Digitalisierung: Darum sollten Sie im Bus vorn sitzen
Im Bus kann man vorne oder hinten sitzen. Hinten wird einem meistens schlecht, weil man herumgeschüttelt wird. Wer vorne sitzt, hat den Überblick, sieht, wo es langgeht, und ist dem Ziel immer etwas näher als alle anderen im Bus. Weshalb tut sich HR mit der digitalen Transformation so schwer? Warum sitzen die Personaler eigentlich immer hinten im Bus?
In der digitalen Transformation wird HR vorne dringend gebraucht. (Bild: zVg)
Vorne sitzen! Ja genau. Aber wo ist denn vorne? Gerade im HR wimmelt es von Anbietern, die einen Platz in der vordersten Sitzreihe des Digitalisierungsbusses versprechen.
«Wir lösen Ihre Rekrutierungsprobleme – alle! Wir machen Social Media einfach für Sie! Machen Sie bei uns mit, weil wir Ihre Firma endlich auch auf Youtube bringen! Wir haben eine App für alle Mitarbeitenden!» So werden Sie täglich bestürmt. Und irgendwann geben Sie dann nach. Weil Sie einfach nicht um das «D»-Wort herumkommen. Weil ja auch Ihre Geschäftsleitung etwas Digitalisierung wünscht. Das ist modern und zeitgemäss.
Reiseziel festlegen
Dann sitzt man da mit seinen schicken Tools und hat diesen Tesla-Flash. Irgendwie neu, irgendwie cool und irgendwie hip. Aber wo man hinfahren will – das muss man immer noch selber entscheiden. Digitalisierung schützt nicht vor Strategie. Auch wenn Sie bei den ersten waren, die ein digitales Werkzeug in den Händen hielten.
Wer vorne sitzen will, muss Verantwortung übernehmen. Eine Reisegruppe und ein Reiseziel bestimmen. Vorher macht Losfahren keinen Sinn. Welche strategischen Ziele verfolgen wir im HR? Was sind unsere Zielgruppen? Wie kann uns die Digitalisierung helfen, diese Strategie schneller umzusetzen? Welche Prozesse können wir neu denken? Welche braucht es nicht mehr?
Erste Fahrversuche
Gehen Sie mit Ihrem Bus auf übersichtliches Gelände. Wer am Steuer sitzen will, muss Vorbild sein. Dinge selber ausprobiert haben. Wenn wir im HR nicht selber vorangehen, wer dann? Ansatzpunkte gibt es viele. Digitale Transformation beginnt oft nicht mit der Evaluation einer neuen Software, sondern klein und kreativ.
Ein Kunde von uns hat ein digitales Kanban Board eingerichtet, indem er Webcams aufgestellt hat, die dem Lieferanten regelmässig Bilder des Lagerstandes liefern: Gelber Zettel heisst liefern, roter Zettel heisst dringender Bedarf und bei Grün ist alles gut. Das ist eigentlich digitales Pfahlbauertum, aber extrem pragmatisch und hoch effizient. Einmal mehr gilt: Wer gross herauskommen will, muss klein anfangen.
Gas geben
Nehmen Sie Fahrt auf. Nutzen Sie Ihre Personaldaten für proaktive Personalplanung. Oft höre ich: «Unsere Daten sind überall verzettelt und werden nicht richtig erhoben. Wir haben nichts Brauchbares!» Die Digitalisierung beginnt mit Strichlisten und Excel.
Mühsam heisst nicht unwirksam. Und kümmern Sie sich bitte darum, Ballast abzuwerfen. Gehen Sie dem Papier an den Kragen. Ersetzen Sie internen Mailverkehr durch gescheitere Tools. Wer die meisten internen E-Mails schreibt, muss Ende Monat für die Abteilung analoge Gipfeli bringen. Einen CV einzufordern, macht in Zeiten von Xing und Linkedin wenig Sinn. Kommt der Vorschlag für das Outsourcing der Lohnbuchhaltung von Ihnen oder warten Sie, bis der CFO Sie unter Druck setzt?
Fahrgäste (unter)halten
Digitale Transformation heisst, Prozesse umstülpen, Organisationsformen neu denken, bewährte Wertschöpfungsketten hinterfragen. Wie würde wohl ein junges Start-up die Aufgaben in Ihrer Abteilung bewältigen? Mit einem halb so grossen Budget und Team?
Einen neuen Weg einzuschlagen, macht Angst. Sie können einfach an der Haltestelle stehen bleiben, weil Sie sich davor fürchten, sich zu verfahren. Immerhin eine Gewissheit haben Sie dann: Sie werden zu spät am Ziel ankommen.
Sie können aber auch losfahren mit dem Bewusstsein, dass Sie den richtigen Weg vielleicht nicht auf Anhieb finden. Transparent informiert ist das den Fahrgästen lieber, als wenn sie irgendwann das Gefühl bekommen, im falschen Bus zu sitzen. Bekanntlich verlassen dann die wichtigsten Fahrgäste den Bus zuerst.
Fahrstunden nehmen
Denken Sie über Funktionen und Hierarchien hinweg und holen sie sich die besten Leute nach vorne in den Führerstand. Holen Sie sich Hilfe von aussen und steigen Sie auch mal aus, um sich Orientierung zu verschaffen.
Vom Dach des Busses sieht man mehr, als wenn man nur in den Rückspiegel schaut. Gehen Sie als HR-Verantwortlicher mal an eine IT-Konferenz oder besuchen Sie eine Marketingtagung. Lassen Sie sich von anderen Industrien inspirieren.
Fazit
Das «D»-Wort ist nicht böse. Und ja – das «D»-Wort wird überstrapaziert. Schliesslich sind wir mitten in einer Übergangsphase. Von der Pferdekutsche zum Autobus. Nutzen Sie die Chancen. Die hinteren Sitzreihen sind nichts für das HR.
Revolutionen werden immer von Menschen gesteuert. In der digitalen Transformation darf HR nicht hinten im Bus sitzen. Sie werden vorne dringend gebraucht.
Anleitung zur Digitalen Transformation
- Digitalisieren, Digitalisierung, Digitale Transformation – Bahnhof? Stellen Sie sicher, dass alle in Ihrem Unternehmen das «D»-Wort richtig verstehen. Wenn Sie die gleiche Sprache sprechen, wird das modische Schlagwort schon um einiges klarer. Vorschlag: Um alle auf den gleichen Stand zu bringen, können Sie etwa Stehlunches organisieren oder Ihren Leuten Mini-Einführungen auf YouTube zur Verfügung stellen.
- Seien Sie die Veränderung. Beginnen Sie bei sich selber. In Ihrem Team und bei Ihren täglichen Herausforderungen. Was kann ich, was können wir mit digitaler Hilfe besser, schneller und einfacher machen? Welche alten Zöpfe können wir abschneiden? Fragen Sie sich etwa konkret: Wie werden bei Ihnen die ersten Bewerbungen aussortiert? Werden Linkedin und Xing einbezogen? Wurde beim Ablauf schon etwas digitalisiert?
- Probieren geht über studieren. Suchen Sie sich einen Prozess aus, den Sie digitalisieren wollen und machen sie es einfach. Ohne grossen Lärm, ohne grosse Projektorgansiation. Zum Beispiel so: Senden Sie Ihren Bewerbern, die die erste Hürde geschafft haben eine «Survey Monkey»-Umfrage, um sie noch besser kennenzulernen – oder setzen Sie mal Whatsapp in der Kandidatenkommunikation ein.
- Machen Sie Fehler – möglichst gute. Irgendetwas funktioniert sicher nicht so, wie Sie sich das wünschen. Deshalb: Nachbessern, nicht aufgeben. Google weiss viel, wenn es darum geht, kreative Lösungen zu finden. Beispiel: Sie dürfen nicht einfach so Geld für noch ein Online-Tool ausgeben? Es gibt auch Gratis-Tools – zum Beispiel für Umfragen.
- Suchen Sie Verbündete. Klappt es? Dann können Sie jetzt allen anderen in Ihrem Unternehmen sagen, wie, was und ganz wichtig: warum. Zum Beispiel so: Die besten Umfrageantworten stellen Sie bei der nächsten Gelegenheit der Linie vor.
- Hinterfragen Sie. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Start-up und würden den Auftrag bekommen eine Auswahl von HR Prozessen neu zu erfinden. Was würden Sie tun? Welche dieser Lösungsansätze können Sie heute schon realisieren? Zum Beispiel: Weshalb noch CVs einverlangen? Es gibt doch Xing und Linkedin
- Delegieren Sie. Stellen Sie sich vor, Sie wären Finanzchef oder COO und müssen das HR auslagern oder ganz abschaffen. Welche Aufgaben könnten von gescheiter Software übernommen werden? Können Sie und Ihr Team Dinge schon in diese Richtung realisieren, bevor Sie dazu aufgefordert werden? Überlegen Sie sich: Welche Rolle spielt HR überhaupt noch im Rekrutierungsprozess? Kann man nicht die meisten Dinge mit wenig Aufwand an die Linie delegieren?
- Forschung betreiben. Abonnieren Sie Newsletter und Blogs von Zukunftsforschern, die sich schwergewichtig mit der Arbeitswelt der Zukunft befassen. Gehen Sie mit Ihrem Team auf eine Digitalisierungsexkursion und schauen Sie auch in andere Fachgebiete und Firmen hinein, die heute schon weiter sind in der Digitalisierung. Fragen Sie sich: Welche Ideen inspirieren uns? Wie kann man das auf einen Prozess wie Rekrutierung übertragen?