«Die Vorstellungen über die Wirkung von Diversity sind teilweise sehr naiv»
Diversity in Teams bringe für das Unternehmen nur dann einen Nutzen, wenn das Team keine Routineaufgaben erledigen muss, so Bertolt Meyer, Oberassistent am Lehrstuhl in Sozialpsychologie an der Universität Zürich. Auch sonst gibt es noch einiges zu beachten, um aus einem diversen auch ein erfolgreiches Team zu machen.
Bertold Meyer. (Foto: Sabine Schritt)
Diversity oder Ähnlichkeit? Was ist besser?
Bertolt Meyer: Da bekommen Sie von mir die typische Wissenschaftlerantwort: Es kommt darauf an.
Worauf denn?
Auf drei Dinge: erstens, wie divers Gruppen tatsächlich sind – also aufgrund ihrer numerischen Zusammensetzung: Wie viele Männer, wie viele Frauen, wie sind die Alters- und die beruflichen Unterschiede. Das Zweite ist die Wahrnehmung der Diversität durch die Teammitglieder, denn diese können Unterschiedlichkeit ganz verschieden bewerten. Wenn sie negativ bewertet wird und sich im schlimmsten Fall Subgruppen innerhalb des Teams bilden, kann das zu Konflikten führen und die Teamleistung sinkt. Das alles kann drittens durch die Verteilung der Diversität im Team begünstigt oder erschwert werden.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Nehmen Sie zwei Subgruppen im Team: die eine besteht aus jungen amerikanischen Frauen, die Psychologie studiert haben, die andere aus älteren Schweizer Männern, die Ingenieure sind. Das führt zu einer Trennungslinie innerhalb des Teams, die den Informationsaustausch behindert und so die Leistung senkt.
Und mit diesen Parametern lässt sich die Leistung eines Teams vorhersagen?
Wir konnten in Untersuchungen 30 Prozent der Unterschiedlichkeit bei den Teamleistungen prognostizieren. Wir gehen davon aus, dass die drei Parameter Diversität, Wahrnehmung und Verteilung gemeinsam über die Kommunikation auf die Leistung wirken. Also nicht direkt, sondern über den Austausch.
Können Unternehmen die Wahrnehmung ihrer Mitarbeiter zum Thema Diversität vor der Einstellung einschätzen oder später noch beeinflussen?
Absolut. Zum Teil findet dort auch eine Selbstselektion statt. Ein Unternehmen, das seine Diversity-Strategie bereits nach aussen kommuniziert, wird wahrscheinlich Bewerber haben, die von Vielfalt überzeugt sind. Und dann können die positiven Aspekte der Diversität zum Tragen kommen; nämlich unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven, unterschiedliche Erfahrungshintergründe, mehr und kreative Lösungen für Probleme und daraus resultierend bessere Teamleis- tungen. Ausserdem sind die Einstellungen der Mitarbeiter nicht in Stein gemeisselt und lassen sich durchaus mit Trainings verändern.
Hat jede Form der Zusammensetzung ihre eigenen Vorteile?
Bis vor ein paar Jahren hatte die Forschung eine sehr geradlinige Sicht auf die Dinge. Da hiess es: wenn Gruppenmitglieder demografisch ähnlich sind – also in Bezug auf Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit –, ist das gut. Gleichzeitig sollten sie aber bei den nicht sichtbaren Dimensionen wie Ausbildung oder beruflichem Hintergrund möglichst unterschiedlich sein. Damit sollte das Team mehr kognitive Ressourcen haben, um Probleme zu lösen. Also augenscheinliche Homogenität gut, Wissensheterogenität gut. Seit ein paar Jahren sind daran aber starke Zweifel aufgekommen.
Wie hat sich diese Sichtweise inzwischen geändert?
Die Diversitätsforschung befindet sich momentan im Umbruch. 2004 gab es zwei Studien, welche die Ergebnisse aller bisherigen Studien aggregiert und überprüft haben. Da kam heraus, dass die bisherige Sichtweise nicht belegbar ist: Die Studien zeigten mal positive und mal negative Effekte für Alters- und Wissensheterogenität. Wir versuchen das Durcheinander jetzt mit dem Modell zu ordnen, das ich eingangs beschrieben habe. Es besteht in der Fachwelt die Hoffnung, dass Diversität, und zwar jede Form, potenziell Vorteile hat, diese aber nur zum Tragen kommen, wenn die gleichzeitigen Risiken nicht zum Tragen kommen.
Wie kann man die Risiken mindern?
Erstens sollte man die angesprochenen Gräben innerhalb der Teams tunlichst vermeiden. Zum anderen sollte die Aufmerksamkeit nicht auf die Unterschiede im Team gerichtet werden: Wenn also das Motto gelebt wird: «Wir sind zwar unterschiedlich, aber darum geht’s hier nicht», kann das helfen, die Risiken zu senken. Werden Subgruppen im Team (zum Beispiel «Das habt ihr Schweizer uns Deutschen voraus») hingegen oft betont, wirkt das eher negativ.
Es müssen also vor allem die Führungskräfte sensibilisiert werden?
Es gibt erst zwei Studien, die dies so explizit untersucht haben, aber es steht ausser Frage, dass Führungskräfte einen Einfluss darauf haben, ob Diversität in ihren Teams etwas Positives oder etwas Negatives ist.
Ist das den Unternehmen klar?
Zum Teil herrschen sehr naive Vorstellungen darüber, wie Diversity wirkt: Einfach ein bisschen bunt und dann ist die Leistung besser. Doch so einfach ist es eben nicht.
Kann zu viel gewollte Diversität auch Schaden anrichten?
Diversity bringt nur dann einen Nutzen, wenn das Team keine Routineaufgaben zu erledigen hat und wenn Kreativität gefragt ist. Ist das nicht der Fall, hat Heterogenität entweder keine oder sogar eine negative Wirkung.
Wenn Sie selbst ein Team zusammensetzen müssten, worauf würden Sie achten?
Zuerst einmal auf die Kompetenz – ohne die nützt mir die ganze Diversität nichts. Dann würde ich die Einstellung gegenüber Diversität mit einem Fragebogen oder über den Lebenslauf überprüfen. Weiter würde ich darauf achten, dass die Teammitglieder vom Hintergrund heterogen sind und unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen mitbringen. Und ich würde auf ein geschlechterdiverses Team achten – wenn das Verhältnis ausgewogen ist, führt das zu besonders hohen Leistungen.
Woran liegt das?
Wenn nur wenige oder im schlimmsten Fall nur eine Frau in einem Team ist, führt das dazu, dass der Geschlechterunterschied sichtbar wird. Wenn es von einer Sorte nur wenige gibt, wird die Sorte eher wahrgenommen – in diesem Fall das Geschlecht. Dann werden automatisch Stereotype aktiviert, ob Sie wollen oder nicht. Und das führt in der Regel dazu, dass Informationen, welche das Stereotyp unterstützen, besonders stark wahrgenommen werden. Damit wird die Frau schlechter bewertet, muss sich mehr anstrengen und hat Stress. Und dieser führt dann paradoxerweise dazu, dass die Leistung tatsächlich sinkt.
Es geht hier also um eine selbsterfüllende Prophezeiung?
Ja, es gibt über 100 Studien, die das bewiesen haben. Auch in einem Assessment-Center hängt das Abschneiden der Frauen zu einem gewissen Teil davon ab, wie viele Männer um sie herum sitzen.
Neigen Menschen dazu, Mitarbeiter zu rekrutieren, die Ihnen ähnlich sind?
Zu einem gewissen Grad ja. Auf der anderen Seite wird die Einstellung gegenüber andersartigen in dem Masse besser, in dem man Kontakt zu ihnen hatte. Das heisst, wenn Sie als Personaler selbst Kontakt mit vielen unterschiedlichen Menschen hatten oder haben, dann führt das dazu, dass Sie eine positive Einstellung gegenüber Menschen entwickeln, die nicht so sind wie Sie. Deswegen wäre es sicher auch clever, Personaler so auszuwählen. Aber das ist nur ein These …
Wie unterscheiden sich die Teams hinsichtlich der Führung?
Heterogene Teams verlangen ihren Führungskräften sicher mehr ab. Es kann in diversen Teams auch leichter zu Konflikten kommen. Führungskräfte brauchen dann also vor allem Kompetenzen im Konfliktmanagement.
Die Leistung steht und fällt also mit der Kommunikation und der Führung?
Mit der Kommunikation auf jeden Fall, mit der Führung höchstwahrscheinlich. Wobei es bei der Kommunikation nicht darum geht, einfach viel miteinander zu reden, sondern darum, einander gut zuzuhören und so Informationen viel tiefer zu verarbeiten. Im besten Fall führt das dazu, dass sich jeder Mitarbeiter mit den Ideen der anderen auseinandersetzt, eigene Ideen hinterfragt und alle zusammen zu einer besseren Lösung kommen.
Gibt es generell einen Trend, dass sich Unternehmen mit diesem Thema auseinandersetzen?
Das müssen sie ja fast. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes führt zwangsläufig zu mehr Heterogenität, dem können sich die Unternehmen ohnehin nicht entziehen.
Sind alle Gräben überbrückbar oder ist es im Zweifel besser, das Team neu zu konstruieren?
Das hängt von der Art der Konflikte ab. Bei einem Beziehungskonflikt, der auf persönlichen Antipathien basiert, ist es manchmal nicht möglich, diesen zu lösen.
Das können Unternehmen kaum vorher- sagen ...
Natürlich nicht. Deswegen ist Diversität auch immer Risiko und Chance zugleich.
Bertold Meyer
studierte Psychologie und BWL in Hamburg und Berlin und arbeitete unter anderem bei KPMG und DaimlerChrysler Services. Seine Promotion zu Wissensmanagement und Wissensheterogenität in Gruppen wurde von der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert. Seit September 2007 ist er Oberassistent in Sozialpsychologie an der Universität Zürich. Dort habilitiert Meyer zu Diversity und Stereotypen in Gruppen.