Was verstehen Sie unter dem Web 3.0?
Das Web 1.0 beschreibt das ganz alte Internet, als die Kommunikation noch einseitig und top-down funktionierte. Der Kunde hörte zu. Das Web 2.0 umfasst das Social Web und die Social Media. Alle können mitreden und mitmachen. Gemäss Wikipedia ist das Web 3.0 das semantische Web – für mich ist es das mobile Internet. Über die Smartphones und Tablets entsteht eine neue Qualität der Kommunikation, echte und sofortige Live-Kommunikation ist möglich. Es herrscht die totale Transparenz; Mauscheln im Hinterzimmer wird gar nicht mehr möglich sein, denn früher oder später wird fast alles herauskommen.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Unternehmen haben nur eine Chance: Sie müssen exzellent sein. Dann wird auch nur Positives über sie berichtet werden. Damit die Produkte gut sind, müssen die Mitarbeiter begeistert sein, und es muss eine lachende Unternehmenskultur herrschen.
Wodurch zeichnet sich diese aus?
Es gibt die vergiftete und die lachende Unternehmenskultur. In einer vergifteten Organisation ist der Chef der Ansager und Aufpasser, der seinen Mitarbeitern sagt, was sie zu tun haben. Alles in allem erzeugt er ein Klima der Angst und Kontrolle, Vertrauensschwäche, Gleichgültigkeit, Missgunst und Neid.
Und in einer lachenden Organisation?
Hier sorgt der Chef für eine positive Grundhaltung, Vertrauen und Heiterkeit, um Engagement und Kreativität zu ermöglichen. Denn Kreativität ist die Schlüsselressource der Zukunft. Die Führungskraft nimmt in der heutigen Zeit übrigens auch eine neue Rolle ein: Sie ist Katalysator und Inspirationsfigur, sie fördert die Selbstorganisation ihrer Mitarbeiter, entflammt sie und zieht sich dann zurück. Durch diese Art des Führens ist viel mehr möglich, als wenn der Chef seinen Leuten vorgibt, was sie zu tun haben.
Warum ist das so?
Unser Hirn belohnt uns für Leistung mit dem Glückshormon Dopamin, das macht süchtig. Es liegt also im Naturell des Menschen, leisten zu wollen, die Motivation dazu ist intrinsisch. Vom Katalysator kommt die extrinsische Motivation dazu, so dass sich der Effekt verdoppelt.
In Ihrem Buch «Touchpoints»* betonen Sie immer wieder die Wichtigkeit von Netzwerken. Was leisten Netzwerke?
Die ganze Welt ist vernetzt. Unternehmen können nur überleben, indem sie mitmachen. Vor allem müssen sie wissen, was über sie geredet wird. Bei negativen Meldungen müssen sie sofort, noch am gleichen Tag, reagieren. Denn ein so genannter Shitstorm kann innerhalb von Stunden entstehen. Wird ein Unternehmen positiv wahrgenommen – gerade auch von Mitarbeitern –, passiert das so gut wie nie.
Sie sagen, dass HR und Marketing & Sales viel voneinander lernen können. Was genau?
Alle Mitarbeitenden haben direkten oder indirekten Kundenkontakt. Ihr ganzes Denken und Handeln muss letztlich auf das Wohlergehen der Kunden fokussiert sein. Mitarbeiter müssen deshalb als interne Kunden betrachtet werden. Insofern müssen sich HR, Service, Sales und Marketing intern viel stärker miteinander vernetzen. Und so wie das HR idealerweise aus den Mitarbeitern Beteiligte statt Betroffene macht, so muss nun auch das Marketing aus Kunden Beteiligte machen, also sie zum Mitmachen motivieren. In diesem Bereich kann das Marketing von HR- Erfahrungen profitieren.
Anne M. Schüller
ist Expertin für Loyalitätsmarketing und kundenfokussiertes Management. Sie gilt als Spitzentrainerin und zählt zu den besten Speakern im deutschsprachigen Raum. Sie ist zehnfache Buchautorin sowie Hochschuldozentin und Lehrbeauftragte.
- * Anne M. Schüller: Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. GABAL Verlag GmbH 2012.