Compensation & Benefits

Der Dialog über den Lohnunterschied soll kein Tabuthema mehr bleiben

Seit 15 Jahren gibt es das Bundesgesetz zur Gleichstellung von Frau und Mann. Doch noch immer verdienen Frauen 
weniger. Damit dies nicht länger so bleibt, lancierten das Bundesamt für Justiz und Sozialpartner den Lohngleichheits-
Dialog. Noch können Unternehmen freiwillig die Löhne anpassen. Machen aber zu wenige mit, könnte dies bald ändern.

Fakt ist: Frauen verdienen noch immer etwa 19 Prozent weniger als Männer. Ein grosser Teil davon ist erklärbar durch das Humankapital, bessere Ausbildung, höheres Alter und Anzahl Dienstjahre. Doch es bleibt ein diskriminierender Anteil von etwa 7 bis 8 Prozent. Zwar gibt es seit 1995 in der Schweiz ein Gleichstellungsgesetz. Doch der Grundsatz gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit wird von den Unternehmen noch immer nicht ausreichend erfüllt, wie eine Evaluation des Gesetzes durch das Bundesamt für Justiz (BJ) 2006 ergab.

Das Projekt stösst bei den 
Unternehmen auf wenig Resonanz

Aus dieser Ausgangslage heraus lancierten die Sozialpartner und das BJ im März vergangenen Jahres das Projekt Lohngleichheitsdialog. Ziel ist es, jenen nicht erklärbaren Teil der Lohndifferenz zu beseitigen. Dabei gilt eine Toleranzgrenze von maximal 5 Prozent Lohnungleichheit – eine Zahl, die auch für das Beschaffungswesen des Bundes gilt. Diese Restgrösse ergibt sich durch mögliche statistische Fehler, die bei der Lohnanalyse auftauchen können. Stichproben, wie im Beschaffungswesen, gibt es allerdings nicht. «Wir müssen den Unternehmen auch ein Stück weit vertrauen können», so Martin Urech, 
Projektleiter des Lohngleichheitsdialoges.

Das Projekt setzt vollständig auf Freiwilligkeit bei den Unternehmen. So soll erreicht werden, dass behördliche Massnahmen unnötig bleiben. Im März nächsten Jahres wird überprüft, wie das Projekt bis dahin gelaufen ist. Rund 20 Unternehmen sollen sich bis dahin angemeldet haben: «Wenn zu wenige Unternehmen sich beteiligen, riskiert das Projekt, ein vorzeitiges Ende zu nehmen», sagt Aloys Fischer, der die Arbeitgeberseite im Lohngleichheitsdialog vertritt. «Wenn das passiert, sind andere politische Massnahmen wahrscheinlich, womit dann freiwillige Lösungen nicht mehr möglich sind», so Fischer.

Logib

ist eine Software, mit der Unternehmen selbst überprüfen können, ob die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau eingehalten wird. Das Instrument ist für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden geeignet und einfach anwendbar. Es basiert auf der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik, welche von 45 000 Unternehmen alle zwei Jahre durchgeführt werden muss. Auch im Beschaffungswesen des Bundes werden Kontrollen vom EBG bei Auftragnehmern durchgeführt. Stellt ein Unternehmen nicht erklärbare Lohnunterschiede fest, helfen vertiefte Analysen, die Schwachstellen im Lohnsystem zu erkennen. Das EBG vermittelt dazu entsprechende Fachpersonen. Logib gibt es gratis zum Download unter: www.ebg.admin.ch/dienstleistungen/00017/index.html?lang=de.

Seit März 2010 ist das Projekt nun so weit fortgeschritten, dass die Unternehmen teilnehmen können. Alle nötigen Unterlagen stehen im Internet zur Verfügung. Die Resonanz scheint jedoch bislang eher verhalten: Bis zum Redaktionsschluss hatten lediglich zwei Unternehmen den Dialog intern abgeschlossen: Novartis und die Schweizerische Post. Deren Resultate werden demnächst vom Projektteam geprüft. Ein weiteres Unternehmen, die Tornos SA, hat sich angemeldet und befindet sich noch in der Auswertung. Bei der Schweizerischen Post ist das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Mitarbeitern 
nahezu ausgeglichen. Die Lohngleichheit bezeichnet Walter Kunz von der Personalhonorierung des Unternehmens als «Grundwert unserer Personalpolitik». «Gerade als bundesnaher Betrieb fühlen wir uns dazu verpflichtet, hier eine Vorbildfunktion einzunehmen», so Kunz. Null Prozent Lohnungleichheit hält er jedoch nur für einen theoretischen Wert, «den kaum ein Grossunternehmen erreichen dürfte».

Faire Löhne besitzen Signalwirkung – gerade im Kampf um junge Talente

«Der Ball, etwas zu tun, ist definitiv bei den Unternehmen», findet Urech. «Die Unternehmen sind nach wie vor sehr zurückhaltend. Über den Lohn zu sprechen, ist noch immer ein Tabuthema.» Allerdings ist Besserung in Sicht: Seit das Projekt startklar ist, gibt es vermehrt Anfragen von Unternehmen, die am Dialog teilnehmen wollen. Für Unternehmen, die ihre Löhne bereits überprüft haben, steht ein vereinfachtes Prozedere zur Verfügung.

Für Aloys Fischer liegen die Vorteile einer Teilnahme klar auf der Hand: «Gründe, die Lohndifferenzen auszugleichen, gibt es viele. Mitarbeiter, die sich sicher sein können, fair bezahlt zu werden, sind zufriedener und identifizieren sich eher mit ihrem Arbeitgeber. Auch die Signalwirkung nach aussen ist nicht zu unterschätzen – ein wichtiger Aspekt im War for Talents.» Wichtig, so Fischer, sei jedoch, dass es Lohngleichheit immer nur innerhalb eines Unternehmens geben kann – die Gleichheit gilt nicht über die Wirtschaft insgesamt.

Der Evaluationsprozess wird von den Unternehmen selbst gesteuert. Nach der Anmeldung beim Dialog erarbeiten sie gemeinsam mit der von ihnen gewählten Arbeitnehmervertretung eine Einzelvereinbarung. Anschliessend bilden die Unternehmen eine 
interne Begleitgruppe. Diese besteht zu 
gleichen Teilen aus einer Vertretung der Geschäftsleitung und einer Vertretung der Arbeitnehmer des Unternehmens. Die Aufgabe der Gruppe ist es, den Prozess zu überwachen und ebenso die Einzelheiten der Analyse festzulegen. Zum Beispiel, ob Löhne einzelner Mitarbeitender mit Spezialfunktionen im Betrieb ausgeklammert werden sollen. Auf die Analyse der Lohnstruktur folgen dann im 
Falle von Diskriminierungen entsprechende Massnahmen, die das Lohnniveau ausgleichen sollen.

Für weitere Informationen: www.lohngleichheitsdialog.ch

Buchtipp

Das Lohnbuch (2010), Orell Füessli Verlag 
Zürich, 600 Seiten. 
Unter www.ai.zh.ch kann das Buch für 
CHF 65.– erworben 
werden.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Weitere Artikel von Stefanie Zeng