Der Handel mit den Lebensläufen
Nicht hinter allen ausgeschriebenen Jobinseraten steckt eine wahrhaftige Stelle. So locken manche Personaldienstleister Kandidaten mit einer Ausschreibung, um an deren Bewerberdossiers zu gelangen. Doch wie häufig ist dieses Gebaren und welche Folgen hat es?
«Es gibt fast keine Verurteilungen, weil unlauterer Wettbewerb aufwendig zu beweisen ist», sagt Corinne Platzer, Abteilungsleiterin beim Amt für Wirtschaft und Arbeit ZH. (Bild: iStock)
«Wer Bewerberunterlagen für seine Kartei sucht, muss dies im Inserat kenntlich machen», erläutert Boris Eicher, Leiter des Rechtsdienstes bei swissstaffing. Insbesondere müsse aus der Ausschreibung gemäss Weisungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) zum Arbeitsvermittlungsgesetz (AVG) ersichtlich sein, ob es sich um die Besetzung einer Stelle bei einem Arbeitgeber (Vermittlung) handle oder ob jemand beim Ausschreibenden angestellt und damit seine Arbeitskraft einer Drittpartei zur Verfügung gestellt werde (Verleih). «Fiktive Angebote sind nicht zulässig.»
Falsche Jobversprechungen
Nicht immer geht es bei der Stellenausschreibung mit rechten Dingen zu. Insbesondere dann, wenn Bewerber in die Irre geführt werden. Das weiss auch Corinne Platzer. Sie ist Abteilungsleiterin beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und zuständig für private Arbeitsvermittlungen: «Ein Stelleninserat kann je nach Formulierung den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs (UWG) erfüllen.» Doch nicht alles, was Recht sei, werde tatsächlich umgesetzt. «Viele Staatsanwälte scheuen sich vor einem Prozess. Es gibt beinahe keine Verurteilungen, weil es für den Ankläger zu aufwendig ist, den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs nachzuweisen.» Bei anstössigen Stelleninseraten könne man über einen Anwalt eine Abmahnung schreiben und eine Strafanzeige in Aussicht stellen. Um eine Personalvermittler-Lizenz zu verlieren, seien jedoch schwerwiegendere Vergehen nötig. Dazu zählen das Erschleichen einer Vermittler-Bewilligung durch unwahre Angaben, wenn der Personalvermittler mehrfach gegen Mindestlohn- und damit gegen Gesamtarbeitsvertrags-Bestimmungen verstösst oder wenn keine Kaution mehr vorliegt.
Personalvermittler, die nichtexistierende Stellen ausschreiben, droht auch Ungemach in Sachen Datenschutz. So dürfen Daten von Stellensuchenden gemäss Seco nur dazu verwendet werden, um Bewerbende im Zusammenhang mit einem konkreten Stellenangebot zu kontaktieren. Die missbräuchliche Nutzung personenbezogener Daten von Stellensuchenden werde vom Amt strafrechtlich verfolgt. Ähnlich beurteilt die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) solche Fälle: «Das Problem liegt in der Erhebung und die Verarbeitung von Personendaten», erklärt DSGVO-Expertin Sabrina Keese-Haufs. «Wenn es keine Stelle gibt, fehlt die Rechtsgrundlage, um die stellenverbundenen Personendaten zu erheben.»
Ob vorhandene Stelle oder nicht: «Es muss Bewerbern frei stehen, sich bei einem Personaldienstleister anzumelden», sagt Boris Eicher. «Üblicherweise registrieren sich Kandidaten bei mehreren Arbeitsvermittlern, auch ohne sofort eine konkrete Stelle in Aussicht zu haben.»
Zweifelhafte Jobversprechungen
Erst kürzlich hat sich Thomas Paszti, Herausgeber der Medienwoche und Betreiber der Jobportale ictjobs.ch und medienjobs.ch mit zweifelhaften Jobversprechungen auseinandergesetzt. «Ein Personalvermittler mit angekratztem Branchenruf hat über ein Multipostingsystem versucht, mehrere Scheinvakanzen bei uns zu inserieren.» Paszti machte sich schlau und überprüfte dessen ausgeschriebene Stellen. «Der Personalvermittler hatte auf anderen Plattformen 1004 Stellenangebote ausgeschrieben, obwohl er nur in einzelnen Branchen aktiv ist. Das liess Zweifel an seiner Seriosität aufkommen.» Deshalb habe Paszti die Publikation verweigert. Statistiken über solche Vorfälle erhebt Paszti nicht, schaut aber bei Verdachtsfällen «genau hin».
Auch bei Jobcloud werden solche Vorfälle nicht systematisch erfasst. Allerdings ist ein solches Gebaren auch für CEO David Villa problematisch. Deshalb sei in den allgemeinen Geschäftsbedingungen festgehalten, dass sich jedes Stellenangebot auf eine tatsächlich zu besetzende Stelle zu beziehen habe. Mit Akzeptieren der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichtet sich ein Inserent, ein weiteres Inserat nur dann aufzuschalten, wenn sich eine neue Jobvakanz auftut.
Um die Qualität der Inserate zu sichern, müssen sich Erstinserenten validieren lassen. Ausserdem werden alle eingehenden Inserate vor der Veröffentlichung von zwölf teilzeitbeschäftigten Mitarbeitenden mit insgesamt 330 Stellenprozenten überprüft. Etwa daraufhin, ob dieses den Vorgaben gemäss AGB entspricht, der Stellentitel passt, die Angaben zum Stellenprofil oder den Anforderungen vorhanden sind und es in der richtigen Kategorie publiziert wurde. Pro Woche durchlaufen Tausende von Inseraten diesen Prozess. Unzulässig seien insbesondere unsittliche oder anstössige Stellenangebote, mehrere in einer Publikation zusammengefasste Stellen oder Profile, solche mit falschen oder irreführenden Stellentiteln oder ungenügenden Kontaktangaben, für Multilevel-Marketing, Heimarbeit, Schenkkreise, Escort-Services, Mystery-Shopping oder Fort- und Weiterbildungsangebote. «Mit all diesen Massnahmen minimieren wir das Risiko, dass dubiose Stellen auf unseren Portalen landen», sagt Villa. Hilfe erhalte Jobcloud aber auch von den Nutzern: «Sie machen uns auf merkwürdige Fälle aufmerksam.»