Die berufliche Leidenschaft per Praktikum entdeckt
Nach der Wirtschaftsmittelschule liess Myrjam Dregger nicht gleich das Studium folgen, sondern schaltete ein Zwischenjahr ein, um ihren weiteren Berufs- und Bildungsweg auszuloten. Er führte sie zur HR-Leiterin mit eidgenössischem Diplom und zur Leiterin Human Resources eines Industrieunternehmens.
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Im Laufe ihres Zwischenjahres absolvierte Myrjam Dregger kaufmännische Einsätze, aber auch ein Praktikum bei Psychologen, die Einzel- und Gruppenassessments und Rekrutierungsprozesse für Drittfirmen durchführen. Die Faszination für die Welt der Personalarbeit war geweckt. Als logische Konsequenz begann sie ein BWL-Studium mit Schwerpunkt Human Resources und Organisationsentwicklung.
Auf der Suche nach einem Thema für ihre Bachelor-Arbeit kam Myrjam Dregger in Kontakt mit einem Industrieunternehmen, das Bedarf nach einem Modell für Kaderassessments angemeldet hatte. Aus diesem Auftragsverhältnis entstand eine Anstellung: befristet als Personalassistentin in einer Mutterschaftsvertretung. Es sollte ein Start mit ungeahnten Perspektiven sein, denn aus der Assistenz wurde rasch eine Personalbereichsleitung. In einem Schwesterunternehmen stand wegen einer kurzfristigen Vakanz die Chance im Raum, die HR-Leitung zu übernehmen – mit erst 26 Jahren, zunächst ad interim, anschliessend fest angestellt und als Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung.
Seit dem Bachelor of Science in General Management waren fünf Jahre vergangen, als Myrjam Dregger beschloss, ihren akademischen Titel im Jahr 2020 durch den Titel als eidgenössisch diplomierte HR-Leiterin zu ergänzen. Sie schaffte dies als Jahrgangsbeste.
Herzliche Gratulation zu Ihrem Berufstitel! Welchen Stellenwert hat das eidgenössische Diplom in Ihrem Curriculum?
Myrjam Dregger: Es ist eine Bestätigung meiner Qualifikationen als HR-Leiterin. Mir selbst ist eine solche Position in sehr jungen Jahren anvertraut worden. Da war es gut, den Diplomabschluss nachliefern zu können. Das konkrete HR-Wissen, das andere aus dem Fachausweis mitbringen, habe ich mir in der Praxis angeeignet. Die Diplomausbildung ist breiter in Richtung Betriebswirtschaftslehre angelegt und setzt detailliertes HR-Know-how voraus. Sie mündet in eine höhere Fachprüfung, die ich als sehr praxisnah erlebt habe, da sie sich mit den Anforderungen aus dem beruflichen Alltag deckt. Mein Job hat mich bestens auf die Prüfung vorbereitet. Und die Arbeitgeber können darauf bauen, dass der Abschluss mit jenen Kompetenzen verbunden ist, die sie von ihrer HR-Leitung benötigen.
Wie kommt es, dass nicht mehr HR-Fachleute mit eidgenössischem Fachausweis einen Abschluss auf Diplomstufe suchen?
Die höhere Fachprüfung ist auf die Funktion einer HR-Leitung in KMUs unterschiedlichster Grösse ausgelegt. Oft ist die HR-Leitung durch Personen besetzt, die über langjährige Berufserfahrung verfügen und die Bestätigung ihrer Kompetenz durch ein Diplom nicht benötigen. Oder die HR-Verantwortung wird den Finanzen unterstellt und hat mehrheitlich administrativen Charakter. Leider! Die Human Resources in einem modernen Sinn gehen weit über HR-Administration und Sachbearbeitung hinaus. Sie entwickeln sich in Richtung Business Partner – zu einer spezialisierten, unterstützenden Rolle für die Linie, kombiniert mit der kontinuierlichen strategischen Weiterentwicklung.
Sie sind längst selber in einer Rolle, in der Sie bei Anstellungen die berufliche gegen die akademische Bildung abwägen zu müssen. Wie entscheiden Sie sich?
Dies muss für jede Vakanz einzeln abgewogen werden – und natürlich spielt die Berufserfahrung einer Kandidatin oder eines Kandidaten immer eine grosse Rolle. Wenn Spezialisten gesucht werden, ist die Kombination aus Erfahrung und einer beruflichen Weiterbildung sehr vielversprechend. Im HR-Bereich ist dies für Business Partner, für eine Personalbereichsleitung oder die Assistenzfunktion mit Sicherheit der Fall. Wenn es hingegen um die Konzeption von Zukunftsprojekten, die HR-Leitung oder den Einsitz in eine Geschäftsleitung geht, braucht es ein Gesamtverständnis, das sich entweder aus Erfahrung und einem Diplomabschluss oder aus einem Studium ergibt. Es stellt sich immer die Frage, wofür jemand gesucht wird.
Die Human Resources sind eine Querschnittsfunktion mit Einblick in alle Geschäftsbereiche. Inwiefern kommt das dem Gesamtunternehmen zugute?
Zum einen haben wir einen vermittelnden Part zwischen Management und Betrieb. Da wir zwar Einblick in alles, aber längst nicht überall den Durchblick haben, stehen wir zudem immer etwas in Distanz zur Thematik. Daraus ergeben sich die vermeintlich «dummen Fragen», die Bestehendes auf den Prüfstand stellen und neue Perspektiven eröffnen. Zum anderen laufen bei uns sehr viele Informationen und Erfahrungswerte zusammen. Aus diesem vernetzten Wissen lassen sich Synergien und Potenziale, Best Practice oder Lücken hinsichtlich der Personalstrategie und der operativen Personalarbeit ableiten.
In welche Richtung entwickelt sich die Personalarbeit?
Sie ist ständig damit beschäftigt, ihre Prozesse weiterzuentwickeln, sich an aktuelle Herausforderungen anzupassen und auf den zukünftigen Bedarf vorzubereiten. Die repetitiven Prozesse der Human Resources werden zunehmend digitalisiert. Hierfür die passenden Tools zu entwickeln, ist eine unserer grossen Aufgaben. Der eigentliche Nutzen liegt dann aber in der Unterstützung der Linie bei Fragen, die sich weniger gut in Zahlen und Fakten abbilden lassen. Dort, wo es um den Faktor Mensch geht: bei Führungsthemen, in der Work-Life-Balance, im Case Management, bei Diversität in allen Ausprägungen, bei Führung mit unterschiedlichen Arbeits(zeit)modellen im Team, im Employer Branding und bei den Ansprüchen von Generationen, die neu ins Berufsleben eintreten.
Was sind Ihre Erfolgserlebnisse?
Immer wenn die Zusammenarbeit von der Linie aktiv gesucht wird und gut funktioniert, dann haben wir Erfolg mit unserer Arbeit – das gilt auch für die Umsetzung von Projekten. An meiner letzten Arbeitsstelle habe ich mich stark mit der Digitalisierung beschäftigt. Wir haben zum Beispiel ein einheitliches Personalinformationssystem für alle Schweizer Standorte eingeführt, arbeiten nun mit E-Dossiers, einem digitalen Self-Service-Tool für Mitarbeitende und verschiedenen Dashboards. Ich habe auch unser Qualifikationssystem neu strukturiert, implementiert und digitalisiert. Das war verbunden mit einer extremen Effizienzsteigerung. Das Ziel von HR-Projekten muss es ja sein, für das Unternehmen und die Linie einen Vorteil zu generieren und nicht einfach als Abteilung etwas moderner zu werden.
Welche Qualitäten aus Ihrem Beruf kommen auch im privaten Umfeld zum Tragen?
In meiner beruflichen Funktion braucht es Empathie und die Fähigkeit des Zuhörens, um Anliegen erkennen, bei Konflikten vermitteln und die Positionen beider Seiten verstehen zu können. Das nehme ich ins Private mit. Wie auch die Fachkenntnisse zu Lohnbändern oder die Erfahrung aus Vorstellungsgesprächen. Mit solchen Fragen kommt ja Jede und Jeder irgendwann mal in Kontakt und ist dann möglicherweise froh, auf eine Beratung aus dem privaten Kreis zählen zu können.
Das eidgenössische Diplom krönt die Bildungsreise
Nach der Wirtschaftsmittelschule hatte sich die Ostschweizerin Myrjam Dregger ein Jahr lang Zeit gegeben, um mit Hilfe von Praktika ihre beruflichen Präferenzen zu entdecken. Als sie Bekanntschaft mit der Welt der Human Resources geschlossen hatte, war der weitere Bildungsweg mit Studium und dem Abschluss als HR-Leiterin mit eidgenössischem Diplom vorgezeichnet. Nach ihrem Mutterschaftsurlaub ist Myrjam Dregger als HR-Bereichsverantwortliche mit Fokus Projektarbeit bei einem Gesundheitsdienstleister tätig. Dank einem Teilzeitpensum kann sie die berufliche und familiäre Verantwortung miteinander in Einklang bringen.