Peter Warschawski

Der Weg zum visionsgeführten Unternehmen

Visionsgeführte Unternehmen verfügen selbstredend über eine klare Vision; danach richten sich die Unternehmensziele aus. Professor Peter Warschawski erklärt im Interview, worum es geht und welche Vorteile diese Art von Leadership bringt.

Herr Warschawski, Sie begleiten Firmen auf dem Weg zum visionsgeführten Unternehmen. Was zeichnet ein visionsgeführtes Unternehmen aus?

Peter Warschawski: Visionsgeführte Unternehmen haben begeisterte Kunden, hochmotivierte Mitarbeiter und eine souveräne Führungsspitze, die in Zeiten des Wandels Klarheit schafft und Orientierung gibt. Die Unternehmensvision ist die Identität des Unternehmens. Sie drückt aus, wofür das Unternehmen steht, worum es den Menschen im Unternehmen geht und was die Bedeutung der Existenz dieses Unternehmens ist. Sie widerspiegelt die zentralen Werte und das Verhalten der Führungskräfte und der Mitarbeiter. Aus der Vision gehen die konkreten Unternehmensziele hervor, deren Erreichung sich alle vollauf verschreiben. Das Markenzeichen eines visionsgeführten Unternehmens ist das leidenschaftliche Handeln seiner Mitarbeiter, denn sie identifizieren sich mit dem Geschäftszweck und den Zielen und setzen ihre eigenen Talente und Fähigkeiten voll ein. Jeder ist für jeden da und gleichzeitig wissen alle, was erforderlich ist, um individuell zum Unternehmenserfolg beizutragen.

Sie sind der Meinung, dass die herkömmliche Hierarchie-Struktur es nicht schafft, Eigenverantwortung, Innovation und Motivation bei den Mitarbeitern zu erreichen. Wie aufwändig muss man sich den Prozess zum visionsgeführten Unternehmen vorstellen? Und wie schwierig ist es, die Verhaltensmuster der Mitarbeiter zu ändern, halten da alle mit?

Der Prozess dauert ungefähr zwei Jahre. Im ersten Jahr wird die grundlegende Umstellung und Einführung im ganzen Unternehmen durchgeführt, im zweiten Jahr wird die neue Organisation gefestigt. Danach begleiten wir jeweils einmal jährlich eine Meilenstein-Sitzung und leiten die Klausur-Tagung zur Festlegung der Ziele für das kommende Jahr, was für die weiterführende Zertifizierung verlangt wird. Ein positiver Nebeneffekt der Umstellung zum visionsgeführten Unternehmen ist, dass Mitarbeiter, die diesen Prozess nicht kreativ mitgestalten wollen, nach kurzer Zeit ganz von alleine das Unternehmen verlassen, da sie bemerken, dass hier etwas verfolgt wird, das ihnen nicht entspricht. Letztlich wird ein Unternehmen nur die Mitarbeiter haben, die aus Begeisterung ihren vollen Beitrag zum Geschäftserfolg leisten wollen.

Zur Person

Prof. Dr. Peter Warschawski ist Berater, Coach und Therapeut. Er hält Seminare und Vorträge in den USA und in Europa und ist Dr. phil. in Angewandter Psychologie (Universität Zürich) sowie Master of Education und Master of Arts in Psychologie (Johns Hopkins University, Baltimore, USA). In Baltimore führt er eine Privatpraxis für Kontextual-Psychotherapie. Als Psychologe mit langjähriger Erfahrung im Geschäftsleben in Europa und in den USA kombiniert er sein Sachwissen auf dem Gebiet des menschlichen Potenzials mit seiner Erfahrung als Psychotherapeut.

Somit ist der Prozess der Mitarbeiterauswahl ein sehr wichtiger Teil, um zukünftig nur die Mitarbeiter einzustellen, die das Ganze mittragen?

Das ist richtig. Heute wird bei zukünftigen Mitarbeitern analysiert, was sie am besten können. Die Frage des Wollens fehlt. Dies muss aber die zentrale Frage sein und das müssen sich auch die Mitarbeiter verinnerlichen. Diese finden ihre Erfüllung darin, dass sie genau das mit voller Hingabe tun, was sie leidenschaftlich gerne tun und was folglich das Unternehmen zum höchsten Erfolg führt. Das Erfolgreich-Sein und das Glücklich-Sein des Unternehmens und des Mitarbeiters sind eng miteinander verbunden und stehen auf dem gleichen hohen Niveau. Wenn ein Unternehmen als Arbeitgeber mit seinem Ruf so anziehend auf kreative, leistungsfähige, engagierte Menschen wirkt, wird sich das Unternehmen in Zukunft weniger um die Mitarbeitersuche kümmern müssen, da diese von sich aus um die Möglichkeit zur Erfüllung einer reizvollen Aufgabe vorsprechen werden.

Sind Sie der Meinung, dass Unternehmen, die nicht visionsgeführt sind, bald nicht mehr überlebensfähig sind?

In den nächsten fünf bis zehn Jahren ist dies sicher der Fall. Die Arbeitswelt hat sich verändert. Technologische Innovationen haben ungeahnte Möglichkeiten mit sich gebracht. Es sind jedoch vor allem die prominenten Eigenschaften des heutigen Mitarbeiters, der selbtsbestimmend und bedeutungssuchend seine Verantwortung übernehmen will, die eine neue Führungskunst erfordern. Dazu ist der Königsweg, gut ausgesuchte Mitarbeiter durch die Vision des Unternehmens zu inspirieren, sie entsprechend klare, bedeutungsvolle Ziele verfolgen zu lassen, sie sich selbst in die Arbeit einbringen zu lassen, sie in ihrer Arbeit zu fördern und ihre Menschlichkeit zu würdigen. In einer solchen Atmosphäre kreieren Sie die höchste Wahrscheinlichkeit, dass jeder gerne das Beste, wozu er fähig ist, in seine Arbeit legen wird. Sie erzeugen eine leistungswillige und loyale Gefolgschaft und binden Mitarbeiter mit all ihren Fähigkeiten in die gemeinsame Zielerreichung hin zum Unternehmenserfolg ein.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Irene Brantschen ist seit 1995 im Marketing bei der ZfU International Business School tätig, mit Schwerpunkt Leadership.

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