Das Interesse, das die öffentlichen Behörden für das «aktive Altern» hegen, scheinen Verantwortliche des Personalmanagements kaum zu teilen. Noch bis vor kurzem beschränkte sich das «Altersmanagement» auf flankierende Massnahmen für den vorzeitigen Ausstieg aus dem Berufsleben. Die meisten der von grossen Unternehmen eingeführten Massnahmen zielten faktisch darauf, den Übergang zur Rente zu gestalten und die Arbeitszeit in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens progressiv zu reduzieren. Überdies richteten sich diese Massnahmen vorrangig an höher Qualifizierte in Leitungsfunktionen mit der Aussicht auf eine relativ üppige Rente. Mindestens bis 2008 erhöhte eine hohe Qualifizierung die Wahrscheinlichkeit einer Frühpensionierung (BFS, 2012). Paradoxerweise konnten Unternehmen ihr Führungspersonal lange dadurch an sich binden, dass sie ihnen die Frühpensionierung versprachen …
Vor allem Frauen sind betroffen
Der zunehmende Wechsel von einem Beruf, Unternehmen oder Beschäftigungsstatus zum nächsten, verbunden mit den finanziellen Nachteilen eines verfrühten Ausscheidens aus dem Arbeitsmarkt, bewirkt, dass sich das Erwerbsleben effektiv verlängert. Selbst ältere Arbeitnehmende, die unter arbeitsbedingten Verschleisserscheinungen leiden, können nicht mehr freiwillig ausscheiden. In manchen Fällen müssen sie die Schädigung ihrer Gesundheit in Kauf nehmen, um weiter arbeiten zu können. Zudem treiben die Berechnungsmodalitäten der Renten die älteren Arbeitnehmenden dazu, ihre Arbeitszeiten eher auszuweiten als zu verringern, was insbesondere für Frauen gilt, die zuvor in Teilzeit beschäftigt waren.
Trotzdem handeln die meisten grösseren Unternehmen in Sachen «aktives Altern» äusserst ambivalent, was sich – abgesehen von Vorruhestandsmassnahmen – anhand relativ zaghafter Investitionen in das «betriebliche Altersmanagement» äussert. Feldstudien haben gezeigt, dass Alter weiterhin mit Verschleiss, Veralterung oder Kompetenzverlust assoziiert wird und nicht mit wertvollen Erfahrungen, die an Jüngere weitergegeben werden können. Aus diesem Grund werden über 50-Jährige von Schweizer Unternehmen nie bevorzugt rekrutiert oder ihr Verbleib in der Firma gefördert.
In der Schweiz steigen vermehrt Frauen in der zweiten Karrierehälfte wieder ins Berufsleben ein. Da ihre erste Hälfte des Erwerbslebens häufiger durch Unterbrechungen oder Teilzeitarbeit gekennzeichnet ist, sind sie hinsichtlich der zweiten und dritten Säule besonders benachteiligt (siehe Grafik 3). Ab einem Alter von 50 Jahren geraten sie unter starken Druck, weiter oder sogar mehr zu arbeiten, obwohl potenziell neue familiäre Belastungen auf sie zukommen (Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger, «aushilfsweise» oder regelmässige Betreuung von Enkelkindern etc.) und die Hausarbeit meist weiter ungleich verteilt ist. Dieser Druck ist besonders ausgeprägt bei Frauen, deren Ehe in die Brüche gegangen ist, nachdem sie sich jahrelang vorwiegend um die Familie gekümmert haben.
Trotz der zunehmenden Präsenz älterer Arbeitnehmerinnen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt werden diese von der Gleichstellungspolitik vieler schweizerischer Unternehmen nicht berücksichtigt. Diese neigen dazu, Massnahmen zugunsten der Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben auf die Geburts- und Kleinkindphase zuzuschneiden und die berufliche Förderung von Frauen mit Studienabschluss auf unter 40-Jährige zu beschränken. Die zweite Hälfte des Erwerbslebens bleibt dabei vollkommen aussen vor, und geringqualifizierte Frauen werden nur selten berücksichtigt.
Lösungsvorschläge von Egalise
Folgende zwei Lösungsansätze stehen im Mittelpunkt von Egalise: Einerseits wird das Konzept der linearen und dreiphasigen Laufbahnentwicklung (Ausbildung – Arbeit – Rente) in Frage gestellt, das auf einem Modell beruht, das heute der Situation der meisten Männer nicht mehr entspricht und derjenigen der meisten Frauen noch nie entsprochen hat.
Andererseits wird gefordert, den Bereich der Weiterbildung tiefgreifend zu erneuern. Die Weiterbildung ist ein Instrument, das sich im Altersmanagement hervorragend nutzen liesse, sofern es die erworbenen Kompetenzen der älteren Arbeitnehmenden berücksichtigt und sinnvoll ergänzt. Dazu zählt auch die altersgerechte Anpassung der Arbeitsumgebung. Nur unter diesen Voraussetzungen und mittels besserer Verzahnung von Altersmanagementansätzen und Massnahmen zur Gleichstellungsförderung können die Unternehmen sicherstellen, dass ihre Reaktionen auf die politischen Vorgaben im Bereich des «aktiven Alterns» nicht die Geschlechterungleichheit verschärfen.
Autoren: Nicky Le Feuvre, Morgane Kuehni, Magdalena Rosende, Céline Schoeni
- 1 Dieser Begriff bezeichnet je nach Quelle Personen, die älter als 50 oder 55 sind.
- 2 http://europa.eu/ey2012/ey2012.jsp?langId=de