Outplacement

Die Suche nach einem Job beginnt bei der Suche nach den eigenen Werten

Nach einer Kündigung ist das Selbstvertrauen bei vielen Menschen angeknackst. Helfen kann in einem solchen Fall eine professionelle Outplacement-Beratung. Dabei muss sich die betroffene Person auch überlegen, ob ein genereller Wechsel der Richtung nicht auch eine Möglichkeit ist, wieder ins Berufsleben einzusteigen.
 

An ihre Kündigung erinnert sich Ruth Hählen noch sehr genau: «Das war an einem Donnerstag. Gegen 14 Uhr rief mich der Abteilungsleiter an und bat mich, eine Stunde später in sein Büro zu kommen. Ich dachte mir zuerst überhaupt nichts dabei. Aber als ich dann in sein Büro kam und die Mitarbeiterin der Personalabteilung sitzen sah, schoss es mir wie ein Blitz durch den Kopf: Die wollen meine Kündigung aussprechen.»

Eine Kündigung ist keine schöne Angelegenheit – egal ob sie sich abzeichnet oder aus heiterem Himmel kommt. Die Betroffenen sind meist vor den Kopf gestossen: «Ich habe das im ersten Moment gar nicht begriffen. Es gab ja keine Anzeichen, dass mich das Unternehmen nicht mehr braucht», erinnert sich die Grafikerin.

Outplacement ist sicher 
keine Stellenvermittlung

Vorgesetzte und HR können lediglich ver
suchen, die Folgen für die Betroffenen abzufedern, damit diese in kein allzu tiefes Loch fallen. Im Fall von Ruth Hählen bot ihr das Unternehmen an, eine Outplacement-Be
ratung in Anspruch zu nehmen.

Damit konnte sie zunächst wenig anfangen: «Ich wusste gar nicht, was mich dort erwartet, und hatte mir ganz naiv eine Stellenvermittlung darunter vorgestellt.»

Doch das sei Outplacement schon einmal sicher nicht, erklärt Miriam Petrachi, Beraterin bei den Outplacement-Experten von Grass und Partner AG. Sie war es, die Ruth Hählen während des Prozesses begleitet hatte. Sechs Monate lang trafen sich die beiden einmal pro Woche für je eine Stunde und arbeiteten daran, die Kandidatin wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen.

«Ich war fast 17 Jahre lang in der gleichen Position und wusste gar nicht mehr, wie man überhaupt einen Lebenslauf schreibt», erinnert sich Hählen. «Noch viel weniger, wie man ein Vorstellungsgespräch führt.»
Für die Kandidaten von Petrachi ist das eine der grössten Herausforderungen: «Die Menschen sind einfach nicht gewohnt, sich zu 
verkaufen, und daran wird während dieses  Prozesses gearbeitet.» So sei es besonders wichtig, erst einmal zu lernen, sich selber 
einzuschätzen und zu reflektieren. «Viele über- oder unterschätzen sich, weil sie sich bis 
anhin wenig oder keine Gedanken über sich selbst gemacht haben.» Fragen wie «Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich?» müssen grundsätzlich geklärt werden, bevor überhaupt Optionen für den künftigen Weg entwickelt werden können.

Für Miriam Petrachi ist es zudem sehr wichtig, den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dass es okay ist, wo sie gerade stehen, und dass das bisher Erreichte gut ist. «Viele Menschen, die zu uns ins Outplacement 
kommen, sind am Anfang verwirrt oder niedergeschlagen, weil ihnen gerade gekündigt wurde», so Petrachi. Es gehöre also dazu, die Menschen dort abzuholen und ihnen zu 
helfen, wieder nach vorne zu blicken. Auch Hählen kennt die Ups und Downs, die mit der Arbeitslosigkeit verbunden sind. «Manchmal dachte ich, nie wieder einen Job zu finden, und dann hat mich Frau Petrachi wieder 
motiviert», freut sie sich.

Das Lebensumfeld wird zum 
Thema der Beratung

Selbstreflexion, Selbstbild, Selbsteinschätzung – die Assoziation zu psychologischer 
Beratung ist schnell da. Davon grenze sich das Outplacement jedoch klar ab, so Petrachi. «Es geht wirklich darum, die betroffene Person fit zu machen, eine Stelle zu finden, und zwar nicht unbedingt in kürzester Zeit.» In einer Krisensituation wie Arbeitslosigkeit sei es aber nun einmal fast unumgänglich, dass 
verschiedene Aspekte der Person und ihres Lebensumfelds zum Thema werden. «Pflege
bedürftige Eltern zum Beispiel, ein Partner, der ja auch von der Kündigung betroffen ist, Scheidung oder gesundheitliche Themen können dort ans Tageslicht treten und den Prozess beeinflussen», so Petrachi. «Und das alles ist wichtig, um die richtigen Ideen zu produzieren, an welcher Stelle jemand
schlussendlich glücklich sein könnte.»

Sind die grundlegenden Fragen geklärt, wird an der Präsentation des Kandidaten im Markt gearbeitet. Dazu gehört auch, die 
eigene Wirkung auf andere zu überprüfen und sich selbst zum Beispiel auch einmal in einer Videoaufnahme zu sehen. «Das war 
für mich sehr komisch, da wurden wirklich Grenzen überschritten», findet Ruth Hählen. Doch den Workshop verliess sie mit guten Inputs: «Die Beraterin hat mir empfohlen, meine Haare zu schneiden, und hat mir viele Tipps gegeben, wie ich mich besser präsentieren kann. Das war für mich ein Erfolg, den ich anders gar nicht hätte realisieren können.» Insgesamt, so die Kandidatin, sei sie viel 
sicherer im Auftreten geworden. «Ohne Outplacement hätte ich das sicher nicht so schnell geschafft.»

Mehr Input hätte sie sich bei der Portfolio-Zusammenstellung gewünscht – eine Sammlung von Arbeiten, die Grafiker bei Bewerbungen vorweisen. Doch als Grafikerin zählt Hählen nicht zur typischen Klientel der Outplacement-Beratung. Die meisten kommen aus den oberen und obersten Kaderstufen.

Nur wenige Menschen stellen ihr ganzes Berufsleben auf den Kopf

Zwischen 40 und 50 Prozent der Leute vollziehen das, was in der Outplacementbranche als «einfacher Salto» bezeichnet wird. Das 
heisst, sie wechseln entweder Job oder Branche. Nur eine kleine Menge von Leuten stellt ihr ganzes Berufsleben auf den Kopf und macht etwas komplett anderes.

«Je nach Lebensphase ist das eine Gelegenheit, sich wirklich zu hinterfragen. Ob man am richtigen Ort war oder ist und welche 
Möglichkeiten oder ungelebten Träume sonst noch vorhanden sind», findet Petrachi. Natürlich sei das auch von der finanziellen Situa
tion der Betroffenen abhängig.

Für Ruth Hählen stand von Anfang an fest, dass sie im richtigen Job steht. «Für mich kam es nicht in Frage, beruflich etwas anderes 
zu machen.» Die Branche, bisher war sie im Finanzbereich tätig, spielte für sie keine 
grössere Rolle. «Als Grafikerin kann man sich in jeder Branche wohlfühlen», lautet ihre Einschätzung. Was noch zur Diskussion stand, war der Schritt in die Selbstständigkeit. Doch so richtig warm wurde Hählen mit diesem Gedanken nicht.

Das sechsmonatige Programm endete für die Grafikerin zunächst mit einer temporären Stelle bei einem Industrie-Unternehmen. Für Petrachi ist auch die Vermittlung in eine 
solche Übergangslösung erst mal ein Erfolg. «Es ist ein Schritt weiter als zuvor, und oft 
ergibt sich die Möglichkeit, dort zu bleiben. Ausserdem bleibt man im Job», erläutert die Beraterin.

Mittlerweile hat sich der «Teilerfolg» in einen vollen Erfolg gewandelt und Ruth 
Hählen wurde fest im Unternehmen eingestellt.

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