«Die Marke Pfister nimmt man heute ganz anders wahr als vor 12 Monaten»
Möbel Pfister lancierte 2010 eine aussergewöhnliche Designkollektion und schaffte mit diesem innovativen Projekt den grössten Umbruch in der Unternehmensgeschichte – ohne die Werte der Traditionsmarke aus den Augen zu verlieren. HR Today hat den CEO, Meinrad Fleischmann, gefragt, wie er die Mitarbeiter von den neuen Zielen begeistern konnte.
Meinrad Fleischmann: ««Nach der Lancierung von ‹Atelier Pfister› bekamen wir so viele Spontanbewerbungen wie nie zuvor.» (Foto: Sabine Schritt)
Herr Fleischmann, Sie haben im vergangenen Jahr mit Ihrem Pilotprojekt «Atelier Pfister» einen Sprung nach vorne gewagt. Können Sie kurz erklären, was es mit diesem Projekt auf sich hat?
Meinrad Fleischmann: Bis 2015 wollen wir die attraktivste Einrichtungsmarke der Schweiz werden. Das Projekt ist ein Kernprojekt in der Strategierealisierung und Bestandteil jahrelanger Bemühungen und Überlegungen, wie wir das Unternehmen langfristig modernisieren können.
Wie lange gehen diese Bemühungen schon?
Schon Mitte der neunziger Jahre haben wir uns diese Gedanken gemacht, aber Erneuerungen fanden eher im Stillen und von innen heraus statt. Irgendwann waren wir bereit, das auch nach aussen zu zeigen. 2006 folgten ein neues Logo und eine neue Corporate Identity. Dadurch haben uns auch Nichtkunden stärker wahrgenommen. Doch die Wirkung begann zu verpuffen. Es musste also ein grosser Schritt nach vorne passieren. 2007 begann der Strategieprozess der Geschäftsleitung in Abstimmung mit dem Verwaltungsrat. Ende 2008 wurde diese Strategie dem Kader vorgestellt, im Frühling 2009 wurde das Projekt «Atelier Pfister» gestaltet und die Kommunikationsmassnahmen gestartet. Innerhalb von 16 Monaten stand die neue Kollektion mit 120 Artikeln. Im August vergangenen Jahres haben wir dann die Marke lanciert.
Warum war denn diese Modernisierung notwendig? Greifen nicht auch viele Menschen gerne auf das Altbewährte zurück?
Es gibt viele Schweizer Marken, die in den 1960er und 1970er Jahren erfolgreich waren und dann gerade im Zuge der Internationalisierung im Detailhandel nicht mitgekommen sind. Es ist hier, denke ich, nicht die Frage, ob Traditionelles keinen Wert mehr hat. Auch wenn man die Traditionen pflegt, die in einer Marke stecken, muss man diese in einer zeitgemässen Verpackung präsentieren. Dies ist eine absolute Notwendigkeit, wenn man nicht still und leise verstauben will.
Und Ihre moderne Verpackung heisst junges Design?
Ja, eine völlig neue Produktlinie mit einem ganz anderen Anspruch als unsere bisherigen Produkte. Damit sprechen wir bewusst neue Zielgruppen an, besonders die Designinteressierten und die passionierten Einrichter. Junge Leute, die kleinere Anschaffungen tätigen wollen, bis hin zu gut Situierten im besten Alter.
Ist es für eine Traditionsmarke besonders schwierig, Innovationen den Kunden zu verkaufen?
Gerade weil man es von uns nicht erwartet hat, war es nicht so schwer. Die PR-Wirkung, welche wir mit diesem Überraschungscoup erreicht haben, hat die neue Kollektion sehr schnell bekannt gemacht.
Der Kunde ist die eine Seite. Wie haben Sie die rund 2000 Mitarbeiter von den neuen Zielen begeistert?
Das ist eben das zentrale Thema. Es hat keinen Wert, wenn im Kopf des Managements etwas entsteht, aber die Mannschaft dann nicht mitkommt. Wir haben von Beginn des Projektes an gezielt kommuniziert.
Auch intern?
Auf Kaderebene haben wir die Strategie sehr breit kommuniziert. Auf einer Art Wanderpredigertour wurde diese auch allen Mitarbeitern nähergebracht. Unmittelbar vor der Lancierung fand dann der grösste Teil der Kommunikation statt. Wir haben alle neuen Artikel aufgebaut und sämtliche Wohnberater speziell für die neue Produktlinie geschult.
Wie hoch war der Aufwand für die entsprechende Ausbildung der Mitarbeiter?
Es wurden 200 Wohnberater während eines ganzen Tages in unserer Zentrale in Suhr geschult sowie 66 Verkaufs- und Filialleiter während fast eines Tages.
War es schwer, die Mitarbeiter dazu zu bringen, innovativ zu sein?
Nein, der Funke ist direkt übergesprungen, und mich erstaunt es immer noch, dass dieser Umbruch nicht schon viel eher passiert ist. Obwohl sich das Aufgabengebiet vieler Mitarbeiter durch diese Innovation verändert hat.
Woran erkennt man innovationsbereite Mitarbeiter?
An den Ausbildungsveranstaltungen konnte man genau das Leuchten in den Augen der Mitarbeiter sehen, die sich für diese Innovation begeistern: Mitarbeiter, die mitdenken und nachfragen und ihre eigene Freude an den Kunden weitergeben. Natürlich sind auch einige mit einem weniger grossen Strahlen aus dem Saal gegangen.
Sind auch Mitarbeiter abgesprungen?
Wir haben ein klares Zeichen gesetzt, in welche Richtung sich das Unternehmen entwickeln will. Es gibt sicher Mitarbeiter, die das nicht mit der gleichen Begeisterung mittragen und die darüber nachdenken, ob sie dies langfristig mitmachen wollen. Jedem Mitarbeiter ist es selbst überlassen, ob er sich auch in fünf Jahren noch mit der Marke identifizieren will.
Welche Rolle hatte das HR im Innovationsprozess?
Wir haben ein HR, das sehr nahe bei den operativen Einheiten angesiedelt ist. Jeder Bereich hat seinen direkten Ansprechpartner im HR. Daneben gibt es eine enge Verzahnung zwischen Verkauf und HR. Unser Ausbildner untersteht fachlich dem HR, aber führungsmässig dem Verkaufsleiter. Gerade in so einem Innovationsprojekt war die enge Beziehung sehr hilfreich. Der Ausbildner kennt seine Pappenheimer und weiss, mit welchen Argumenten und Ausbildungsmethoden die Mitarbeiter ansprechbar sind. Dies ist in die Planung und Organisation der Trainings eingeflossen.
In welcher Unternehmenskultur können Innovationen besonders gut gedeihen?
In einem offenen, hierarchisch flachen und eigenmotivierten Umfeld.
Wie pflegen Sie diese Innovationskultur bei Pfister?
Unsere Wohnberater sind sehr selbständig. Wir geben nicht den genauen Weg vor, aber ein klares Ziel. Dadurch haben unsere Mitarbeitenden sehr viel Freiraum. Die Führungskräfte haben oft die Funktion eines Coachs, wenn es darum geht, Leitplanken zu setzen, oder sei es auch, um Mut zu machen, mal etwas Neues zu wagen.
Wie ist denn jetzt die neue Produktlinie angekommen?
Design ist und bleibt ein Nischenprodukt im Einrichtungsdetailhandel und schlägt sich entsprechend im Umsatz nieder. Unsere Aussenwirkung ist jedoch enorm gestiegen. Nicht nur durch das grosse Medieninteresse nimmt man die Marke Pfister heute ganz anders wahr als noch vor 12 Monaten.
Hat Ihnen dies auch neue Mitarbeiter beschert?
Nach der Lancierung von «Atelier Pfister» bekamen wir so viele Spontanbewerbungen wie nie zuvor, und diese waren qualitativ auf einem ganz hohen Niveau. Und natürlich haben wir auch einige Kandidaten eingestellt.
Ihre Begeisterung für das neue Unternehmen Pfister ist spürbar. Trotzdem: Gibt es etwas, was Sie beim nächsten Mal anders oder besser machen würden?
Nein. Für mich ist unser gelungenes Projekt vor allem auch intern ein klares Lernbeispiel, wie Innovationsmanagement bzw. die Umsetzung von innovativen Ideen im Optimalfall orchestriert werden kann. Aber wir haben auch mit voller Kelle angerichtet.
Es geht ja nicht immer nur um den grossen Wurf.
Ein Unternehmen lebt tatsächlich von den kleinen täglichen Optimierungen. Aber zuerst müssen Sie eine Kultur schaffen, die dieses ermöglicht und dazu motiviert. Die nötige Stimmung und den Spirit hierfür können Sie nur mit wirklich grossen Ideen schaffen. Quasi als Eisbrecher, in dessen Fahrrinne all die kleinen Boote segeln können.
Ist Pfister jetzt in dieser Innovationskultur angekommen?
Wir sind sehr weit gekommen mit dem, was wir letztes Jahr alles bewegt haben.
Meinrad Fleischmann,
geboren am 27. April 1961 in Feusisberg, studierte an der Universität St. Gallen Ökonomie. Seine grossen Erfahrungen in der Retail-Branche gewann er unter anderem während zwölf Jahren bei Herren Globus, wo er vom Merchandiser bis zum CEO aufstieg, sowie als CEO der Warenhauskette ABM von 1999 bis 2001. 2002 wurde Fleischmann Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Schild und 2003, nach einem Management Buyout, Mitbesitzer der Modegruppe Schild, zu der 40 Modefachgeschäfte und sechs Mango-Franchise-Filialen zählen. Seit 1. März 2007 ist er CEO der Pfister Gruppe. Meinrad Fleischmann ist Vater von zwei Kindern und passionierter Marathonläufer und Offroad-Biker.