Gemäss einer repräsentativen Studie des SECO leidet rund ein Fünftel aller Erwerbstätigen an muskuloskelettalen Beschwerden. Ein Grossteil davon betrifft die «Volkskrankheit» Rückenschmerzen. Die dadurch verursachten Ausfalltage belasten Betriebe und Volkswirtschaft jährlich mit geschätzten 3,3 Milliarden Franken. Eine Situation, die weder für Versicherungen noch für Arbeitgeber und Mitarbeitende zumutbar ist.
Die Untersuchung zeigt, dass nebst offensichtlichen Faktoren wie häufiges Heben und Tragen von Lasten, schmerzhaften und ermüdenden Körperhaltungen oder Vibrationen auch die Arbeitsbedingungen eine grosse Rolle spielen. So können Unzufriedenheit mit der Arbeit, Termindruck, Arbeitstempo, Wertschätzung, Unter- oder Überforderung sowie fehlende Work-Life-Balance muskuloskelettale Beschwerden begünstigen. Wie stark die kausale Verknüpfung von physischen und psychischen Faktoren tatsächlich ist, bleibt Gegenstand weiterer Untersuchungen. Sicher ist, dass mit der Zunahme gleichzeitig einwirkender Faktoren die Wahrscheinlichkeit muskuloskelettaler Beschwerden steigt. Das trifft nicht nur auf körperliche Arbeiten, sondern genauso auf Tätigkeiten im Dienstleistungssektor zu.
Was lässt sich tun? Ist ein richtig eingestellter Bürostuhl Garant für effizientes und beschwerdefreies Arbeiten? Reicht es, wenn wir uns ergonomisch richtig hinsetzen und beim Heben und Tragen auf einen geraden Rücken achten? Sicher nicht! Aber wenn Unternehmen Interesse daran zeigen, Büros ergonomisch einzurichten, und dazu Schulungen für beschwerdefreies Arbeiten anbieten, empfinden Mitarbeitende dies als Wertschätzung. Das leistet einen Beitrag für ein gesundes Betriebsklima.
Es braucht mehrere Hebel für eine optimale Leistung: eine geeignete Einrichtung wie auch das Wissen, wie man damit richtig umgeht und die Arbeit am besten organisiert. Nicht zuletzt braucht es auch Führungskräfte, die Wert darauf legen, dass ihre Mitarbeitenden gesund und motiviert bleiben.
Möbel gut, Wissen ungenügend
Ergonomische Möbel werden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hergestellt. Sie ermöglichen die Anpassung an die individuellen Körpermasse. Viele Betriebe sind sehr gut eingerichtet, doch häufig sind die Möbel nicht andie unterschiedlichen Bedürfnisse der Mitarbeitenden angepasst. Oder viele wissen schlichtweg nicht, wie sie ihren Bürostuhl oder Tisch einstellen und den Bildschirm oder die
Tastatur platzieren sollen (siehe Kasten).
Wichtig sind nicht nur die Möbel, sondern die gesamte Planung der Arbeitsplätze, des Bewegungsraums und der Platzierung von Beleuchtungskörpern, Korpussen und Geräten. Oft erreichen die Durchgänge nicht die erforderlichen Mindestmasse. Der Abstand am Arbeitsplatz sollte von der Tischkante bis zum nächsten Gegenstand mindestens 100 Zentimeter betragen; Durchgänge 80 Zentimeter und «Hauptverkehrswege» mindestens 120 Zentimeter. Geräte wie Drucker und Kopierer sollten wenn möglich nicht in unmittelbarer Nähe der Arbeitsplätze aufgestellt werden. Dadurch lassen sich Immissionen und Störfaktoren vermindern.
Wer sich bewegt, lebt
Die beste Büroeinrichtung nützt nichts, wenn die Arbeitssituation und das persönliche Verhalten ein konzentriertes Arbeiten verunmöglichen. Dazu gehören insbesondere stressfördernde Faktoren wie dauerhaft hohes Arbeitstempo, häufige Unterbrechungen und Ablenkungen, Störfaktoren wie Geräusche, laute Musik oder Gespräche, mangelnde Arbeitsorganisation und ungleiche Verteilung der Arbeitslast. Diese in erster Linie psychischen Belastungen wirken sich, wie die eingangs erwähnte Studie gezeigt hat, auch auf das physische Wohlbefinden aus. Kopfschmerzen, Verkrampfungen und Beschwerden im Rücken, Nacken oder an den Schultern werden nicht selten dadurch mitverursacht. Arbeitsorganisatorische Rahmenbedingungen helfen daher entscheidend mit, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern.
Hinzu kommt der mittlerweile fast chronisch gewordene Bewegungsmangel in unserer heutigen Gesellschaft. Persönliches Gesundheitsverhalten erhöht die Widerstandskraft. Wer sich bewegt, lebt. Das fängt beim Sitzen an. Eine bewegliche
Rückenlehne ermöglicht ein dynamisches Sitzen. Abwechseln zwischen Tätigkeiten, die sitzend oder stehend (zum Beispiel telefonieren) ausgeübt werden können, sorgt für zusätzliche Bewegung. Manche Unternehmen ermuntern ihre Mitarbeitenden mittels Gesundheitsmanagement zu gesundem Verhalten. Sie bieten ihnen Gelegenheiten zur Ausübung von Sport und fördern gezielt Massnahmen zur Einhaltung der Work-Life-Balance.
Externe Hilfe beanspruchen
Manchmal hilft der Beizug eines externen Spezialisten, der Einrichtungen, Verhaltensweisen und Organisationsformen unter die Lupe nimmt und sanfte Anstösse gibt. Interne Fachkräfte haben es oft – wie Propheten im eigenen Land – schwer. Fachkundige externe Hilfe sollte nicht erst bei Problemfällen beigezogen werden. Gerade in Dienstleistungsbetrieben lässt sich vieles mit wenig Aufwand verändern. Das Resultat ist ein echter Mehrwert für Unternehmen und Mitarbeitende.