Das private Smartphone und iPad als Bürocomputer
Eine neue Entwicklung spaltet die Geschäftswelt: «Bring Your Own Device», abgekürzt BYOD, lauten die Reizworte, bei denen die einen an Chaos, die anderen an Motivation und Produktivität denken. Kühne Analysten glauben zu wissen, wer bald umdenken sollte.
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Sollen Unternehmen ihre Mitarbeiter wirklich dazu ermuntern, ihre Arbeit mit beliebigen privaten Endgeräten zu erledigen? Sollen sie den Zugang zu mühsam geschützten Firmennetzen und -ressourcen jederzeit mit Smartphone, iPad & Co. erlauben? Und das in Zeiten wachsender Cyberkriminalität?
Viele HR-Berater und IT-Experten antworten darauf mit einem klaren Ja. Manche gehen noch weiter und sind davon überzeugt, dass Unternehmen diesen Weg einfach gehen müssen – wenn sie dem drohenden Fachkräftemangel begegnen wollen. Wie valide diese Einschätzung ist, zeigt eine Umfrage des Anbieters für Security-Lösungen Fortinet. Demnach sieht die Mehrheit der 20- bis 29-Jährigen, also die vielzitierte Generation Y, es eher als ein «Recht» denn ein «Privileg», private End-geräte für die Arbeit zu nutzen.
Für und wider BYOD
Neben der höheren Attraktivität am Arbeitsmarkt werden BYOD auch ganz handfeste Vorteile zugeschrieben. So konstatiert in einer Untersuchung des Telekommunikationsanbieters BT rund die Hälfte der befragten IT-Manager eine höhere Produktivität bei den Mitarbeitern und einen besseren Kundenservice. Durch die technische Unabhängigkeit können Mitarbeiter flexibler arbeiten. Ob auf Dienstreisen oder im Home Office – Ort und Zeit spielen beim Zugriff auf geschäftsrelevante Informationen keine Rolle mehr. Gerade bei der Arbeit mit Kunden ergeben sich hieraus neue Chancen. Gleichzeitig sparen Unternehmen Kosten. Anstatt in regelmässigen Abständen in die neuste Generation mobiler Endgeräte zu investieren, lagern sie einen Teil der technischen Arbeitsplatzausstattung einfach an ihre Mitarbeiter aus.
Dem gegenüber steht die Befürchtung, dass vertrauliche Daten in den freien Umlauf gelangen und so strategische Wettbewerbsvorteile verspielt werden. Vor allem die Sicherung sensibler Informationen auf privaten Endgeräten bereitet vielen IT- Managern Kopfzerbrechen. Als weniger geschäftskritisch, aber immer noch schädigend wird das Verschwimmen von privatem und geschäftlichem Kommunikationsverhalten der Mitarbeiter angesehen. So können sich Kunden wie auch Kollegen mit einer flapsig formulierten Mail schnell vor den Kopf gestossen fühlen.
Revolution in mehreren Schritten
Doch während sich insbesondere europäische Arbeitgeber vor der Revolution noch fürchten, hat sie in den USA längst begonnen: Einer Studie des IT-Unternehmens Cisco zufolge arbeiten dort fast alle Unternehmen mit dem BYOD-Modell, und drei von vier der befragten IT-Manager bewerten den Trend als solchen als relativ oder äusserst positiv. Dabei starten auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten viele Firmen zunächst vorsichtig in die BYOD-Welt, wie die Praxis zeigt.
In einer ersten Stufe dürfen Mitarbeiter E-Mails und Termine im Firmennetz synchronisieren – mit relativ einfacher Absicherung durch beispielsweise PIN- Abfrage und Verschlüsselung.
In einer weiteren Stufe wird ein Managementsystem für mobile Geräte installiert, wodurch eine grössere Zahl von unterschiedlichen Applikationen zugelassen werden kann.
Durch mobile VPNs (Virtual Private Networks) können noch weitergehende Zugriffsmöglichkeiten zu Intranet und Firmenressourcen geschaffen werden.
Höchste Ansprüche, zum Beispiel bei hochsensiblen Daten oder Anwendungen, lassen sich in einer weiteren Stufe durch Lösungen auf der Basis einer Virtual-Desktop-Infrastruktur (VDI) erfüllen. Die Virtual-Desktop-Infrastruktur ist wie BYOD ein noch sehr junges Konzept, bei welchem alle Anwendungen auf einem zentralen Rechnersystem laufen, während der Zugriff über beliebige Endgeräte erfolgt. Dabei unterscheidet die Zugangskontrolle genau, von welchem Gerät oder von welchem Standort aus sich jemand im Netzwerk anmeldet.
Die Grenzen der Erreichbarkeit
Der Arbeitsplatz von morgen wird damit auf jeden Fall viel stärker auf die Art der Arbeit zugeschnitten sein, die jemand ausübt. Spätestens an diesem Punkt wird BYOD auch ein strategisches Betätigungsfeld für die Personalabteilung. Für sie stellt sich beispielsweise die Frage, was eigentlich noch Arbeitszeit ist und wie mit «Online»-Zeiten ausserhalb des Büros umgegangen wird.
Die ständige Erreichbarkeit weckt bei Führungskräften schnell die Erwartung, dass Mitarbeiter auch am Abend oder Wochenende vermeintlich «kleinere» Aufgaben erfüllen sollten. In Anbetracht der ständig steigenden Burn-out-Quote kann sich der angestrebte Vorteil von BYOD so jedoch schnell in ein Mehr an Fehltagen verwandeln.
Aus organisatorischer Sicht ist deshalb eine gelebte Vertrauenskultur gepaart mit festen Regeln unerlässlich. Arbeitszeit mit Anwesenheit gleichzusetzen und starr per Stechkarte zu protokollieren, untergräbt den Ansatz der Flexibilität. Gleichzeitig müssen die Grenzen der Erreichbarkeit fest im Unternehmen verankert sein. Eine Vorreiterrolle nimmt hierbei die Deutsche Telekom ein. In einer Richtlinie hat sie bereits 2010 festgelegt, wann ihre Mitarbeiter via mobile Endgeräte erreichbar sein dürfen und wann nicht. Von Führungskräften wird dabei eine Vorbildfunktion erwartet.
HR und IT im Schulterschluss
Bei der BYOD-Einführung ist eine enge Zusammenarbeit zwischen HR und IT gefragt, sind doch zahlreiche HR-Themen tangiert: Wer darf BYOD in Anspruch nehmen, und durch wen wird eine Freigabe erteilt? Bis zu welcher Grenze unterstützen Unternehmen den Kauf privater Endgeräte, und wie spiegelt sich dies in der Gehaltsabrechnung wider? Auf Basis dieser und weiterer Fragen entsteht eine eigene BYOD-Prozessbeschreibung mit klar geregelten Verantwortlichkeiten. Diese gilt es anschliessend sowohl in die Systemlandschaft als auch die Linienorganisation zu überführen. Sollten dabei Anzeichen von Widerständen erkennbar werden, empfiehlt es sich, frühzeitig den Einsatz von Change Management zu planen.
Für Unternehmen stellt BYOD eine wichtige und vielversprechende Option dar – mit positiven Perspektiven: Die Sicherheitsrisiken, die IT-Verantwortliche hierzulande noch im Vordergrund sehen, sind beherrschbar – mit überschaubarem Aufwand. Die Chancen liegen nicht nur in der Mitarbeitermotivation und einem effizienteren Arbeiten, sondern auch im insgesamt bewussteren, verbesserten Umgang mit Unternehmensdaten. Wer gute Voraussetzungen für BYOD schafft, schafft sich auch eine starke Basis für die Zukunft.
HR-Checkliste für den Einsatz von BYOD
- Definieren Sie die erwarteten Vorteile von BYOD
- Analysieren Sie Ihre eigene Unternehmenskultur auf mögliche Hürden
- Binden Sie die Arbeitnehmervertreter frühzeitig in das Projekt ein
- Verankern Sie zeitliche Grenzen für die mobile Erreichbarkeit im Unternehmen
- Erarbeiten Sie einen Verhaltens- kodex für den Einsatz privater Endgeräte
- Klären Sie die Kostenübernahme und steuerliche Behandlung
- Identifizieren Sie mögliche Widerstände und Verhinderer
- Begleiten Sie die BYOD-Einführung mit Change-Massnahmen zur Schaffung von Akzeptanz bei älteren Mitarbeitenden