CSR steht dem HR gut
Corporate Social Responsibility, unternehmerische Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung – reine Schlagworte oder entscheidender Wettbewerbsfaktor für die Zukunft? Und: Welche Rolle spielt dabei das HR? Personalverantwortliche aus drei Unternehmen geben Einblick, wo sie die Schwerpunkte setzen und warum.
Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff Nachhaltigkeit oder CSR hören? Vermutlich an Energieeffizienz, CO2-Einsparungen, Papierverbrauch – damit sind Sie nicht allein. Die grosse Mehrheit bringt nach wie vor insbesondere ökologische Themen mit den Begriffen in Verbindung. Anders die Perspektive der HR- und CSR-Verantwortlichen aus drei grossen Schweizer Unternehmen (siehe Box Seite 49). Auch sie verwenden unterschiedliche Begriffe (siehe Box Seite 51), aber für alle ist klar, dass die sozialen Aspekte genauso wichtig sind wie die ökologischen und ökonomischen.
Und so fühlen sich die HR-Fachleute vom Thema auch direkt angesprochen. Wolfgang J. Pfund, Personalchef des Unfallversicherers Suva, sieht dabei eine klare Hauptaufgabe des HR: «Wir müssen insbesondere gegenüber unseren Mitarbeitenden die soziale Verantwortung wahrnehmen.» Damit ist die Pflicht der Personalabteilung jedoch noch nicht getan, wie Pfund betont. Auch für verantwortungsvolles Handeln gegenüber der Gesellschaft sei das HR zuständig, zum Beispiel wenn es darum gehe, Strukturveränderungen respektive Stellenabbau nicht zu Lasten der Allgemeinheit vorzunehmen. Darüber hinaus hat das HR auch die Möglichkeiten und Tools, um die Belegschaft für verschiedene Nachhaltigkeitsthemen zu sensibilisieren und sie zu verantwortungsvollem Verhalten anzuregen. So hat die Suva kürzlich zum ersten Mal Energiesparwochen durchgeführt. Mit vielfältigen Aktionen wurde den Mitarbeitenden aufgezeigt, wie sie im Alltag Strom sparen können.
Etablierung der Firmenkultur als HR-Aufgabe
Für Christoph Müller, HR-Leiter der Axa Winterthur, liegt in der Unternehmenskultur der Schlüssel zum verantwortungsvollen Handeln einer Firma. Die Axa-Gruppe arbeitet seit mehreren Jahren an der Implementierung der sogenannten «Blue Culture», einer Kultur des Vertrauens und des Mitwirkens. Im Rahmen dieser breit angelegten Kulturentwicklung will die Axa weg von «Command and Control», hin zu «Trust and Empowerment». «Diese kooperative Kultur ist ein zentraler Baustein unserer Corporate Responsibility», ist Müller überzeugt.
Und wie sieht das ganz konkret aus? Ob die beschriebene Firmenkultur echt oder vielleicht doch nur ein Lippenbekenntnis ist, zeige sich typischerweise in Krisensituationen. So geschehen bei Axa Winterthur, als die Axa Bank im Verlauf des ersten Halbjahres 2012 ihre operative Tätigkeit einstellen musste. Durch frühzeitiges Handeln des HR fanden bis auf wenige Einzelfälle alle Betroffenen eine interne Anschlusslösung. «Unsere transparente, frühzeitige und offene Kommunikation sowie das grosse Engagement, intern andere Positionen zu besetzen, führten dazu, dass keine negative Stimmung aufkam», sagt Müller. Er weist auch gleich auf den unternehmerischen Nutzen hin: «Die Betroffenen, aber auch ihr direktes Umfeld haben das verantwortungsvolle Handeln ihres Arbeitgebers erlebt. Das schafft Sicherheit und Motivation – und es spricht sich herum.» Zudem wurden Rekrutierungskosten gespart und der Firma blieb Know-how erhalten.
Ein Thema mit vielen Namen und Facetten
Unternehmerische Nachhaltigkeit, Corporate (Social) Responsibility, soziale Verantwortung – die verschiedenen Begriffe meinen teilweise dasselbe, teilweise werden sie aber auch ganz unterschiedlich verwendet. Auch die in diesem Artikel zitierten Unternehmensvertreter verwenden unterschiedliche Begriffe:
Suva
Corporate Social Responsibility (CSR): «Darunter sind drei Aspekte zu subsumieren: die ökologische Verantwortung des Unternehmens, die soziale Verantwortung gegen innen sowie die Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft.»
Axa Winterthur
Unternehmerische Verantwortung / Corporate Responsibility (CR): «CR ist Teil der Unternehmensstrategie der AXA. Sie will CR umfassend in den Unternehmensstrukturen verankern. Dabei sind sechs CR-Anspruchsgruppen definiert: Mitarbeitende, Kunden, Lieferanten, Umwelt, Gesellschaft und Aktionär.»
SV Group in der Schweiz
Nachhaltigkeit: «Die Nachhaltigkeitsstrategie des Bereichs Human Resources unterscheidet drei Arten der Nachhaltigkeit: soziale Nachhaltigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und ökonomische Nachhaltigkeit.»
Kundenbedürfnisse und Fachkräftemangel
Lohnt es sich also aus Sicht der Unternehmen, in die unternehmerische Nachhaltigkeit zu investieren? Wo liegt aus Sicht der HR-Fachpersonen der Nutzen? Für SV Group in der Schweiz, Suva und Axa Winterthur stechen aus diversen Argumenten zwei Aspekte deutlich heraus:
- Kundenbedürfnis: Nachhaltiges, verantwortungsvolles Handeln wird von den Kunden immer mehr gefordert.
- Fachkräftemangel: Demografische Prognosen zeigen deutlich, dass ab 2015/2016 ein einschneidender Mangel an qualifizierten Arbeitskräften droht.
Viele Kunden der SV Group wünschten eine nachhaltige Ausrichtung des Angebots, beispielsweise in Personalrestaurants. Als Reaktion lancierte das Gastronomieunternehmen im Januar 2013 ein massgeschneidertes Nachhaltigkeitsprogramm mit dem Titel «One Two We». «Speziell dabei ist der Einbezug der Kunden», erläutert HR-Leiter Remo Wehrli. Der Kunde wählt aus einem von der SV Group ausgearbeiteten 14-Punkte-Plan Schwerpunkte aus und setzt für sein Restaurant konkrete Ziele in den Bereichen Logistik (z. B. Reduktion Flugware), Betrieb (z. B. Öko-Strom), Beschaffung (z. B. Schweizer Produkte) und Angebot (z. B. vegetarische Auswahl). Dadurch soll der ökologische Fussabdruck verringert werden. «Im Rahmen unserer HR-Strategie 2013–2015 möchten wir auch soziale Themen in das ‹One Two We›-Programm einbringen», sagt HR-Managerin Claudia Bundschu. Dabei sollen auch die HR-Verantwortlichen auf Kundenseite einbezogen werden.
Das Argument des Fachkräftemangels oder die Notwendigkeit für ein strategisches «Employer Branding» bringt Thomas Hügli von der Axa Winterthur auf den Punkt: «Arbeitnehmende der Zukunft suchen ‹Meaning and Money›, wie aktuelle Umfragen unter Hochschulabsolventen zeigen. Die potenziellen Mitarbeitenden möchten erkennen, dass der Arbeitgeber verantwortungsvoll handelt.» Auch der Suva-Personalchef Wolfgang J. Pfund ist überzeugt, dass Unternehmen gut daran tun, das vorhandene Know-how zu erhalten und sich neues zu sichern. Dazu muss der Arbeitgeber auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen. Er erwähnt in diesem Zusammenhang insbesondere die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und die Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsort.
Breite Themenpalette
Es ist eine breite Palette an HR-Themen, die in den Firmen in Bezug auf die unternehmerische Verantwortung umgesetzt werden. Die SV Group in der Schweiz gründete bereits 1922 eine eigene betriebliche Sozialberatung. Diese bietet – heute als eigenständige Firma – unabhängige Beratungsleistungen bei persönlichen, sozialen oder gesundheitlichen Problemen der Mitarbeitenden. Eine Erfolgsgeschichte ist bei der SV Group auch das Gesundheitsmanagement. «Mit unserem systematischen und präventiven Ansatz sowie durch Case Management ist es uns gelungen, die Kurzzeitabsenzen zu reduzieren und langzeitabwesende Mitarbeitende wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren», erklärt Remo Wehrli. Die HR-Verantwortlichen der SV Group sind sich im Klaren, dass sie nicht gleichzeitig in allen sozialen Themen höchste Standards erreichen können. Eine detaillierte Meilensteinplanung auf Basis einer vorgängigen Standortbestimmung wird in den nächsten drei Jahren für weitere Verbesserungen sorgen.
Die HR-Strategie der Axa Winterthur legt unter anderem einen Fokus auf die Flexibilität der Arbeitsgestaltung. Home-Office, Vertrauensarbeitszeit, Teilzeitarbeit – alles keine Fremdwörter für die Axa-Mitarbeitenden. Christoph Müller gibt allerdings zu bedenken: «Die flexible Arbeitsgestaltung hat auch ihre Grenzen.» Er erzählt von einer anderen Firma, die das Home-Office wieder abgeschafft hat, weil die Unternehmenskultur nicht mehr gelebt wurde. Die Teammitglieder müssen auch physisch anwesend sein, um sich auszutauschen. Nur so wird die Firmenkultur wirklich spürbar.
Für die Suva als Pionierin in Sachen Prävention ist es selbstverständlich, dass sie als Arbeitgeberin vorbildlich umsetzt, was sie als Versicherung propagiert. So liegt ein klarer Fokus auf dem betrieblichen Gesundheitsmanagement. Aber auch das Thema Chancengleichheit wird sehr aktiv bearbeitet. So wird in den Rekrutierungsinstrumenten beispielsweise berücksichtigt, dass Frauen häufig eher zurückhaltender auftreten. «Deshalb sind die Vorgesetzten oder Recruiter aufgefordert, die Bewerberinnen etwas zu ‹kitzeln›, damit sie ihre Talente und Fähigkeiten hervorstreichen», erläutert Hügli.
Vorbildcharakter der Chefs nutzen
Wie aber kommen die Unternehmenswerte zu den Mitarbeitenden? Wie kann das HR zu einer tatsächlich gelebten unternehmerischen Verantwortung beitragen?
Die befragten Personalfachleute sind sich einig, dass die Führungskräfte für die Verankerung einer «nachhaltigen» Unternehmenskultur ausschlaggebend sind. Neben der Definition von Führungsgrundsätzen brauche es eine enge Zusammenarbeit zwischen CR und HR, ist Thomas Hügli überzeugt: «Das HR verfügt über die Prozesse und Instrumente, über die die CR-Themen zu den Mitarbeitenden gelangen.»
Ein solches Instrument ist das jährliche Zielvereinbarungsgespräch. Hier sollten neben Leistungs- und Finanzzielen auch Verantwortungsziele integriert werden. Bei der Axa Winterthur ist es für alle Senior Manager (rund 600 Personen) Pflicht, sich ein verbindliches CR-Ziel zu setzen. Dieses kann sich auf die Mitarbeitenden, die Gesellschaft, die Umwelt oder auf mehrere Anspruchsgruppen beziehen. Die Führungskräfte werden so tatsächlich an ihrem verantwortungsvollen Handeln gemessen.
Gesprächspartner
SV Group in der Schweiz
Führender Anbieter der Gemeinschaftsgastronomie (Personalrestaurants, Event Catering, Hotels, Mahlzeitenlösungen). 5000 Mitarbeitende in der Schweiz. Per Ende 2011 Nettoumsatz von gut CHF 445 Millionen.
www.sv-group.ch
Remo Wehrli, HR-Leiter, Mitglied der Geschäftsleitung
Claudia Bundschu, HR-Managerin
Suva
Versichert rund 118 000 Unternehmen beziehungsweise 1,9 Mio. Berufstätige gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten. Rund 3600 Mitarbeitende (Hauptsitz Luzern, 18 Agenturen, 2 Rehabilitationskliniken). Prämienvolumen von rund CHF 4,4 Mrd.
www.suva.ch
Wolfgang J. Pfund, Leiter Personal und Logistik
Axa Winterthur
Mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent führende Schweizer Versicherungsgesellschaft. 4000 Mitarbeitende, exklusive Agenturen. Geschäftsvolumen von CHF 11.4 Milliarden.
www.axa-winterthur.ch
Christoph Müller, Head Human Resources
Thomas Hügli, Head of Corporate Communications and Responsibility