Warum erfährt das HRM manchmal eine so geringe Wertschätzung?
Ich glaube, alle Stabsstellen haben diese Schwierigkeit, weil sie nicht so oft im Alltagsgeschäft auftauchen. Auf Finanzen trifft das sicher ebenso zu. Es handelt sich also um ein grundsätzliches Stab-Linie-Problem.
Gibt es einen Bereich, der besonders anfällig ist für Spannungen zwischen HRM und Linie?
Immer dort, wo Leute alle möglichen Ideen haben und einer «ja, aber» sagt. Genauso wird das HRM manchmal wahrgenommen. Denn plötzlich müssen Strategieplaner einen ganzen Bereich berücksichtigen, den sie vorher vernachlässigten. Auch Themen wie Personalaufbau, -abbau, -umbau müssten von vornherein in engster Zusammenarbeit mit dem HRM diskutiert werden. Tatsächlich passiert das aber nicht, und das HRM ist am Ende einer Umstrukturierung die Stelle, die Pflästerchen aufklebt und die Probleme behebt.
HRM stopft also die Löcher, die von der Geschäftsleitung aufgerissen werden.
Ja.
Hat das HRM zu wenig Verständnis für die Wünsche und Vorstellungen der Linie?
Das hängt von der Grösse eines Unternehmens ab, davon, wie das HRM organisiert ist und wie viel Kontakt zu den Linienfunktionen besteht. Bei grösseren Unternehmen mit zentralisiertem HRM ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass die HR-Abteilung nicht weiss, was die Linie tagtäglich tut.
Sind die Ausbildungen der HR-Leute so angelegt, dass sie strategisch mitwirken könnten?
Viele HR-Leute haben eher eine Grundausbildung im administrativen Bereich. Dazu gibt es erstaunlich viele Quereinsteiger im HRM, die weder aus der psychologischen noch aus der betriebswirtschaftlichen Personal arbeit kommen, sondern in diese Funktionen hineinwachsen. Das kann ein Vorteil sein, wenn sie zum Beispiel aus der Linie heraus kommen. Dann kennen sie Linienanliegen und können Brücken bauen. Aber dazu müssen sie sich die Kompetenzen des HRM aneignen und aus der Sicht des HRM agieren. Und das ist nicht immer der Fall.
Ist es sinnvoll, die Routinearbeit des HRM outzusourcen?
Sicher könnte man die Lohnabrechnungen outsourcen. Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass sich die Angestellten in einem Betrieb für viele praktische Probleme einen Ansprechpartner wünschen. Und vermutlich kann das HRM keine gute Beratung mehr leisten, wenn das Wissen über die Routineabläufe nicht mehr im Unternehmen ist.
Gibt es denn in den Unternehmen die Bestrebung, das HRM mehr strategisch zu integrieren? Sind dort Fortschritte zu verzeichnen?
Ja. Wenn man bedenkt, dass das HRM früher ausschliesslich für die Lohnadministration verantwortlich war. Heute ist den Unternehmen immerhin klar, dass Mitarbeitende mehr sind also nur Lohnempfänger und dass es sich lohnt, in ihre Weiterbildung und Laufbahnplanung zu investieren. In diesen Bereichen stellt das HRM die Instrumente bereit und leistet Beratung. Es gibt also Fortschritte, aber von dem hehren Ziel, wirklich strategisches HRM zu betreiben, sind wir noch ein Stück weit entfernt.
Gibt es Unternehmen, in denen das HRM strategisch voll integriert ist?
Nach meinem Verständnis ist es in keinem namhaften Unternehmen in der Schweiz wirklich strategisch integriert. Im besten Fall ist das HRM in der Geschäftsleitung vertreten und deshalb frühzeitig in Diskussionen zu strategischen Fragen und den Konsequenzen für die Menschen im Unternehmen einbezogen. Aber einen wirklich gleichberechtigten Dialog, in dem die Initiative für strategische Entscheide fallweise auch vom HRM ausgeht, gibt es nicht. Das HRM ist immer ein Stück nachgeordnet und damit letztlich doch eher Befehlsempfänger als Mitentscheider.