«Die Performance-Steuerung funktioniert über kein Anreizsystem»
Für Urs Hanselmann, Geschäftsleiter von Hilti Schweiz, sind Boni nichts anderes als eine Zusatzhonorierung von konstant starker Leistung. Denn nur die macht Sinn, incentiviert zu werden. Boni-Auszahlungen können sogar Schaden anrichten, wenn sie zu variabel und kurzfristig angelegt sind. Warum, erklärt er im Gespräch mit HR Today.
Urs Hanselmann: «Es ist eine Illusion, zu glauben, dass man Menschen mit Geld steuern kann.» (Foto: Connie Voigt)
Herr Hanselmann, wie stehen Sie bei Hilti Schweiz zu variablen Anreizsystemen?
Urs Hanselmann: Unser Bonussystem orientiert sich stringent an unserem stark performancegetriebenen Umfeld, wo es darum geht, Mitarbeitenden den Anteil am Erfolg zu geben, den sie verdienen, wenn sie solide, konstante Leistung und exzellente Resultate im Vertrieb bringen.
Wie motivieren Sie Mitarbeitende dazu, diese Leistung konstant zu bringen?
Wer im Vertrieb bei Hilti beginnt, weiss, dass es im Vergleich zu anderen Unternehmen in dieser Branche bei uns enorme Entwicklungsmöglichkeiten gibt. Der Prozess der individuellen Personalentwicklung ist bei uns sehr stark strukturiert. Und wer sich weiterentwickeln will, ist leistungs- bzw. performanceorientiert. Das ist die Logik in der Motivation. Und nach diesem Prinzip suchen wir unsere Leute auch aus.
Wie stellen Sie in der Rekrutierung sicher, dass Sie diese Selbstmotivierten identifizieren?
Das erfahren wir durch bestimmte Fragen, die auf das Wie und Warum abzielen. Dann durchläuft jeder neue Mitarbeitende im Vertrieb eine intensive Schulungsphase von einem ganzen Monat. In dieser Zeit wird er von angehenden Verkaufsleitern begleitet, die als interne Coaches fungieren. Im Kern geht es in dieser langen, aber wichtigen Einführungsphase darum, aufzuzeigen, wie man bei Hilti erfolgreich sein kann. Deshalb müssen wir Erfolg nicht über Incentivesysteme steuern. Kurzfristige Incentives machen nur bei besonderen, ad hoc eingeführten Produkten Sinn.
Welche Arbeitsweise wäre für Sie so inakzeptabel, dass Sie eine Kündigung in der Probezeit erwägen würden?
Wenn sich jemand beispielsweise die Freiheit nehmen will, lieber im Frühling und im Sommer mehr zu leisten als in den dunklen Wintermonaten, und sich eine ruhige Zeit macht, wenn in den Vormonaten schon vorgeleistet wurde. Dieses Verhalten würde im Resultat ein sehr mässiges Ergebnis für das Unternehmen bedeuten, und mit einem mässigen Standard geben wir uns nicht zufrieden. Ich würde auch Abstand nehmen von Menschen, die sich als ausschliesslich geldgetrieben entpuppen.
Aber Geld stellt doch für manche Menschen Anreiz für mehr Leistung dar ...
Ja, aber Menschen mit reiner Finanzorientierung interessieren uns nicht, denn gute Zahlen zum Jahresende zu erzielen, bedeutet nicht zwingend, eine gute Arbeit gemacht zu haben. Manchmal spielt auch Glück eine Rolle. Ein Kunde kann in einem Monat plötzlich viel Geld bringen, weil es seinen positiven Umständen gerade zufällig entspricht. Trotzdem bin ich aber von Hilti-Seite daran interessiert, dass sich dieser Mitarbeitende trotz dieser guten Erträge in seiner Performance bei uns weiterentwickelt, da diese ja in dem Zusammenhang mit einem solventen Kunden dann relativ unwesentlich wäre. Langfristig kann ich nur dann finanzielle Erfolge erzielen, wenn ich die Performance sicherstelle. Das haben einige CEOs vergessen und inves tieren deshalb kaum in gute Personalentwicklung.
Wie messen Sie Performance?
Alle Mitarbeitenden sitzen drei Mal jährlich mit ihren Vorgesetzten zusammen und evaluieren gemeinsam ihre jeweilige Leistungsentwicklung. In diesen Gesprächen werden unter anderem zukünftige Aktivitäten für eine allfällige Leistungsverbesserung abgesprochen.
Die Messgrössen für die Boni haben jedoch nichts mit dieser Evaluation zu tun, sondern sie errechnen sich lediglich auf Basis der finanziellen Resultate und sind somit bis auf die Kommastelle messbar. Sobald sich ein Aspekt einschleicht, der auch nur etwas qualitativ sein könnte, wird er aus dem System entfernt. In den Evaluationsgesprächen werden dementsprechend keine Boni oder anderen Finanzgrössen thematisiert. In diesen Gesprächen geht es ausschliesslich um das Monitoring der Entwicklung des Einzelnen im Verhältnis zu den Umsetzungsstrategien von Hilti. Unsere Strategie ist in individueller Eigenverantwortung umzusetzen. Und das führt zu Resultaten, und dafür erhalten die Leute Boni. Wir arbeiten also mit einem dualen Messsystem, in dem einerseits Performance zur langfristigen Leistungsfähigkeit regelmässig evaluiert wird und andererseits die Finanzresultate gemessen werden, aufgrund deren wir Boni ausschütten. Wer sich nicht weiterentwickelt und trotzdem gute Resultate bringt, hat bei uns intensive Gespräche, da uns eben beide Aspekte gleichermassen wichtig sind.
Wie ist Ihr Bonussystem gestaltet?
Wir zahlen allen Mitarbeitenden bei Hilti Schweiz ein relativ hohes Fixum von 80 Prozent. Als ich von Hilti Finnland und Hilti Irland hierherkam, dachte ich: Die spinnen hier in der Schweiz, was machen die mit so einem hohen Fixum im Vertrieb? Und dann haben wir zusätzlich vor drei Jahren ein Experiment gewagt: Wir zahlen nicht mit individuell abgemachten Bonussystemen, sondern alle Aussendienstmitarbeiter werden mit der identischen Bonusberechnung, also auf gleicher Ausgangsbasis, honoriert. Dadurch unterbinden wir unnötige Politik im Unternehmen, wie die Entstehung besonders guter Verhältnisse zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten, die eventuell ausgenutzt werden könnten. Persönliche Sympathien verhelfen bei uns nicht zu höheren Boni. Die qualitative Leistung wird somit nur indirekt honoriert, denn sie ist nicht auf dem Fairnessprinzip nachvollziehbar.
Arbeiten Sie mit Vesting-Perioden?
Nein, wir arbeiten mit innerbetrieblichen Jahreszielen, die Boni-Auszahlung erfolgt dementsprechend in jährlichen Abständen, hat aber nichts zu tun mit den Gesprächen zur Performancemessung. Jahresendgespräche sollten nicht zu einem Basar werden, auf dem über Boni gehandelt wird. Denn solche Verhandlungsgespräche laufen nie zur Zufriedenheit irgendeiner Seite aus; es handelt sich immer um einen Kompromiss und die Frage danach, ob man nicht mehr hätte herausschlagen sollen oder können.
Ich halte die interne Bonusgerechtigkeit für extrem wichtig, um eine Neid- und Beeinflussungskultur zu vermeiden. Letztendlich ist die Beziehung zwischen Vorgesetztem und Mitarbeitendem weniger wichtig als die Beziehung des Mitarbeitenden zum Unternehmen, wenn alle am gleichen Ziel arbeiten wollen.
Jeder kann theoretisch den Bonus des Kollegen ausrechnen. Diese Transparenz führt zu diesem gemeinsamen Denken für das gemeinsame Ziel. Wer glaubt, Menschen mit Vesting-Perioden oder Boni steuern zu können, kommt nicht langfristig zum Ziel. Die erfolgsbasierte Belohnung ist gut, aber es ist eine Illusion, zu glauben, dass man Menschen mit Geld steuern kann.