«Die Menge der Kontakte sagt noch nichts über die Qualität»
Junge Leute sind in der Berufswelt weniger vernetzt als ältere Generationen, dafür knüpfen sie umso mehr Kontakte in den Social Networks. Unternehmen sollten davon profitieren und sich besser heute als morgen mit diesem Thema befassen, meint Urs Schüpbach, Generaldirektor von Manpower Schweiz.
Urs Schüpbach: «Die Herausforderung heisst: Wo finde ich die richtige Person in der grossen Menge an Kontakten?» (Foto: Markus Forte)
Welche Social Networks nutzen Sie persönlich und für welche Zwecke?
Urs Schüpbach: Ich bin seit eineinhalb Jahren auf Xing und LinkedIn, aber ich nutze beide relativ selten.
Steht das nicht im Widerspruch zu den Ergebnissen Ihrer Studie, wonach Facebook mittlerweile unumgänglich geworden ist?
Was wir dort herausgefunden haben, gilt nur bedingt für meine Generation der 50- Jährigen. Die Social Networks sind vor allem für die jüngere Generation der 20- bis 35-Jährigen wichtig. Ich habe in meinem Leben andere Beziehungsnetze aufgebaut, vom Studium über den Sport bis hin zu den beruflichen Stationen. Mein Netzwerk sind unter anderem drei Schachteln mit Visitenkarten ... (lacht)
Ihre Generation führt ja die junge Generation. Ist es als Führungskraft aus diesem Grund nicht wichtig zu wissen, was im Social Web läuft?
Für unsere Personalberater gilt das absolut, die müssen am Puls des Marktes sein. In meiner Funktion ist das weniger relevant. Und in Bezug auf unsere Kandidaten ist es so, dass die Jobs in höheren Kaderbereichen heute noch nicht über elektronische Netzwerke besetzt werden, sondern über persönliche Beziehungen. Ich bin mir jedoch sicher, dass auch das sich mit der nächsten Generation ändern wird.
Sie legen den Unternehmen nahe, im Social Web aktiv zu werden. Gilt das ausnahmslos für alle?
Wer den Schritt heute nicht wagt, wird ein Problem bekommen. Solche Unternehmen werden wichtige Informationen nicht rechtzeitig bekommen und können Beziehungen zu Kandidaten und Talenten weniger schnell aufbauen als ihre Mitbewerber. Die Entwicklung geht so phänomenal schnell, dass es sogar Insider erstaunt. Facebook hat heute pro Monat einen Zuwachs von 80 000 bis 100 000 Mitgliedern in der Schweiz. Ohne jene unter 15 und über 80 Jahren ist heute bald die Hälfte der Schweizer Bevölkerung auf Facebook. Und auch die Business Networks wachsen schnell. In einigen Jahren werden wir ohne diese Plattformen gar nicht mehr leben können.
Gerade KMU scheinen hier noch eher zögerlich …
... dabei glaube ich, dass gerade sie eine Chance haben, besser Kontakt zu möglichen Mitarbeitern oder auch Kunden aufzunehmen und sich zu positionieren. Ein Auftritt in Facebook ist zudem fast gratis und kostet ein KMU nicht mehr als einen Konzern.
Wo sehen Sie für die Unternehmen das grösste Potenzial?
Ganz klar: bei der Schnelligkeit. Heute kann man buchstäblich über Nacht zu Kontakten kommen, die man früher in Wochen und Monaten nicht gehabt hätte. Zudem ermöglichen es die Netzwerke, über den regionalen Tellerrand hinauszublicken und höchsten Nutzen aus der Globalisierung zu ziehen. Und last but not least kann man potenzielle Kandidaten viel fokussierter ansprechen und gesuchte Zielgruppen aus der grossen Datenmenge auf den Social-Network-Plattformen schneller identifizieren.
«Kontakte über Nacht», das klingt ja schön und gut. Aber was ist mit der Qualität der Kontakte?
Jede Medaille hat zwei Seiten, und vorläufig haben auch die Plattformen noch Mängel. Die Menge der Kontakte sagt noch nichts über die entsprechende Qualität. Die Herausforderung heisst also: Wo finde ich die richtige Person in der grossen Menge an Kontakten? Und das ist dann wieder die gleiche Problematik, die man bereits bei der konventionellen Rekrutierung hatte. Da haben potenzielle Kandidaten vielleicht das Inserat gar nicht gesehen. Heute sind die Plattformen rund um die Uhr erreichbar, die Chancen des Matchings sind grösser.
Ihre Studie hat ergeben, dass die meisten Unternehmen Guidelines einführen, um Produktivitätsverluste zu vermeiden. Funktioniert das wirklich?
Untersuchungen haben ergeben, dass Facebook-Nutzer im Schnitt sechs Stunden pro Tag online sind. Wenn Unternehmen Guidelines einführen, hoffen sie natürlich, dass sie so die Zeitverschwendung am Arbeitsplatz eindämmen können. Letztlich ist es aber eine Führungsaufgabe, Kapazitäten der Mitarbeitenden so zu steuern und die Ziele entsprechend so zu setzen, dass niemand Zeit hat, extensiv im sozialen Netz unterwegs zu sein.
Eignet sich Facebook überhaupt für die Kandidatensuche? Dort sind ja keine Lebensläufe hinterlegt.
Es ist perfekt geeignet für eine erste Kontaktaufnahme. Vor allem die jungen Leute sind eben noch nicht auf Xing oder LinkedIn. Ihnen fehlt noch die Erfahrung, und sie sind weniger vernetzt als Leute, die schon vier oder fünf Stationen in der Berufswelt hinter sich haben. Aber insgesamt brauchen wir alle noch viel Erfahrung im Umgang mit den Plattformen, um auch die richtigen Kandidaten auf den richtigen Plattformen anzusprechen.
Ein wichtiges Thema ist die Reputation. Lassen sich Rufschädigungen wirklich verhindern?
Sicher nicht vollumfänglich. Wenn jemand einer Firma schaden will, kann er jederzeit Informationen nach aussen geben, die nicht steuerbar sind. Doch bei den vielen Informationen, die heute zirkulieren, ist die einzelne Nachricht schnell Schnee von gestern. Viel wichtiger ist es, die Mitarbeiter zu informieren, welchen Schaden sie sich selbst zufügen können. Bilder auf Facebook lassen sich zwar löschen, bleiben aber Eigentum von Facebook und sind mit spezieller Software auch danach im Netz auffindbar. In jungen Jahren sind viele Menschen leichtsinnig und geben Informationen preis, die ihnen später potenziell zum Verhängnis werden können.
Was halten Sie von Unternehmen, die den Zugang kurzerhand ganz sperren?
Das ist keine Lösung. Die jungen Leute finden andere Möglichkeiten. Jedes Verbot trägt dazu bei, dass das Interesse wächst. Sogar in der öffentlichen Verwaltung, die alle Netzwerke gesperrt hatte, sind Xing und LinkedIn mittlerweile wieder freigegeben. Die komplette Sperrung führt zu einem angestaubten Unternehmensimage, mit dem sich junge Leute kaum mehr identifizieren. Wichtig sind einfache Richtlinien, die den Umgang mit diesen Medien steuern, damit der Gebrauch nicht ausufert. Es ist wie mit allem: Auf das richtige Mass kommt es an.
Urs Schüpbach
ist seit April 2010 Generaldirektor von Manpower Schweiz. Zuvor war er Mitglied der Geschäftsleitung bei der Schindler Aufzüge AG und bei Otis (Schweiz) AG. Schüpbach studierte Betriebswirtschaft und absolvierte Fortbildungen in den USA, der Tschechischen Republik und China.