Zwischen Boomern und Zoomern

Der Schlüssel zur generationengerechten Weiterbildung

Vier Generationen, vier Lernstile: Wie Unternehmen Weiterbildung so gestalten können, dass alle profitieren – und die Organisation resilienter wird. 

In Zeiten des demografischen Wandels und der digitalen Transformation müssen Unternehmen ihre Weiterbildungskultur neu denken. In Unternehmen arbeiten heute bis zu vier Generationen Seite an Seite. Die einen denken in Ordnern und Hierarchien, die anderen in Apps und Podcasts.

Die intergenerationale Herausforderung betrifft nicht nur die tägliche Zusammenarbeit, sondern vor allem auch die Weiterbildung. Wie schafft man es, Lernangebote zu entwickeln, die sowohl strukturiert als auch flexibel sind? Die analog und digital funktionieren? Die motivieren, statt zu überfordern? Die das Unternehmen am Ende resilienter machen?

Eine Studie bei einer mittelgrossen Schweizer Kantonalbank zeigt: Lernpräferenzen variieren stark zwischen Babyboomern und Generation Z, und gerade darin steckt strategisches Potenzial. Wie generationengerechte Schulungsformate gelingen können und warum «Struktur und Flexibilität» kein Widerspruch ist.

Was vier Generationen über das Lernen denken


In Interviews mit Mitarbeitenden aller Altersgruppen wurde klar: Weiterbildung ist allen wichtig. Aber nicht auf die gleiche Weise:
 

Beispielsweise stellt «Boomer» Wolfgang, ein erfahrener Kundenberater, fest: «Ich bin nicht gegen E-Learning, aber ich brauche etwas, das mich Schritt für Schritt führt. Und jemanden, den ich fragen kann.» Ganz anders betont es Leonie aus der Gen Z: «Ich möchte selbst entscheiden, wann ich lerne. Mir hilft es, wenn ich zwischendurch ein kurzes Lernvideo schauen kann, am besten gleich mit einem Quiz.»

Gestapelte Balkendiagramm mit dem Titel «Ich beurteile hybride Schulungsformate positiv». Es zeigt die Verteilung der Antworten verschiedener Generationen auf vier Zustimmungskategorien.

Die Umfrage bestätigte, dass fast 80 Prozent der unter 35-Jährigen digitale Lernformen bevorzugen, während es bei den über 55-Jährigen nur ein Drittel ist. Und doch herrscht in einem Punkt Einigkeit: Lernen funktioniert nur dann, wenn es praktisch relevant, verständlich aufbereitet und einfach zugänglich ist. Besonders deutlich wird dies bei den Faktoren für den Lernerfolg. Fast 80 Prozent der Befragten betonten, dass kompetente und engagierte Trainerinnen und Trainer entscheidend für eine gelungene Weiterbildung sind. Mehr als die Hälfte stimmte zu, dass E-Learning eine hilfreiche Ergänzung sein kann, sofern es gut gestaltet ist. Über 70 Prozent bewerteten Learning on the Job als besonders effektiv, ein klares Signal, dass Mitarbeitende erfahrungsbasiertes, praxisnahes Lernen höher einschätzen als rein theoretische Ansätze.

Methodik der Studie


Mittels eines Mixed-Methods-Ansatzes wurden 16 qualitative Interviews mit Mitarbeitenden einer mittelgrossen Schweizer Kantonalbank aus vier Generationen geführt und durch eine quantitative Befragung mit 58 Teilnehmenden validiert. Im Fokus standen Lernpräferenzen, Wahrnehmung bestehender Formate und Optimierungs­potenziale. 

 

Die wichtigsten Hürden: Zeit, Sichtbarkeit, Passung


Trotz hoher Lernmotivation stossen viele Schulungen an praktische Grenzen. Zeitmangel wird als das grösste Hindernis bezeichnet, besonders für Teilzeitkräfte oder Mitarbeitende mit Kundenkontakt. Dazu wissen viele Mitarbeitende nicht, welche Schulungen angeboten werden oder welche Formate zu ihnen passen. Der Zugang zu Lernangeboten ist oft kompliziert, wenig personalisiert und selten strategisch abgestimmt.
 


Imperative einer generationenübergreifenden Lernkultur
Do:
• Inhalte praxisnah und rollenbezogen gestalten
• Lernpfade modular und hybrid aufbauen
• Lernzeit institutionalisieren
• Peer Learning und Reverse Mentoring fördern
• Transparenz schaffen

Don’t:
• One-size-fits-all-Formate
• Textwüsten als E-Learning
• Unübersichtliche Portale
• Lernen komplett privatisieren


Über zwei Drittel der Mitarbeitenden würde gern mehr lernen, wenn Formate flexibler, transparenter und besser auf sie abgestimmt wären. Besonders schlecht schneiden überladene E-Learnings ohne Anwendungsbezug sowie Pflichtschulungen ab, die nicht auf die eigene Rolle zugeschnitten sind. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie nicht alles neu erfinden müssen, wohl aber das Vorhandene besser vernetzen. Und: Sie müssen lernen, die Lernaktivität als Prozess zu gestalten.

Präsenz versus digital? Vom Modus hin zur Gestaltung des Lernpfads


Präsenzformate punkten durch soziale Interaktion, spontane Rückfragen, praktische Übungen und Raum zur Reflexion. Digitale Formate bieten hingegen Flexibilität, On-Demand-Verfügbarkeit, Wiederholbarkeit und Datenauswertung. Weiterbildung wird wirklich effektiv, wenn beide Ansätze im hybriden Ansatz gezielt kombiniert werden: Die Vorbereitung erfolgt asynchron, beispielsweise durch Microlearning-Module, Videos oder kurze Quizze, die Vertiefung erfolgt dann in synchronen Workshops, Simulationen oder Rollenspielen.

Babyboomer und die Generation X wünschen sich vor allem ...Millennials und die Generation Z hingegen bevorzugen ...
persönliche Lernräumeflexible, digitale und interaktive Formate 
PräsenzveranstaltungenLernen «on demand»
klare StrukturKurze Lernvideos
Handoutsmobile Anwendungen 
Austausch im Seminarraumgamifizierte Elemente


Der Transfer ins Tagesgeschäft wird optimalerweise laufend durch praxisnahe Aufgaben, Feedback-Schleifen und Follow-up-Sessions organisiert. Dennis (Gen Y) bemerkt hierzu: «Ich lerne am meisten, wenn ich es gleich anwenden muss.» Und Selina (Gen Z) ergänzt: «Kurze Lerneinheiten und ein Quiz, dann bleibe ich dran.»

Drei Prinzipien für generationengerechtes Lernen


Flexibilität braucht Struktur: Hybride Curricula mit klaren Zielen, modularen Einheiten und definierten Meilensteinen bedienen sowohl den Wunsch nach Selbststeuerung – vor allem bei jüngeren Generationen – als auch das Bedürfnis nach Orientierung, das ältere Kohorten stärker nachfragen. Ueli (Boomer) unterstreicht: «Fixe Termine helfen mir, Prioritäten zu setzen.» Ebenso wichtig ist der Rollenbezug: Lernpfade, die auf Funktion, Karrierephase und Aufgabenfeld abgestimmt sind, erhöhen sowohl die Akzeptanz als auch die Wirksamkeit. Schliesslich ist es zentral, dass Führungskräfte als aktive Förderer von Weiterbildung agieren, Lernziele ansprechen, Zeitfenster schaffen und Erfolge hervorheben.

Die Analyse zeigt fünf strategische Handlungsfelder zur Steigerung der Resilienz des Unternehmens durch altersdiverse Weiterbildung:

  • Erstens erfordert die Flexibilisierung des Angebots eine Microlearning-Bibliothek mit kurzen, fokussierten Einheiten, Blended-Learning-Tracks, die Online-Vorbereitung mit Präsenzvertiefung verbinden, sowie On-Demand-Angebote, die auch für Teilzeit- und Frontmitarbeitende nutzbar sind.
  • Zweitens sollten Rollen- und Karrierepfade über Kompetenzlandkarten klar definiert und mit personalisierten Lernvorschlägen in einer benutzerfreundlichen Plattform hinterlegt werden.
  • Drittens kann Führung als Lernhebel genutzt werden, indem Führungskräfte durch kurze Formate befähigt und Lernleistungsfaktoren in die Zielvereinbarungen integriert werden.
  • Viertens muss die Sichtbarkeit des Angebots gesteigert werden, beispielsweise durch ein klar strukturiertes Lernportal, einen regelmässigen Newsletter und integrierte Beratungstools.
  • Fünftens sollten Peer-Learning-Formate wie generationenübergreifende Tandems, Communities of Practice oder «Teach back»-Formate systematisch aufgebaut werden.

Fazit: Vielfalt als Chance nutzen


Die Ergebnisse der Studie der Hochschule Luzern zeigen, dass die Unterschiede zwischen den Generationen kein Hindernis, sondern vielmehr eine Ressource sind. Altersdiverse Weiterbildung wirkt am besten, wenn sie modular, hybrid, rollenbezogen und gut sichtbar gestaltet wird. Denn Struktur gibt Halt, Flexibilität öffnet Türen, und die Kombination beider Ansätze schafft eine Lernkultur, in der Hans mit Handout und Lara mit Tablet ihr Ziel erreichen. Und zwar beide – individuell und miteinander, um die Resilienz des Unternehmens zu verbessern.


Literaturempfehlungen:
• Knowles, M. et al. (2014), «The Adult Learner»: die Grundlage für das Konzept der Andragogik,
das selbstgesteuertes Lernen im Erwachsenenalter betont – ein zentrales Prinzip für moderne
Schulungskonzepte.
• Bonk, C. J. und Graham, C. R. (2006), «The Handbook of Blended Learning»: bietet praxisnahe
Einsichten zu hybriden Lernformaten, die besonders in generationengemischten Organisationen
hohe Wirkung entfalten.
• Illeris, K. (2018), «How We Learn»: vermittelt ein integratives Modell des Lernens und betont
die Relevanz von Kontext, Motivation und Erfahrung – Faktoren, die in der Studie mehrfach als
entscheidend genannt wurden.
• McCrindle, M. (2010), «The ABC of XYZ»: ein Standardwerk zur Generationsforschung mit Fokus
auf Wertewandel, Mediennutzung und Lernpräferenzen zwischen den Kohorten.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos
Porträt eines jungen Mannes mit dunklem, zurückgekämmtem Haar, der lächelnd in die Kamera schaut. Er trägt ein dunkelblaues Sakko über einem hellblauen Hemd. Der Hintergrund ist ein heller, unscharfer Büro- oder Gebäudeflur.

Ignaz Meyer absolvierte sein Studium in Business Administration mit Schwerpunkt Value Network Management und Corporate Finance an der Hochschule Luzern. Er arbeitet in der Finanzbranche im Firmenkundengeschäft.

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Porträt eines Mannes mit kurzem, hellbraunem Haar und Brille, der freundlich in die Kamera lächelt. Er trägt ein dunkles Hemd und steht vor einer Sitzreihe mit grün-schwarzen Stühlen, vermutlich in einem Hörsaal.

Jens O. Meissner ist Professor für Unternehmensentwicklung und Resilienz an der Hochschule Luzern sowie Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen.

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