigen und zu stärken, der sei auf einem sehr guten Weg. Aus einem «Es ist so lange her, das kann ich nicht mehr» wird beim bewussten Zuhören und Mit-sich-selbst-Reden dann vielleicht ein «So was habe ich schon mal hingekriegt, das schaff ich wieder». Oder auch ein «Das will ich gar nicht mehr!». Beides sind legitime Möglichkeiten und ganz andere Positionen als das anfängliche verängstigte Zögern.

Sich selbst kennenzulernen und seinen inneren Stimmen auf die Spur zu kommen, funktioniert aber nicht von heute auf morgen. Und es ist auch nicht das einfachste Thema für Selbstcoaching. «Manche Menschen brauchen ein Gegenüber, um vom äusseren in den inneren Dialog zu kommen», weiss Sabine Asgodom. Wer so ticke, solle sich nicht scheuen und einen Termin beim Profi machen. «Generell ist Selbstcoaching zur Persönlichkeitsentwicklung nicht so sinnvoll», sagt sie ausserdem. Das sei ein schweres Thema, bei dem nur ein Blick von aussen und gezielte Arbeit unter Anleitung zu besseren Ergebnissen führen würden. Und auch Urs Bärtschi sowie Kafi Freitag warnen davor, bei grösseren Problemen Selbstcoaching anzuwenden. «Es kann sehr anspruchsvoll sein, zum Beispiel an einer Angst zu arbeiten», sagt Kafi Freitag. Deshalb gilt: Wer ein Problem hat, mit dem er alleine nicht weiterkommt, ist bei einem Coach oder auch bei einem Therapeuten besser aufgehoben als allein mit sich selbst.

Kafi Freitag sieht aber noch einen anderen Punkt sehr kritisch: Viele Menschen forderten zu viel von sich selbst, sagt sie. «Es muss nicht immer alles optimiert werden. Manchmal reicht es auch, halbwegs okay zu sein», sagt sie. Das Ziel sei immer, sich selbst liebevoll zu behandeln und mit seinen Macken zu mögen. Nicht mehr und nicht weniger. «Bei konkreten Entscheidungsproblemen, Stress oder auch kleineren Ängsten und Unsicherheiten kann Selbstcoaching aber gut funktionieren», sagt sie. Voraussetzung sei eigentlich nur eine gewisse Reflexion von sich selbst und seinem Thema. «Und die Bereitschaft, die Perspektive zu wechseln», fügt sie hinzu.

Sofort loslegen ist möglich

Wer sich selbst coachen möchte, nimmt sich am besten erst mal ein bisschen Zeit. «Man sollte sich in einem möglichst entspannten Rahmen mit den Techniken auseinandersetzen», rät Kafi Freitag. Es gibt zahlreiche Ratgeber und noch mehr verschiedene Methoden und Übungen. Nicht alles davon ist für jeden gleich gut geeignet. Ausserdem unterscheiden sie sich auch im Schwierigkeitsgrad. Einige Methoden erfordern viel Übung und Geduld, andere sind ganz einfach und von jedem sofort anwendbar. «Tiefes Durchatmen hilft zum Beispiel oft schon sehr viel, denn wenn wir unter Stress stehen, atmen wir nur noch oberflächlich und diese Atmung blockiert die Energie», sagt Kafi Freitag. Übungen, die Denkblockaden lösen oder die Fantasie in Gang setzen, sind ebenfalls leicht anzuwenden. «Aber wer erst fünf Minuten vor einem grossen Auftritt ‹Stressmanagement› googelt, kann nicht mehr viel retten», warnt Kafi Freitag.

Wer also Interesse am Thema hat, der fängt am besten an, wenn der Schuh noch nicht allzu sehr drückt. Und nimmt das Selbstcoaching auch nicht zu ernst. «Wer spielerisch da rangeht, hat am meisten Spass damit», sagt Sabine Asgodom. Und Urs Bärtschi empfiehlt: «Fangen Sie einfach an!» Damit Sie nicht zögern, haben wir einige Übungen für Sie gesammelt. Probieren Sie doch einfach direkt mal die eine oder andere aus!

Zur Ruhe kommen, Energie tanken oder positiver denken:

Atmen, atmen, atmen!

Stellen Sie sich aufrecht hin und atmen Sie tief in den Bauch ein. Und wieder aus. Wiederholen Sie das ein paar Atemzüge lang. So kommt man schnell zur Ruhe, gewinnt Balance und einen klaren Kopf.
Tipp von Kafi Freitag

Let’s dance!

Schliessen Sie sich auf dem WC ein (oder gehen Sie in einen Raum, in dem Sie sicher ungestört sind). Ziehen Sie Kopfhörer an, drehen Sie Ihre Lieblingsmusik auf und tanzen Sie fünf Minuten lang, was das Zeug hält! Das bringt blockierte Energie in Schwung und das Gehirn produziert einen Extrashot an Glückshormonen.
Übung von Kafi Freitag

Drei Dinge

Setzen Sie sich abends hin und notieren Sie drei Dinge, die Ihnen gut gelungen sind. Das können auch kleine, ganz alltägliche Dinge sein (Beispiel: Ich hatte ein gutes Gespräch mit meinem Kollegen). Alternativ geht diese Übung auch, indem man drei schöne Dinge notiert, die an diesem Tag passiert sind. Beides lenkt die Gedanken in eine positive Richtung.
Tipp von Sabine Asgodom

Denkblockaden lösen und neue Möglichkeiten finden:

ABC-Liste für gute Ideen

Schreiben Sie zu jedem Buchstaben des Alphabets eine Idee auf. Gehen Sie dabei schnell und spielerisch vor und assoziieren Sie frei. Unter den 26 gesammelten Ideen ist bestimmt mindes­tens eine gut! Was es bringt: hilft bei Blockaden und bringt neue und überraschende Möglichkeiten ins Spiel!
Übung von Sabine Asgodom

Das Alternativ-Rad

Malen Sie eine Sonne auf ein Blatt Papier. In den Mittelpunkt schreiben Sie das Thema, um das es geht (Beispiel: berufliche Perspektive). Dann beginnen Sie bei einem Strahl und schreiben die erste Möglichkeit auf, die es gibt (im Beispiel und auch sonst: Alles bleibt, wie es ist). Dann reihum alle Strahlen mit Möglichkeiten versehen. Die Möglichkeiten können völlig unrealistisch sein, keine davon sollte bewertet werden (im Beispiel: auswandern, Strandcafé eröffnen). Im nächsten Schritt geben Sie den Möglichkeiten Punkte von 0 bis 10, je nachdem, wie sehr sie Ihnen gefallen. Alle Möglichkeiten mit 9 oder 10 Punkten verdienen eine nähere Betrachtung! Was es bringt: Sie sehen plötzlich auch die Möglichkeiten, die normalerweise gleich wegen Unrealisierbarkeit in der Versenkung verschwinden würden!
Übung von Sabine Asgodom

Die gute Fee

Stellen Sie sich vor, Sie haben bei einer Fee drei Wünsche offen. Schreiben Sie sie auf. Und überlegen Sie dann, was sich davon realisieren lässt. Wenn Sie Ihre Wünsche kennen, kommen Sie ihnen näher!
Tipp von Sabine Asgodom

Das «Aber-Tool»

Schreiben Sie alle «Abers» zu einer Idee auf. Überprüfen Sie jedes einzelne (Beispiel: Ich würde gerne mehr mit dem Kollegen kommunizieren, aber der will das nicht). Überprüfen Sie jedes Aber: Glauben Sie das nur oder wissen Sie das? Wenn Sie es nicht wissen, finden Sie es heraus! Sie werden wieder handlungsfähig und viele der «Abers» werden sich in Luft auflösen.
Übung von Sabine Asgodom

In Kontakt mit sich selbst kommen:

Entlarvung der inneren Darsteller

Hören Sie sich selbst bei Ihren inneren Dialogen zu. Achten Sie dabei besonders gut auf die «Darsteller» – jene Stimmen, die sich im Trubel des Lebens starkmachen und in den Vordergrund spielen, und auf jene, die in den Hintergrund gedrängt werden: «Nur keine Langeweile! Schnell! Das schaffst du noch heute!», ruft der Geschäftige. «Alles oder nichts! Punktgenau! Sicherheit!», fordert der Konsequente. «Harmonie! Rücksichtnahme auf alle!», erbittet der Freundliche. «Zeit! Und bitte ohne Druck und Stress!», lautet der Anspruch des Gemütlichen. Alle vier stehen als Res­source und zur Selbstlen­kung in unterschiedlichen Ausprägungen zur Verfügung. Haben Sie beim Lesen schon die eine oder andere «Stimme» oder Grundrichtung bei sich entdeckt? Dann kennen Sie sich schon besser als vorher!
Tipp von Urs Bärtschi

Mutig denken

Wenn Sie sich bei einem Gedanken ertappen, der Sie bremsen könnte, stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Entspricht der Gedanke den aktuellen Tatsachen?
  • Hilft mir der Gedanke?
  • Wenn nein: Durch welchen Gedanken kann ich ihn ersetzen? Was ist angemessener und angebrachter?

Solcherart gezielt geführte Selbstgespräche sind aufbauend, schöpferisch und konstruktiv, beinhalten anerkennende, ermutigende Aussagen und bringen weiter, weil sie das persönliche Wachstum anstossen.
Übung von Urs Bärtschi

Die Madonna-Methode

Schreiben Sie den Namen einer berühmten Person auf, die Sie bewundern. Dann notieren Sie mindestens sechs Eigenschaften, die Sie an ihm/ihr gut finden. Dann sagen Sie alle diese Eigenschaften in der Ich-Form. Sie werden überrascht feststellen, dass Sie selbst nicht gerade wenige dieser Eigenschaften selbst besitzen!
Übung von Sabine Asgodom

Die Coaches im Artikel

Dieser Artikel ist zuerst erschienen bei Miss Moneypenny.

 

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Ruth Preywisch

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