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Die Rolle der Temporärarbeit verändert sich je nach der konjunkturellen Lage

Die Temporärarbeit erfüllt verschiedene Bedürfnisse: Den Unternehmen bringt sie Flexibilität und die Möglichkeit, neues 
Personal vor einer Festanstellung zu testen; den Stellensuchenden verschafft sie Zugang zum Arbeitsmarkt und 
Arbeitserfahrung, oder sie bietet ganz einfach die Möglichkeit, kurzfristig einer zeitlich begrenzten Beschäftigung 
nachzugehen. Das haben etliche Untersuchungen gezeigt.

Eine neue Studie aus den Niederlanden (1) zeigt nun, wie sich diese Rolle der Temporärarbeit in wirtschaftlich guten und konjunkturell schlechten Zeiten unterscheidet. Mit einer Langzeitperspektive (1993–2008) blickt die Studie auf die Zusammensetzung der temporär arbeitenden Bevölkerung, deren Motive für die Temporärarbeit und insbesondere 
deren Beschäftigungsaussichten. Der Fokus liegt auf der Bedeutung der Temporärarbeit für sogenannte «target groups». Gemeint sind Personen mit Integrationsschwierigkeiten am regulären Arbeitsmarkt, konkret: ältere Personen, ethnische Minderheiten, Langzeitarbeitslose und Personen mit Behinderung. 24 Prozent der temporär Arbeitenden gehören in den Niederlanden einer solchen «target group» an.

Die Temporärarbeit weist eine
integrierende Wirkung auf

Wie in der Schweiz hat auch in den Niederlanden das Volumen an Temporärarbeit über die letzten 15 Jahre deutlich zugenommen. Ebenfalls vergleichbar mit der Situation in der Schweiz ist die Struktur der niederländischen Temporärbelegschaft: Die Mehrheit (allerdings weniger ausgeprägt als in der Schweiz) sind Männer; gering bis mittel Qualifizierte sowie Junge und Ausländer sind deutlich übervertreten. Über die letzten 15 Jahre wird in den Niederlanden allerdings ein signifikanter Zuwachs der über 45-Jährigen sowie von Hochqualifizierten beobachtet. Ihr Anteil an der Temporärbelegschaft wächst. Gleichzeitig wurde aber auch seit dem Jahr 2000 eine Zunahme der «target groups» festgestellt. Deren Anteil hat allerdings auch am regulären Arbeitsmarkt in den Niederlanden zugenommen.

Grundsätzlich kann man die Temporärarbeit aus einer «Das Glas ist halbvoll»- oder 
einer «Das Glas ist halbleer»-Perspektive 
betrachten. Mit der «Halbvoll»-Sicht legt man den Fokus auf die Brückenfunktion der Temporärarbeit: Gerade für die «target groups» wirkt die Temporärarbeit häufig auch als Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt. Gleichzeitig ermöglicht sie den Unternehmen, flexibel auf Nachfrageschwankungen zu reagieren. Aus der «Halbleer»-Perspektive steht im Vordergrund, dass temporär Arbeitende nicht genau dieselben Rechte haben wie Festangestellte und ihr Arbeitsplatz 
wegen der Befristung der Einsätze weniger sicher ist.

Für die Beurteilung der Rolle, die die Temporärarbeit für Wirtschaft und Gesellschaft spielt, sind die Motive für die Aufnahme eines Temporärjobs entscheidend. In den Niederlanden geben nur 28  Prozent der temporär Arbeitenden als Motiv fürs Temporärarbeiten an, dass sie damit ihre Chancen auf eine Festanstellung zu verbessern versuchen. Der grössere Teil (38  Prozent) arbeitet ganz einfach temporär, um Geld zu verdienen. 16  Prozent suchen einen Ferienjob. 15 Prozent arbeiten neben dem Studium temporär. Etliche temporär Arbeitende suchen also ganz bewusst den temporären Charakter dieser Arbeitsform.

Bei den anderen, die die Temporärarbeit nicht als Zweck, sondern als Mittel für das Finden einer Festanstellung wählen, stellt sich hingegen die Frage nach der Wirkung. Der Anteil der Feststellensuchenden ist in den «target groups» bedeutend höher. Dies leuchtet ein. Denn die anderen temporär Beschäftigten könnten einfacher eine Stelle am regulären Arbeitsmarkt finden und arbeiten demzufolge häufiger absichtlich temporär. Anders gesagt bedeutet dies aber auch: Für die «target groups» ist Temporärarbeit häufig der einzige Weg, um eine (Fest-)Anstellung zu finden. Viele Arbeitgeber begegnen ihnen mit Skepsis. Erst in einem Temporäreinsatz erhalten sie die Gelegenheit, sich zu beweisen.

Verschiedene Studien belegen die integrierende Wirkung der Temporärarbeit. So zeigt beispielsweise eine Studie des niederländischen Advisory Council on Government Policy (2), dass Arbeitslose, die einen Temporärjob annehmen, drei Monate später eine viel grössere Chance haben, eine weitere Stelle zu finden, als Arbeitslose, die keinem Zwischenverdienst nachgehen. Ähnliches wurde auch in der Schweiz beobachtet: Schweizer temporär 
Arbeitende haben eine markant grössere 
Chance, innert Jahresfrist eine Festanstellung zu finden, als arbeitslose Personen mit denselben beruflichen und persönlichen Merkmalen. Die Festanstellungschance der temporär Arbeitenden beträgt gemäss Auswertungen der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung 47 Prozent; jene arbeitsloser Personen beträgt hingegen 36 Prozent.

Wie stabil ist die integrierende
 Wirkung der Temporärarbeit?

In den Niederlanden finden 31 Prozent der temporär Beschäftigten nach dem Temporärjob eine Festanstellung, 14 Prozent davon im Einsatzbetrieb. Weitere 34 Prozent verbleiben bei der Temporärarbeit. In über 60 Prozent der Fälle wirkt die Temporärarbeit also integrierend, sei es in der Form einer Festanstellung oder einer zweiten Temporäranstellung. In der Schweiz sind ebenfalls 60 Prozent der temporär Arbeitenden ein Jahr später weiterhin erwerbstätig. Die Verteilung zwischen fester und temporärer Anstellung ist allerdings anders: 37 Prozent wechseln in eine Festanstellung, 14 Prozent bleiben temporär beschäftigt, und weitere 9 Prozent sind befristet angestellt oder selbständig erwerbend. Betrachtet man hingegen nur jene temporär Arbeitenden, die effektiv nach einer unbefristeten Anstellung suchen, präsentiert sich die Situation noch besser: 48 Prozent finden die gesuchte Festanstellung, 15 Prozent bleiben temporär beschäftigt, 9 Prozent sind befristet angestellt oder selbständig erwerbend.

Die integrierende Wirkung ist nicht nur stabil, sondern zunehmend. Die Erwerbschancen von temporär Arbeitenden in den Niederlanden sind über die letzten 15 Jahre gewachsen. Einerseits bleibt ein zunehmender Teil der temporär Arbeitenden längere Zeit temporär beschäftigt. Andererseits findet auch ein grösserer Teil der temporär Arbeitenden eine Festanstellung. Entsprechende Daten für die Schweiz existieren (noch) nicht. Die niederländische Studie führt die verbesserten Integrationschancen auf die 1999 in Kraft getretene Flexibility and Security Act zurück. Diese verschafft – ganz nach dem Gedanken der Flexicurity – den (temporären) Arbeitnehmenden mehr Beschäftigungssicherheit und erweitert gleichzeitig die Möglichkeiten der Arbeitgeber, temporäre Arbeitsverhältnisse einzugehen. Das hat dazu geführt, dass die Personaldienstleister ihre Mitarbeitenden länger beschäftigen. Die durchschnittliche Dauer einer Temporärbeschäftigung (die auch mehrere Temporärjobs umfassen kann) hat in den Niederlanden seit 1999 deutlich zugenommen.

Die Vermutung, dass temporär Arbeitende, insbesondere jene der «target groups», in wirtschaftlich schlechten Zeiten massenhaft entlassen würden, kann von der nieder
ländischen Studie widerlegt werden. Ihre Chance, temporär angestellt zu bleiben, variiert kaum zwischen Boom- und Rezessionsphasen. Allerdings haben temporär Arbeitende ausserhalb der «target groups» generell eine leicht höhere Chance, temporär beschäftigt zu bleiben, und dies insbesondere in wirtschaftlich schlechten Zeiten. Von den verschiedenen «target groups» haben ältere Erwerbstätige die besten Chancen, temporär beschäftigt zu bleiben.

In Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, dass temporär arbeitende Personen später eine Festanstellung finden, spielt die Konjunktur hingegen eine gewisse Rolle. Die Festanstellungschancen sind in den wirtschaftlichen Boomzeiten – sowohl für die «target groups» als auch für alle anderen temporär Arbeitenden – besser als in konjunkturell schlechten Phasen.

Personaldienstleister bieten den 
«target groups» gute Möglichkeiten

Dies alles hat zur Folge, dass auch die Struktur der Temporärbelegschaft von der Wirtschaftslage abhängig ist. Der Anteil der «target groups» an allen temporär Arbeitenden ist in Rezessionen höher als in wirtschaftlich guten Zeiten. Ihre Motivation fürs Temporär
arbeiten liegt deutlich häufiger im Wunsch, eine Festanstellung zu finden, als bei temporär Beschäftigten ausserhalb der «target groups». In Boomzeiten gelingt ihnen das besser. Darum ist ihr Anteil an der Temporärbelegschaft dann tiefer.
Das heisst aber auch, dass die Personaldienstleister diesen «target groups» gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten Arbeitsmöglichkeiten bieten, die sie anderswo am regulären Arbeitsmarkt nur schwerlich finden würden. Nicht der «target group» angehörende Personen arbeiten vermutlich vor allem in den Boomzeiten temporär, wenn es einfacher ist, den gewünschten Ferien- und Studienjob zu finden. Denn auch Temporärjobs gibt es in Boomzeiten mehr als während Rezessionsphasen. Darum ist deren Anteil an der Temporärbelegschaft in Boomzeiten grösser.

Quellen:

  • (1)  
ECORYS (2009). Agency workers on the move. The composition of the agency worker population in good times and bad. Studie im Auftrag des Niederländischen Verbandes der Personaldienstleister ABU. 
www.ecorys.com, www.abu.nl
  • (2)  
D. Scheele et al. (2008). Werk en inkomsten na massaontslag (Work and income after mass layoffs). WWR/CBS, Amsterdam University Press.
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Myra Fischer Rosinger

Myra Fischer-Rosinger ist Direktorin von swissstaffing, dem Branchenverband der Personaldienstleister. Die Politologin und Volkswirtschaftlerin prägt die Entwicklung von swissstaffing seit 2006. Massgeblich beteiligt war sie an der Einführung des Gesamtarbeitsvertrags Personalverleih, der seit 2012 in Kraft ist. Im Branchenverband swissstaffing sind 300 schweizerische Personaldienstleister organisiert. Der Arbeitgeberverband ist Kompetenz- und Servicezentrum für die Temporärbranche und vertritt die Anliegen seiner Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. www.swissstaffing.ch

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