Damit Schweizer Personaldienstleister auch international Gehör finden
swissstaffing-Ökonom Dr. Marius Osterfeld ist Vorstandsmitglied der World Employment Confederation WEC, dem globalen Verband der Personaldienstleister. In dieser Funktion vertritt er die Interessen der Schweizer Branche auf internationaler Ebene. Im Interview spricht er über die Organisation, aktuelle Themen und seine Rolle.
Bild: 123rf.
Als globaler Verband der Personaldienstleister vertritt die World Employment Confederation WEC nationale Verbände und Personaldienstleistungsunternehmen aus der ganzen Welt. Wie funktioniert die WEC?
Dr. Marius Osterfeld: Die WEC setzt sich zusammen aus der Geschäftsstelle, dem Vorstand sowie verschiedenen Komitees, Taskforces und Netzwerken. Der Vorstand selbst tagt drei- bis viermal pro Jahr. Hier geht es um Themen wie Regulierungsversuche, die Zukunft der Arbeit, globale Ereignisse, die Entwicklung der Branche – und natürlich die Strategie des Verbands: Wir diskutieren laufend, ob es Anpassungen braucht, weil sich die Branche schnell entwickelt und ständig neue Dienstleistungen und technische Möglichkeiten hinzukommen. Diese Tagungen bringen immer auch wertvollen Austausch über Best Practices, Trends und Branchenentwicklungen. Während der Vorstand die Strategie und das grosse Ganze im Auge hat, beschäftigen sich die Ausschüsse, Taskforces und Netzwerke noch detaillierter mit einzelnen Branchenthemen.
Zum Beispiel?
Im «Corporate Members Committee» tauschen sich die Unternehmensmitglieder zum Beispiel über rechtliche Standards wie die neuen ESG-Normen aus. Das «National Federations Committee» befasst sich mit verbandsspezifischen Themen – zum Beispiel mit der Frage, wie ein Verband attraktiv bleibt für bestehende und neue Mitglieder. Das «Economic Affairs Committee» erhebt über die Branchenverbände weltweit branchenrelevante Daten und monitort wichtige ökonomische Studien. Das «Global Public Affairs Network» unterstützt die Geschäftsstelle bei der politischen Positionierung und Interessenvertretung gegenüber globalen Institutionen wie der ILO und der OECD. Die Datenschutz-Taskforce beschäftigt sich unter anderem mit der Umsetzung der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen in der EU. Eine Taskforce zur künstlichen Intelligenz hat jüngst eine Blockchain hochgezogen, um den sicheren Austausch von sensiblen CV-Daten zu ermöglichen.
swissstaffing ist seit September 2020 durch Sie im WEC-Vorstand vertreten. Wie kam swissstaffing zu diesem Sitz?
Dazu muss ich sagen, dass die Schweiz bereits 1967 mit ihrem damaligen Verband Gründungsmitglied der heutigen WEC – damals International Confederation of Private Employment Services CIETT – war und ist seitdem immer wieder in verschiedenen Komitees vertreten. Die WEC schreibt die verfügbaren Vorstandsplätze im regulären Wahlturnus aus. swissstaffing wollte sich mehr in den Verband einbringen und mehr Verantwortung auch auf globaler Ebene wahrnehmen. Ein Sitz im Vorstand ist die Eintrittskarte dazu. Als Land in der Mitte Europas mit einem liberalen Arbeitsmarkt und einer guten sozialen Absicherung kann die Schweiz auch eine Vorbildfunktion bei der Gestaltung der Zukunft der Arbeit einnehmen.
Anfang April dieses Jahres hat Sie das «Economic Affairs Committee» zum Vorsitzenden gewählt. Herzliche Gratulation! Solange dieser «Chair» von swissstaffing besetzt wird, ist der Verband fix im Vorstand der WEC vertreten. Wie lange ist die Amtsdauer?
Vielen Dank. Die Wahl muss Ende Mai noch durch die Generalversammlung bestätigt werden. Bis zur nächsten, regulären Wiederwahl durch das Komitee sind es drei Jahre.
Wie profitiert die Branche in der Schweiz davon, dass swissstaffing in der WEC vertreten ist?
Die Vernetzung ist ein zentrales Stichwort. Die WEC ist ein wichtiger Stakeholder bei anderen Organisationen und Zusammenschlüssen wie der ILO, der G20, der OECD und der EU. Wir setzen uns dafür ein, dass die Positionen der Schweizer Branche auf internationaler Ebene Gehör finden.
Ebenfalls wertvoll ist der Austausch zur Branchenentwicklung, zu Trends und Best Practices in der WEC. So wurde beispielsweise der Swiss Staffingindex, der sich in der Schweiz mittlerweile als wichtiger Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung etabliert hat und medial auf grosse Resonanz stösst, durch den Austausch in der WEC inspiriert. Aber auch die Idee, White Papers zu unseren Studien zu produzieren, sowie ein grosser Teil unseres Know-hows im Bereich Managed Services und Payrolling stammen aus dieser Quelle.
Wer sind die anderen Vorstandsmitglieder der WEC?
Bettina Schaller, Head of Public Affairs bei der Adecco Group, ist Präsidentin der WEC. Weitere grosse globale Personaldienstleister wie Kelly Services, die Manpower Group, Randstad und die Gi Group sind im Vorstand vertreten. Zudem haben Direktorinnen und Direktoren zahlreicher Länderverbände aus allen Weltregionen einen Sitz im Vorstand, die wiederum die Interessen ihrer Mitgliedsunternehmen aller Grössen einbringen.
Die WEC unterstützt aktuell Menschen aus der Ukraine. Wie?
In manchen Ländern haben die Mitgliedsverbände der WEC Kooperationsvereinbarungen mit zentralen Arbeitgeberverbänden oder öffentlichen Verwaltungen ausgearbeitet, um den Zugang zum Arbeitsmarkt für Arbeitnehmende aus der Ukraine zu erleichtern. In vielen Ländern sind Personaldienstleister aktiv, um Geflüchteten bei der Integration in den Arbeitsmarkt zu helfen.
Auch in der Schweiz?
Auch bei Personaldienstleistern in der Schweiz ist die Bereitschaft zu helfen hoch. Die Adecco Group hat jüngst eine globale Rekrutierungsplattform lanciert, um Geflüchteten aus der Ukraine den Zugang zu Arbeit zu erleichtern. Auch viele unserer anderen Mitglieder sind mit ihren Kunden im Gespräch, um zu prüfen, wie sie am besten helfen können. swissstaffing selbst berät seine Mitglieder arbeitsrechtlich. Damit helfen wir, den Weg in die Arbeitswelt zu ebnen. Wir sehen Temporärarbeit als einen guten Weg, um Geflüchtete im Bereich der Arbeit zu unterstützen. Wir wissen nicht, wie lange der Krieg dauert, und hoffen gleichzeitig auf ein baldiges Ende. Temporärarbeit bietet Geflüchteten eine hohe Flexibilität und gleichzeitig soziale Sicherheit.
Das andere grosse globale Thema unserer Zeit ist die Corona-Pandemie. In der Schweiz hat die Temporärarbeit während der Pandemie eine wichtige Pufferfunktion im Arbeitsmarkt wahrgenommen und gerade in der Omikron-Welle einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, das Land und die Wirtschaft am Laufen zu halten. Wie ist und war das in anderen Ländern?
Diese wichtige Rolle hat die Branche weltweit wahrgenommen. Wie erfolgreich sie das umsetzen konnte, hatte auch viel damit zu tun, wie stark das jeweilige Land die Temporärarbeit reguliert. Je strenger das regulatorische Korsett in einem Land, desto weniger flexibel konnte die Branche reagieren und desto schwerer wurde es ihr gemacht, ihre Notfallfunktion wahrzunehmen. Das zeigt, wie wichtig liberale Arbeitsmärkte sind.