Die Invasion der Sofas
Das wichtigste vorweg: Das Büro stirbt nicht aus. Aber seine Funktion wird sich wandeln. Ausgedient hat die Idee des Einzelarbeitsplatzes. Büros werden in Zukunft Begegnungsstätten und Marktplätze des Ideenaustauschs.
Nicht jede Sofaecke entwickelt sich automatisch zu einer Zone des Austauschs (Bild: google)
«Es war mal so einfach. Es gab Zellenbüros, Kombibüros und Grossraumbüros. Aus denen konnten Unternehmen wählen und die Mitarbeiter dann entsprechend zuweisen» stellte Martin Kleibrink mit belustigtem Unterton an der Tagung Future Workplace & Office in Rüschlikon fest.
In vielen Unternehmen sind diese Zeiten auch noch nicht vorbei. Grau-, Braun- und Beigetöne sowie Schwarz dominieren. Hier und dort noch ein wenig «moderner» Chromstahl. Der Büroarbeitsplatz wirkt wenig sexy. Einzelarbeitsplätze mit den üblichen Drehstühlen, Rollcontainern, Tischplatten und Funktionsregalen herrschen vor.
Einheitsbrei in Grautönen
«Schaut man sich aber an, wie die Menschen zuhause leben, sieht das längst nicht so einheitlich aus. Warum also herrscht in Büros eine einheitliche Meinung wie ein ebensolches auszusehen hat», fragte Kleibrink, der während mehrerer Jahre bei der Credit Suisse als Corporate Architect Büroumbauten und -neugestaltungen umgesetzt hat.
Artikel zum Thema
Die zweitägige Tagung gab Interessierten einen Einblick in die Bürowelten von morgen. Im Anschluss an mehrere Vorträge konnten die Teilnehmer in Firmenbesuchen bei Credit Suisse und Kraft Foods direkt ansehen, wie individuell Büros heute aussehen können.
«Ich bin überzeugt, dass wir bald 50 Prozent der Büroräume zur Begegnung, zum Austausch oder für informelle Kommunikation nutzen und nicht mehr um dort an einem Schreibtisch Bildschirmarbeit zu erledigen oder zu telefonieren», so Kleibrink. «Das Büro wird zum Marktplatz für die Ideen der Mitarbeitenden. Das wichtigste sind dann nicht mehr ergonomische Arbeitsplätze, sondern Orte, an denen Menschen zusammenkommen, um in Teams an Themen zu arbeiten. Die Zeiten, in denen einfach Arbeitsplätze aneinandergereiht werden, sind vorbei.» Entscheidend sei es, kollaborative und konzentrierte Arbeitsweisen unter einen Hut zu bringen.
Bei anderen abgucken, funktioniert nicht
Mit ein bisschen Farbe und einer Couch ist das nicht zu erreichen. «Im Moment erleben wir eine Invasion der Sofas. Jeder denkt, wenn er noch eine bequeme Sitzgelegenheit hinstellt, vernetzen sich die Mitarbeitenden automatisch», beobachtet Stefan Camenzind, Architekt bei Camenzind Evolution. Das sei genauso falsch wie die Annahme, dass sich das Konzept eines Unternehmens beliebig auf ein anderes übertragen lasse.
Am Anfang sollte immer die Frage stehen: Was wollen wir erreichen. Dazu gehört es auch, vor der Planung alle relevanten Kennzahlen zu erheben: Wie häufig werden die Arbeitsplätze überhaupt genutzt? Welche Tätigkeiten müssen erledigt werden? «Vorbei sind auch die Zeiten, als Hierarchien eine Rolle bei der Raumplanung spielten», so Camenzind.
Gleiches gelte auch für Sitzungsräume. Wer sie plant, muss wissen, was in den Sitzungen passiert. Drei Dimensionen seien dabei wichtig: Wie gross oder klein müssen sie sein, sind die Sitzungen eher offen oder vertraulich und sind sie formal oder entspannt. Je nachdem bedarf es möglicherweise gar keiner abgeschlossenen Räume, sondern es genügen ruhige Ecken mit ansprechenden Sitzmöglichkeiten. Laut Camenzind entstehen Ideen meist nicht am Arbeitsplatz. «Vielmehr müssen Unternehmen interessante Umgebungen schaffen, die Impulse geben. Dazu gehört auch Raum für gelegentlichen Müssiggang - denn der fördere Ideen.
Mehr Bewegung gewünscht
Sibylla Amstutz von der Hochschule Luzern hat eine Untersuchung zum Büro gemacht. Die Studie «Office in Motion» zeigt, dass sich das Büro als solches - von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen - in Jahrzehnten kaum verändert hat. Verändert hingegen habe sich die Art der Tätigkeit: Zu 63 Prozent seien wir heute mit Informationsverarbeitung beschäftigt, nur noch zu 37 Prozent mit physischen Materialien. Demnach erarbeiten wir immer mehr Wissen und verfallen dadurch zunehmend in körperliche Passivität. Bei vielen Büroangestellten, herrsche deswegen der Wunsch nach mehr Bewegung.
«Diese Bedürfnisse der Mitarbeitenden müssen Unternehmen ernst nehmen», so Amstutz. «Denn Büros werden wichtig bleiben, für Mitarbeitende und Unternehmen. Auch wenn sich Teile der Arbeit an andere Orte verlagern.» Was es aber nach Ansicht von Amstutz bräuchte, ist ein Coach, der den Mitarbeitenden hilft, mit veränderten Arbeitsbedingungen umzugehen und ihre Zeit gut zu organisieren. Zudem plädierte sie dafür wieder mehr analog im Team zu arbeiten: also in gemeinsamen Treffen auf Papier Ideen zusammenzutragen oder zu verdichten, statt jeden Mitarbeitenden allein in der digitalen Welt sitzen zu lassen.