Was unternehmen Sie, um bei den Top-Talenten das Engagement aufrechtzuerhalten oder zu fördern?
Stoehr: Ein wichtiger Baustein ist unser jährlicher Employee Survey, der uns wichtige Hinweise darüber gibt, wie Bereiche geführt werden. Denn der Führung kommt eine immer grössere Bedeutung zu, das zeigen die letzten Jahre immer deutlicher. Deshalb messen wir diese regelmässig und reagieren natürlich auch auf die Ergebnisse. Bearbeitet man solche Umfragen nicht nach, verlieren die Leute das Interesse.
Brochier: Wichtig ist auf jeden Fall, dass die Mitarbeitenden spüren, dass wir ein bewusstes Risikomanagement betreiben und das Unternehmen gut geführt ist. Denn es macht mehr Spass, in einem erfolgreichen Unternehmen zu arbeiten. Und wir versuchen kontinuierlich, die Besten reinzuholen – da tun wir uns jetzt übrigens leichter, nachdem die Banken und die Finanzbranche mit ihren teilweise überhöhten Gehältern in einer schwierigen Situation stecken.
Werner: Das entscheidende Instrument ist Leadership – denn die Führungskraft hat eine unheimliche Hebelwirkung. Ich schätze aber, dass über den Daumen gepeilt 40 bis 50 Prozent der Führungskräfte die Anforderungen an eine Führungskraft zumindest teilweise oder gar insgesamt nicht erfüllen. Besonders wenn es darum geht, die Mitarbeitenden so zu führen, dass sie Spass an der Arbeit haben. Und ein schlechter Vorgesetzter bedeutet für das ganze Unternehmen einen Riesenschaden. Denn die meisten Mitarbeitenden verlassen das Unternehmen, weil sie mit ihrem Vorgesetzten unzufrieden sind. Ein guter Vorgesetzter kann das drehen, ein schlechter lässt die Mitarbeitenden gehen.
Hat man in den letzten Jahren, als wirtschaftlich die Sonne schien, die falschen Führungskräfte rekrutiert?
Werner: Es gibt eine einfache Antwort, die uns alle von der Verantwortung befreit: Ja, die Zeiten waren so intensiv, so viele Führungskräfte, wie wir gebraucht haben, gab es gar nicht. Man musste in so einer Situation auch Kompromisse eingehen, die man zu anderen Zeiten nicht eingegangen wäre. Aber man muss selbstkritisch sagen, dass wir in der Euphorie der guten Zahlen vielleicht nicht so genau hingeschaut haben, ob die Fähigkeiten vorhanden sind, die es braucht, um Leute zu motivieren.
Pfeiffer: Im Moment befinden sich alle in einer Vertrauenskrise: Gesellschaft, Wirtschaft und jeder Einzelne. Die Führungskompetenz besteht jetzt daher vor allem darin, Vertrauen auszustrahlen, aufzubauen und zurückzugewinnen. Das hat sehr viel mit Authentizität zu tun – und die ist altersunabhängig.
Brochier: Man muss aber auch betonen, dass Führungskompetenz nie ideal sein wird, man kann sie immer weiter verbessern. Deshalb ist es müssig zu fragen, was wir in der Vergangenheit falsch gemacht haben – wir sollten uns stattdessen überlegen, wie wir mit einem effizienten HRM die Führungskräfte in der jeweiligen Marktsituation besser unterstützen können. Besonders bei Reorganisationen, wo meist nur über Inhalte gesprochen wird, können wir auf der emotionalen und prozessbezogenen Ebene einen grossen Mehrwert liefern. Das «phasing out» ist unser Prozess und hier sollten wir Verantwortung übernehmen und unsere Manager auf die Entlassungssituationen vorbereiten, denn sie sind damit oft überfordert. Gleichzeitig müssen wir überlegen, wie wir die Schlüsselleute binden und halten. Und die Frage, wie mit Kündigungen umgegangen wird, ist dabei entscheidend. Wenn dieser Prozess unfair abläuft, demotiviert das die verbleibenden Mitarbeitenden. Und hier müssen wir etwas Negatives möglichst in etwas Positives umwandeln. Und das geht, wenn man sich gemeinsam Gedanken macht – doch leider wird das oft vergessen.
Werner: Ich möchte ergänzen, dass ich mir vom HRM wünsche, dass es auch mal die Hand hebt und sagt: «Nein, den könnt ihr nicht einstellen.» Wenn wir dort stark sind und unsere Meinung gehört wird, können wir Einfluss nehmen. Und das ist die schwierige Aufgabe eines HR-Business-Partners – das muss eine starke Persönlichkeit sein, dieser muss vom Business etwas verstehen, von Menschen und von HRM. Und er muss es dann noch schaffen, seinen Businesskollegen zu widersprechen – auch wenn er hierarchisch eine Stufe unter ihnen steht. Solche Leute findet man nicht so oft.
Brochier: Das stimmt. Wir sollten das Selbstbewusstsein haben, zu sagen: «In Bezug auf HR-Themen sind wir die Experten – vertraut uns.»