Der Mensch als Ursache für suboptimale Ergebnisse: Kann das HRM gegensteuern?
Führen bestimmte menschliche Verhaltensweisen zu betriebswirtschaftlich schlechten Entscheidungen? Sind Fehlerquellen, die in der Natur des Menschen liegen, ursächlich für die Finanzkrise? Fünf Studierendengruppen der Universität Zürich gingen diesen und anderen Fragen auf den Grund. Ihre Ergebnisse präsentieren wir in einer neuen Serie.
Führen bestimmte menschliche Verhaltensweisen zu betriebswirtschaftlich schlechten Entscheidungen? Sind Fehlerquellen, die in der Natur des Menschen liegen, ursächlich für die Finanzkrise? Fünf Studierendengruppen der Universität Zürich gingen diesen und anderen Fragen auf den Grund. Ihre Ergebnisse präsentieren wir in einer neuen Serie.
Die aktuell das Wirtschaftsgeschehen dominierende Finanz- und Immobilienkrise ist ein anschauliches Beispiel für eine von Menschen geschaffene Krise. Damit sich diese in Zukunft nicht wiederholt, beschäftigt sich eine Reihe von Experten mit den möglichen Ursachen. Zwar wäre es vermessen zu behaupten, sämtliche Ursachen identifizieren zu können. Auch verhindert die Komplexität des Finanzmarktes eine monokausale Erklärung für das Desaster. Es kristallisiert sich jedoch immer stärker heraus, dass vor allem das Verhalten der an den Finanz- und Immobiliengeschäften beteiligten Personen und nicht etwa schlechte Umweltbedingungen für die Krise ausschlaggebend waren. Unabhängig von teilweise vorhandenen kriminellen Absichten beteiligter Personen gibt es eine Reihe von Fehlerquellen, die der Natur des Menschen immanent sind.
Soll das Human Ressource Management seiner Aufgabe nachkommen und dazu beitragen, dass sich die Mitarbeitenden so verhalten, dass die Unternehmensziele erreicht werden, ist es entscheidend, menschliche Fehlerquellen zu (er-)kennen und ihnen – wenn möglich – entgegenzuwirken.
Soziale Präferenzen – unsichtbare Hand bei der Personalselektion?
Mit diesen möglichen Fehlerquellen oder Ursachen für suboptimale Ergebnisse in Unternehmen beschäftigten sich im Herbstsemester 2008 fünf Studierendengruppen der Universität Zürich. Ansatzpunkt war, bestimmte menschliche Verhaltensweisen, Eigenschaften und/oder neurophysiologische Gegebenheiten als Quelle für betriebswirtschaftlich schlechte Entscheidungen zu untersuchen und Handlungsstrategien für das HRM zu entwickeln, um suboptimalen Ergebnissen entgegenzusteuern. Dabei führten alle Studierendengruppen zur Beantwortung ihrer jeweiligen Forschungsfrage empirische Analysen mit HRM-Praxisexperten durch.
Eine Studierendengruppe fragte: Finden sich Egoisten eher in Unternehmen mit kompetitiver Unternehmenskultur, wie Unternehmensberatungen, wieder? Arbeiten Altruisten eher in kooperativen Unternehmenskulturen, wie karitativen Organisationen? Bestimmen soziale Präferenzen also, wo Menschen arbeiten? Sollte dies der Fall sein, so könnten egoistische Präferenzen, beispielsweise von Investmentbankern, für die Krise mitverantwortlich sein. Egoistische Nutzenmaximierer verhalten sich opportunistisch und das auch zum Schaden anderer.
Entscheidungsanomalien – Chancen und Risiken
Zwei Studierendengruppen legten den Fokus ihrer Forschungsprojekte auf Entscheidungsanomalien. Eine Gruppe untersuchte, wo im HRM – sowohl auf Seiten des HRM als auch auf Seiten der Mitarbeitenden – die Entscheidungsanomalie Status-quo-Bias, die das Festhalten an Bekanntem oder am Status quo bezeichnet, eine Rolle spielen könnte. Auch interessierte, wie man diese Entscheidungsanomalie im Sinne des Unternehmens nutzen könnte und wie das HRM negativen Folgen entgegenwirken kann. Übertragen auf das Finanzkrisenszenario könnte diese Anomalie wie folgt in Erscheinung getreten sein: Investoren setzten auf eine Anlageform, in die sie bereits in der Vergangenheit investiert hatten, obwohl diese im aktuellen Entscheidungskontext nicht (mehr) optimal war. Eine weitere Entscheidungs- bzw. Verhaltensanomalie stellt die Selbstüberschätzung (Überkonfidenz) dar. Sie kann sich beispielsweise in einer Unterschätzung des Risikos und in einer Überschätzung der eigenen Prognosefähigkeiten äussern. Eine ungerechtfertigte Zuversicht in das eigene Urteilsvermögen kann katastrophale Auswirkungen nach sich ziehen. Die Vermutung, dass eine Selbstüberschätzung der Finanzmarktakteure eine Ursache für die Krise sein könnte, liegt nahe. Eine Studierendengruppe ging der Frage nach, wie HR-Manager bereits im Bewerbungsprozess überkonfidente Bewerber erkennen können, um Quellen für Fehlentscheide frühzeitig zu identifizieren.
Gehirnphysiologische Ursachen für unproduktives Verhalten
Aber selbst wenn alle Verhaltens- und Entscheidungsanomalien bekannt, erkannt und gebannt wären – physiologische Gegebenheiten stellen uns weitere Hürden in den Weg. Im Sinne des Taylorismus, der sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts mit der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der menschlichen Arbeitskraft durch eine geeignete Gestaltung der Arbeitsumgebung beschäftigte, forschte eine Studierendengruppe, wie Arbeitsplätze gestaltet sein sollten, um den physiologischen Eigenschaften des menschlichen Gehirns bestmöglich zu genügen. So weisen Studien darauf hin, dass ständige Unterbrechungen der Arbeit, beispielsweise durch aufblitzende E-Mail-Benachrichtigungen, ähnlich schädlich für die Konzentrationsfähigkeit sind wie der Konsum von Marihuana.
Gruppenkohäsion – fehlt sie, wird es schwer
Ein starker innerer Zusammenhalt in einer Gruppe wirkt sich positiv auf deren Leistung aus. Eine besondere Gruppe im organisationalen Kontext stellt die Gruppe der geschäftsleitenden Manager dar. Ein Zeichen für eine hohe Kohäsion innerhalb dieser Gruppe – und damit zugleich ein Zeichen für deren Erfolg – ist ein hoher Integrationsgrad aller Mitglieder. Eine Studierendengruppe legte den Fokus auf HR-Manager als spezielles Mitglied einer Geschäftsleitungsgruppe. Sie untersuchten in einem ersten Schritt: Sind HR- Manager gut integriert? In einem zweiten Schritt forschten sie nach den Ursachen für eine gute oder schlechte Integration von HR-Managern.
«Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.» Albert Einstein. In diesem Sinne ist zu erwarten, dass weiteres (Forschungs-)Potenzial in der Überlegung steckt, dass der Mensch eine Ursache für suboptimale Ergebnisse in Unternehmen darstellt.