Der Weg durch die Transformation führt über die Psychologie der Mitarbeiter
Wer den Fokus nur auf Ziele setzt und die psychologische Seite ausser Acht lässt, stösst bei den Beschäftigten zumeist auf Widerstand. Denn wenn sie den Sinn einer Reorganisation nicht verstehen, leidet ihre Identifikation mit dem Unternehmen. Veränderungsprozesse müssen deshalb von den Führungskräften systematisch gesteuert werden.
Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Veränderungsdruck ausgesetzt. Globalisierung, permanente Marktveränderungen, ein extremer Wettbewerbs- und Kostendruck verlangen ihnen ein Höchstmass an Flexibilität ab. Sie erzwingen immer wieder neue Strategien und damit tief greifende organisatorische Veränderungen. Reorganisationen und Restrukturierungen haben viele Gesichter. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten gehen sie oftmals auch mit Personalabbau einher. Die Vergangenheit hat uns viele schlechte Beispiele beschert, bei denen die Folgeschäden einer missglückten Restrukturierung durchaus geeignet waren, das ursprünglich positive Ziel – ein Unternehmen auf einen besseren Kurs zu bringen – in Frage zu stellen. Gleichzeitig haben erfolgreich durchgeführte Reorganisationen gezeigt, dass sich mit einem umsichtigen Management der Veränderungsprozesse Unternehmen durchaus erfolgreich an die Anforderungen des Marktes anpassen können.
Vergleicht man die Worst Cases mit den Best Practices, so lassen sich Grundmuster erkennen, die helfen können, Chancen und Risiken deutlicher voneinander abzugrenzen und zu identifizieren, so dass man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen kann.
Reaktionen von Hilflosigkeit, über Skepsis bis zu offenem Widerstand
Veränderungen sind immer mit Risiken verbunden – nur wer erkennt, dass Veränderungsprozesse professionell zu gestalten sind, wird dauerhaft auch die gewünschten Ergebnisse erzielen. Change Management wird somit zum erfolgskritischen Faktor unternehmerischen Handelns – dabei kommt der Berücksichtigung des menschlichen Faktors eine bedeutende Rolle zu. Wer glaubt, dass er Veränderungen ohne die hiervon betroffenen Menschen nach Plan realisieren kann, wird in der Praxis schnell eines Besseren belehrt werden.
Veränderungen werden von Menschen in Krisenzeiten stärker als bedrohlich wahrgenommen und weniger als Chance. Dennoch wird die psychologische Seite einer Reorganisation nach wie vor häufig unterschätzt und stattdessen der Fokus auf Ziele, Aufgaben und Prozesse gelegt. Deshalb gehen selbst als notwendig erkannte Veränderungen in Organisationen immer mit Widerständen einher, die ihre Ursache in den Befürchtungen der Mitarbeitenden haben. Unabhängig davon, ob diese gerechtfertigt sind oder nicht, sind sie eine feste Grösse, die es in jedem Fall zu berücksichtigen gilt.
Wenn von Reorganisation die Rede ist, fürchten viele Menschen um ihren Arbeitsplatz und ihre berufliche Existenz. Auch wer nicht von einem Arbeitsplatzverlust betroffen ist, muss damit rechnen, im Rahmen der Reorganisation neue Aufgaben übernehmen zu müssen und einer höheren Arbeitsbelastung gegenüberzustehen – er ist insofern nicht selten verunsichert und desorientiert. Mit den steigenden Anforderungen an die jeweils individuelle Lern- und Leistungsfähigkeit nehmen Druck und subjektives Stressempfinden bei vielen Mitarbeitern deutlich zu. Die in der Belegschaft zu beobachtenden Reaktionen hierauf reichen von absoluter Hilflosigkeit über geäusserte Skepsis bis hin zu offenem Widerstand. Das hat wiederum gravierende Auswirkungen auf das Betriebsklima und die Organisationskultur, was das in diesem Zusammenhang überaus wichtige Mobilisieren positiver Kräfte sehr erschwert.
In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde und wird immer wieder darauf hingewiesen, dass kulturelle Aspekte, Kommunikation und Führung über den Erfolg oder Misserfolg von Veränderungsprozessen entscheiden.
Sind die Veränderungen nicht hinreichend in der Unternehmenskultur verankert, werden soziale Normen und gemeinsame Werte in Frage gestellt, so sinkt die Identifikation der Mitarbeiter mit der Organisation und ihren Zielen signifikant. Gelingt es der Unternehmensleitung nicht, ihre Vision der Veränderung, die damit verbundene Mission und gleichzeitig die Bedeutung bestimmter Werte und Normen klar, verständlich und überzeugend zu vermitteln, so fehlt dem gesamten Vorhaben die wegweisende Richtung. Weder die Führungsmannschaft noch die Mitarbeiter werden unter diesen Umständen bereit sein, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen – aber genau das braucht das Unternehmen in dieser Situation: Führungskräfte, die die Zukunft antizipieren und die Mitarbeiter hierfür begeistern können. Dabei ist es durchaus bedeutsam, dass die Führungsmannschaft geschlossen agiert, indem sie gemeinsam den Veränderungsprozess plant, initiiert und systematisch steuert. Das kann folgendermassen geschehen:
- Durch eine offene und transparente Kommunikation zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und des damit verbundenen Handlungsbedarfs wird bei den Mitarbeitern ein Bewusstsein für dringend anstehende Veränderungen geweckt.
- Durch die Vermittlung einer neuen Vision und Strategie des Unternehmens, die die Sinnhaftigkeit des aufgezeigten Veränderungsprozesses überzeugend darstellen, werden die Mitarbeitenden in die Lage versetzt, sich den anstehenden Herausforderungen zu stellen.
- Die Mitarbeiter sollten Gelegenheit erhalten, sich aktiv mit der Vision und der neuen Strategie auseinanderzusetzen sowie im Dialog mit den Führungskräften ein vertiefendes Verständnis zu entwickeln. Die Bereitschaft der Führungskräfte, den Mitarbeitern an dieser Stelle Rede und Antwort zu stehen, auf ihre Bedenken einzugehen, wird sich nachhaltig auf ihr Vertrauen auswirken. Kommunikation und Vorbildfunktion der Führungskräfte spielen insofern eine wichtige Rolle.
- Für die weitere Vorgehensweise empfiehlt sich ein professionelles Projektmanagement, bei dem die einzelnen Schritte genau festgelegt sind und entsprechend konsequent abgearbeitet werden können. Erfolge werden damit konkret planbar und evident. Es empfiehlt sich, hier die Mitarbeitenden voll einzubeziehen und als Experten für ihren Arbeitsbereich zu nutzen.
- Was das Optimieren der Prozesse angeht, so ist es sinnvoll, die Mitarbeiter ihre Abläufe selbst analysieren zu lassen, da sie die darin enthaltenen Verbesserungspotenziale am besten kennen bzw. erkennen können. Die Zusammenarbeit in Projekten unterstützt das interdisziplinäre Arbeiten ebenso wie die Kooperation untereinander und fördert somit das Wir-Gefühl.
- Eine aktiv gelebte Feedbackkultur ermöglicht einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, initiiert und treibt wichtige Lernprozesse voran.
- Eine integrative Kommunikation – also die Verknüpfung von funktionaler und sozialer Dimension – stellt sicher, dass das gemeinsame Ziel durch gemeinsam vereinbarte Handlungen erreicht werden kann, und ist somit ein wichtiges Steuerungsinstrument des Veränderungsprozesses. Sowohl die strategische als auch die operative Ebene müssen dabei ausreichend berücksichtigt werden. Während auf der strategischen Ebene der übergeordnete Sinn der Veränderungen beim Geschäftserfolg des Unternehmens verdeutlicht werden muss, geht es auf der operativen Ebene darum, die nötige Akzeptanz hierfür bei den Mitarbeitern zu erzielen, relevante Informationen darüber zu geben, was wann von wem und wie getan werden muss.
- Die Führungskräfte sind gehalten, im Dialog mit den Mitarbeitern zu überprüfen, inwieweit sich diese ernst genommen und eingebunden fühlen. Sie sind verantwortlich dafür, dass die Mitarbeiter das notwendige Verständnis entwickeln und über alle relevanten Informationen verfügen, die sie benötigen, um den von ihnen geforderten Beitrag zum Erreichen der gesetzten Ziele zu leisten.
- In der Verantwortung der Führungskräfte liegt auch, dass die Mitarbeiter nicht nur über das erforderliche Wissen in Form von Informationen, sondern auch über die grundlegenden Werte und Normen verfügen und damit hinreichend orientiert sind.
Durch Fokus auf Problemsituation kommt vieles andere zu kurz
Flankierende Personal- und Organisationsentwicklungsmassnahmen tragen dazu bei, die Orientierung und Identifikation der Mitarbeiter mit den neuen Zielen, Rollen und Aktivitäten zu erhöhen, selbstverantwortliches Handeln und gute Arbeitsbeziehungen zu fördern sowie die nötigen Kompetenzen zu entwickeln.
Schliesslich kommt Führungskräften grundsätzlich die zentrale Rolle zu, die Potenziale von Mitarbeitern zu erkennen, zu fördern und zu entwickeln. In Krisenzeiten, in denen sich der Fokus häufig auf der Bewältigung von Problemsituationen liegt, kommt dieser wichtige Aspekt von Führung aber meist zu kurz. Dabei sollte ein Unternehmen gerade jetzt alles dafür tun, seine besten Mitarbeiter nicht zu demotivieren – und hier sind insbesondere die Vorgesetzten gefragt, da sie ihre Mitarbeiter am besten kennen.