Die innere Kraftquelle für gelebte Werte im Unternehmen
Die Vitalität unserer Wirtschaft lässt sich auf das menschliche Vermögen zurückführen, Unternehmen entschlossen und umsichtig zu führen. Führungskräfte mit einem reflektierten Selbstbild können den Unternehmenserfolg fördern.
Um seiner Führungsaufgabe, die Lebensfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen, gerecht zu werden, muss sich eine Führungskraft immer wieder mit sich selbst als Mensch tiefgreifend auseinandersetzen und versuchen, ihr Potenzial, also ihre eigene Zukunftsfähigkeit als Führungsperson, zu erkennen und wertzuschätzen. Daraus entstehen ein bewussteres Selbstverständnis und eine Empfindsamkeit für innere Qualitäten, welche die Führungsperson als wertvoll wahrnimmt. Mehr noch, sie kann daraus Selbstvertrauen schöpfen, also die Fähigkeit, sich selbst vertrauen zu können.
Eine tief empfundene Selbstwertigkeit (Gegenteil von Minderwertigkeit) ist die Basis, um Werte mit anderen zu teilen, ein gemeinsames Führungsverständnis und ein Klima der Verbundenheit zu schaffen. Führungskräfte stärken dadurch die Identität der Mitarbeiter mit der Organisation und können so den Unternehmenserfolg positiv beeinflussen. Auch ist auf Basis von Forschungsergebnissen von Heskett und Kotter(1) bestätigt, dass die Wichtigkeit von geteilten Werten und Unternehmenskultur die Unternehmensleistung erklärt.
Eine selbstbewusste Führungsperson, die Werte definiert und verinnerlicht hat, kann das Wohlergehen von Menschen ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellen. Sie ist sogar dazu verpflichtet, denn Werte sind erst dann wertvoll, wenn sie anderen dienen. Ohne den Menschen gäbe es keine Werte. Erst der Mensch kann ihnen Bedeutung beimessen, sie erleb- und nutzbar machen. Ohne gelebte Werte ist die Pflege einer Unternehmenskultur nutzlos: Das Unternehmen wäre nicht in der Lage, Vertrauen aufzubauen. Gemeinsame Werte zu fördern, ist deshalb eine zentrale Führungsaufgabe.
Bescheidenheit und Willenskraft
Die innere Kraftquelle dazu ist der bewusste Zugang zur Menschlichkeit. Sie bildet das Fundament der Führungsarbeit und ist ein Ausdruck für Tugenden, wie etwa Mitgefühl, Mässigung oder Verantwortungsgefühl. Menschlichkeit ist ein unerschöpfliches Reservoir an erstrebenswerten Eigenschaften, um die man sich ein Leben lang bewusst bemühen muss. Je grösser die Vorbildfunktion, desto dringlicher die Notwendigkeit, Menschlichkeit bewusst anzustreben.
Jim Collins hat in einer Studie(2) Unternehmen untersucht, die Spitzenleistungen erzielen und über einen längeren Zeitraum halten konnten. Eine der Erkenntnisse war, dass die meisten CEO dieser Unternehmen sich durch Bescheidenheit und Willenskraft auszeichneten. Beide Eigenschaften sind zum Teil angelegt, setzen aber in dieser Ausprägung einen bewussten Entwicklungspfad voraus.
Erkenntnisse aus Forschungen an der Harvard University(3) deuten auf die Relevanz dreier sozialer Motive hin, die erfolgreiche Führungspersonen antreiben. Ein Motiv betrifft den Wunsch, auf andere positiv einzuwirken, um das Beste für das Gesamtunternehmen zu erreichen. Die Untersuchung ergab, dass dieses Motiv eine Einflussvariable für hohes Führungspotenzial darstellt.
Um Menschen zu bewegen, muss man sie gefühlsmässig erreichen. Dieses Motiv greift die wichtige Führungsqualität der Anteilnahme auf, die wiederum der Menschlichkeit entspringt. Wenn die Führungskraft aus Anteilnahme an anderen heraus zu handeln beginnt, schafft sie Vertrauen, Respekt und Loyalität.
Mitarbeiter sehnen sich nach Führungspersönlichkeiten, die Verbundenheit fördern, Identität stiften und denen sie vertrauen können. Erkenntnisse der Neurowissenschaften(4) scheinen zu bestätigen, dass das menschliche Gehirn auf Empathie konfiguriert ist. Über Neuromechanismen werden Handlungen, Empfindungen und Emotionen stellvertretend aktiviert.
Der Ausgangspunkt für die persönliche Gestaltungskraft der Führungsperson liegt in ihrem bewusst erarbeiteten Selbstverständnis als Mensch. Daraus schöpft sie die Kraft, um dem Unternehmen als Führungspersönlichkeit zu dienen. Das Streben nach Menschlichkeit begleitet sie stets, denn ohne sie können Unternehmen auf Dauer nicht auskommen.
Quellen
- (1) Kotter, J. P., Heskett, J. L. (1992). Corporate Culture and Performance. New York: The Free Press.
- (2) Collins, J. (2001). Good to Great: Why Some Companies Make the Leap ... And Others Don’t. New York: HarperCollins.
- (3) Fernández-Aráoz, C.; et al (2011). How To Hang On To Your High Potentials. Harvard Business Review.
- (4) Keysers, C. (20.5.2011): The Vicarious Brain: The Neural Basis of Empathy, Learning by Observation, and Sociapathy. Beitrag an der Fachkonferenz «Understanding Virtue: New Directions Bridging Neuro- science and Philosophy». California Institute of Technology, Pasadena, CA.