HR und Forschung

Die Tools der Zukunft

Die Vielfalt der HR-Themen spiegelt sich in der Zahl der Lehrstühle und Institute von 
Universitäten und Fachhochschulen, die im HR forschen. Ein Einblick in aktuelle Forschungsprojekte 
und eine Übersicht über die Schwerpunkte verschiedener Hochschulen.

Fachhochschule 
Nordwestschweiz: Tools fürs Retention Management in der Pflegebranche

Regula Spaar: «Der Mangel an Pflegekräften in der Gesundheitsbranche ist ein hochbrisantes Thema. Die Gründe für die Knappheit sind vielfältig: Einer ist nebst der demographischen Entwicklung die oft zitierte kurze Berufsverweildauer. Hier setzen wir mit unserem Forschungsprojekt CaRe an. Unter der Leitung von Professorin Nathalie Amstutz Rüegger arbeite ich mit zwei weiteren Wissenschaftern seit März dieses Jahres daran, Instrumente für die HR-Abteilungen, Führungskräfte und Mitarbeiter zu entwickeln, die das Pflegepersonal motivieren sollen, ihrer Branche treu zu bleiben. Aussergewöhnlich ist dabei, dass wir im Verbund denken: Wir beziehen Spitäler, Alters- und Pflegeheime sowie die Spitex mit ein. So sollen Laufbahnen über die Institutionsgrenzen hinweg gefördert und damit die Attraktivität der Pflegeberufe erhöht werden.

Zurzeit werten wir die Ergebnisse der Befragung aus, die per Papierfragebogen oder online vom Pflegepersonal ausgefüllt wurde. Im Laufe des Projektes werden verschiedene Tools entwickelt. Dazu gehört zum Beispiel eine Führungskräfteschulung oder ein Standortbestimmungsinstrument. Dieses Instrument kann das Pflegepersonal für die persönliche Standortbestimmung, die den verschiedenen Lebensphasen Rechnung trägt, zu Hilfe nehmen. Führungskräfte können das Tool als Grundlage für Mitarbeitergespräche nutzen.

Bei der Entwicklung und Vermarktung der Tools erhalten wir Unterstützung von unseren Businesspartnern. Alle Tools sowie die Ergebnisse unserer Forschung werden im Frühling 2014 an einer eigens dafür geplanten Tagung präsentiert.

Ich arbeite gerne an diesem Projekt mit, da ich das Thema als sehr wichtig erachte, fasziniert bin von der Arbeit des Pflegepersonals und Respekt vor dessen täglicher Leistung habe.»

ETH Zürich: Bei Karriereplanung zeichnet sich ein Wandel ab

Gudela Grote: «Bisher herrscht die Meinung vor, persönliche Netzwerke müssten möglichst bunt und gross sein, damit sie im Berufsleben von Nutzen sind. Das ist einer von mehreren Punkten, die wir in unserer Studie ‹Karriereübergänge und Bedeutung sozialer Netzwerke und Vergleichsgruppen› untersuchen möchten. Zu unserem Erstaunen deuten die ersten Resultate darauf hin, dass tendenziell spezifische Netzwerke hilfreicher sind als grosse, vielseitige. Es scheint wichtig zu sein, sich genaue Vorstellungen von einer zukünftigen Tätigkeit machen zu können.

Solche Resultate aus unserer Forschung sollen später in der Praxis vor allem in Coaching-Situationen und bei der Planung von Netzwerkanlässen nützen. Unsere Stichprobe zählt rund 600 Führungspersonen, die in den vergangenen Jahren an einer längeren Managementweiterbildung teilgenommen haben. Auch haben wir Studierende bei Studienantritt und später bei Studienaustritt befragt. So ist eine grosse und komplexe Datenmenge zustande gekommen. Komplex vor allem, weil wir zusätzlich zum Netzwerkthema auch Fragen über die Bedeutung von Erfolg und die persönliche Definition von Erfolg eingebaut haben. Das sind äusserst wichtige Überlegungen für die Karriereplanung, und es zeichnet sich ein Wandel ab: Erfolg wird nicht mehr nur in erster Linie mit Geld und Aufstieg gemessen, sondern auch an persönlichen Kriterien wie Zufriedenheit und Anerkennung.

Diese Reflexion finde ich äusserst spannend. Viele ältere Arbeitnehmende blicken doch zurück und fragen sich: Was habe ich mit meinem beruflichen Engagement für mich selbst erreicht? Es ist schade, wenn Menschen ihr Arbeitsleben bei der Pensionierung frustriert beenden. Das gilt es zu verhindern.»

Fachhochschule St. Gallen: Länderübergreifendes Management 
der Generationen

Sibylle Olbert-Bock: «Hintergrund unseres trinationalen Forschungsprojektes ‹Regionenbezogenes Generationenmanagement› ist der viel diskutierte demographische Wandel. Wir übertragen die Fragestellung alternder Belegschaften auf die Euregio-Bodensee-Region, zu der wir die Ostschweiz, Vorarlberg und das Allgäu zählen. Dieses Gebiet ist für unsere Studie besonders interessant, weil es ländlich und von KMU geprägt ist. Wir untersuchen, wie attraktiv die Region für die persönliche und berufliche Entwicklung von Fach- und Führungskräften verschiedenen Alters in Industrie und IT ist. Die zentralen Fragen sind dabei,

  1. 
inwieweit in der Region die stetige Weiterentwicklung der eigenen Wissensbasis sowohl im beruflichen als auch im persönlichen Bereich gewährleistet wird,
  2. 
wie attraktiv das Umfeld zum Beispiel auch für die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner von Arbeitnehmenden ist und
  3. 
ob die Region als Ganzes in Kernbranchen eine spezifische Wissensbasis ausbilden kann, die sie für die Kompetenzträger nachhaltig attraktiv macht.

In den laufenden Befragungen werden Einschätzungen verschiedener Altersgruppen zu ihren Entwicklungs- und Karrierechancen in der Region erhoben, so unter anderem die von über 45-Jährigen. Diese Altersgruppe wird in der Praxis (Personalentwicklung der Unternehmen) wie auch der Forschung erstaunlicherweise oft vernachlässigt. Ir
rational, wenn man bedenkt, dass wir heute bis 65 arbeiten und dass auch qualifizierte Beschäftigung nach der Pensionierung oft erwünscht ist!

Bis zum Ende des Projekts im Dezember 2013 wird eine ‹Landkarte der Personalentwicklung› geschaffen, die die Stärken und Schwächen darstellt sowie mögliche Massnahmen aufzeigt. Dies alles mit Positivbeispielen.

Zudem werden nationale Besonderheiten herausgearbeitet, um einen Beitrag zur Standortförderung der Region zu leisten. Die sich heute schon abzeichnende Hypothese lautet: ‹Erfolgreiche Unternehmen vernetzen sich und arbeiten insbesondere auch im Hinblick auf die Entwicklung von Humanressourcen stärker zusammen.›»

Universität St. Gallen (HSG): Wie Burnout und Beschleunigungsfalle zusammenhängen

Sandra Kowalevski: «Das Phänomen der Beschleunigungsfalle wird an unserem Institut seit mehr als zehn Jahren erforscht. Unser Forschungsprojekt ‹Gesunde Führung, Beschleunigungsfalle und Burnout› ist als Langzeitstudie angelegt und wird in absehbarer Zeit auch nicht abgeschlossen. Im Moment arbeiten vier Doktoranden unter der Leitung von Professorin Heike Bruch an Studien zu diesem Thema. Die Grundlage für die Studien sind mehr als 700 Unternehmen. Pro Jahr kommen Daten von ca. 100 Unternehmen hinzu. Da wir auf Mitarbeiterebene Vollbefragungen durchführen und zusätzlich die Geschäftsführung und das HR-Team befragen, haben wir sehr umfassende Daten.

In meiner Doktorarbeit interessiere ich mich vor allem für den Zusammenhang zwischen Beschleunigungsfalle und Burnout, also die Beziehung zwischen einem Ausbrennen auf Ebene eines gesamten Unternehmens und dem von einzelnen Mitarbeitern. Dabei hat sich wider Erwarten gezeigt, dass in Hochleistungsorganisationen, das heisst Unternehmen, die sich durch hohe Gewinnmargen und rasches Wachstum auszeichnen, die Mitarbeiter seltener unter Burnout leiden. Gleichzeitig sind solche Unternehmen weniger von der Beschleunigungsfalle betroffen. Hochleistung auf Unternehmensebene stellt also keine Gefahr für die Mitarbeiter dar. Ein gesundes Unternehmen und Hochleistung schliessen sich nicht aus, sondern ganz im Gegenteil: Hochleistung und eine Vermeidung von Burnout gehen Hand in Hand. Das Entscheidende dabei ist ein Wechsel von Phasen der Hochleistung und der Regeneration.

Weiter hat sich gezeigt, dass Handlungsspielraum ein wichtiger Faktor ist, um Burnout zu vermeiden. Unsere Ergebnisse veröffentlichen wir in wissenschaftlichen und praxisorientierten Artikeln und geben sie in Workshops und Beratungsgesprächen direkt weiter. Für diesen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis wurde das Spin-off 
Energy Factory unseres Instituts gegründet, das interessierten Unternehmen vielfältige Beratungsdienstleistungen anbietet. Es hat sich nämlich in der Vergangenheit gezeigt, dass im Bereich psychische Gesundheit in 
Unternehmen zwar viel geforscht, aber eher wenig in die Praxis umgesetzt wird.»

Laufende Forschungsprojekte – eine Auswahl

Fachhochschule St. Gallen, Institut für Qualitätsmanagement 
und angewandte Betriebswirtschaft, Kompetenzzentrum 
«Leadership und Personalmanagement»

Forschungsschwerpunkte:
Ageing Workforce und Generationen-Management; Talentmanagement / Karriere; Entwicklung organisationaler, relationaler und individueller Kompetenz und Lernen

Laufende Projekte:

  • Strategische Personalentwicklung in KMU-Netzwerken – Entwicklung von unternehmensübergreifenden Lösungen des Talentmanagements
  • 
RegGen – Trinationales Regionenbezogenes Generationenmanagement
  • 
Karrierekonzeptionen von Frauen und Männern zu verschiedenen Zeitpunkten des Berufsalters
  • 
Implementierung umfassender Managementsysteme
  • 
Herausforderungen und Potenziale alternder Belegschaften im Hinblick auf Arbeitsorganisation und Management
  • 
Nachhaltiger Umgang mit Humanressourcen und nachhaltiges HRM

ETH Zürich, Forschungsgruppe Organisation, Arbeit, Technologie

Forschungsschwerpunkte:
Umgang mit Unsicherheit auf individueller und organisationaler Ebene / Arbeitsflexibilisierung (Fokus auf Karriereübergänge, sich wandelnde psychologische Verträge und parallele Veränderungen in den Karriereorientierungen)

Laufende Projekte:

  • 
Karriereübergänge und Bedeutung sozialer Netzwerke und Vergleichsgruppen
  • 
Schweizer HR-Barometer (in Zusammenarbeit mit der Uni Zürich)
  • 
Verschiedene Projekte mit HR-Bezügen: Entwicklung und Validierung eines Trainings für Führung und Zusammenarbeit in medizinischen Teams am Universitätsspital Zürich, Unterstützung von Zusammenarbeit und Projektmanagement in Softwareentwicklungsteams (in Zusammenarbeit mit Softwareherstellern), Einführung und Begleitung flexibler Arbeitsformen (in Zusammenarbeit mit Microsoft)

Universität St. Gallen, 
Institut für Führung und Personalmanagement

Forschungsschwerpunkte:
Leadership; Corporate Governance

Laufende Projekte:

  • 
Organizational Energy; Gesunde Führung – Beschleunigungsfalle – Burnout
  • 
Arbeitgeberattraktivität – Top Job
  • 
Generational Leadership – Wege der Führung im demographischen Wandel
  • 
International HRM (Schweizer Vertreter der Cranet-Umfrage)

Fachhochschule Nordwestschweiz, 
Institut für Personalmanagement und Organisation

Forschungsschwerpunkte:
Mitarbeiterführung; Change Management; Personalmanagement; Diversity- und Gendermanagement

Laufende Projekte:

  • Betriebliche Gesundheitsförderung - Generationsmanagement
  • 
CaRe – Laufbahnentwicklung und Retention Management in der Pflege im Kooperationsverbund von Spitälern, Alters- und Pflegeheimen und Spitex
  • 
Change Management im Bildungssystem
  • 
Die Situation des Mittelbaus an Fachhochschulen
  • 
Gesund und fit im Industriewerk SBB

Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), Zentrum Human Capital Management

Forschungsschwerpunkte:
Gestaltungsmöglichkeiten, Best Practices, Wirkungsmechanismen und Wirkungsbeiträge des Human Capital Management

Laufende Projekte:

  • Optimierung der Steuerungsmechanismen in Unternehmen
  • 
Definition von neuen HR-Berufsbildern für die eidgenössische 
Fachprüfung

Universität Bern, Institut für Organisation und Personal

Forschungsschwerpunkte:
HRM in Familienunternehmen; Führung in Familienunternehmen; verhaltensökonomische Ansätze des HRM

Laufende Projekte:

  • Entlohnungsstrukturen für Mitglieder in Kontrollgremien (Aufsichtsrat, Beirat) von Familienunternehmen
  • 
Monetäre Anreizgestaltung in Start-ups
  • 
Referenzpunktabhängiges Entscheidungsverhalten
  • 
Gerechtigkeit und HRM

Universität Zürich, Institut für Betriebswirtschaftslehre – 
Human Resource Management

Forschungsschwerpunkte:
Zurzeit gibt es noch keine klar definierten Forschungsschwerpunkte, 
sie sollen aber eingeführt werden.

Laufende Projekte:

  • Effects of being passed over for promotion on deviant workplace behaviour
  • 
Economics of Trust
  • 
Information Systems and Human Resource Management
  • 
Innovatives Personalkonzept für Exportförderung in China
  • 
Talentmanagement
  • 
Schweizer HR-Barometer (in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich)

 

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