Disrupt your culture: 5 aussergewöhnliche Hacks
«Culture eats strategy for breakfast» – ein bekannter Ausspruch, der gerne Peter Drucker zugeschrieben wird. Dass er das nie so gesagt hat, zeigt die Macht von Kultur. Wenn genug Menschen an etwas glauben, dann wird es schon stimmen, oder?
Culture-Hacks wirken und der Aufwand ist meist gering. (Bild: iStock)
Inhaltlich stimmt der Satz, wer auch immer ihn ausgesprochen hat. Wie leicht die Kultur das ausgeklügelte, strategische Vorhaben zum Frühstück verspeist, erleben wir täglich: Gute Vorsätze verpuffen, Zustimmung erweist sich als oberflächlich und «irgendetwas» sorgt dafür, dass nicht das passiert, was eigentlich passieren sollte.
Kultur ist mächtig. Sie ist Herz, Verstand und Seele einer Organisation. Sie bestimmt, wie die Organisation wahrgenommen wird, wie sie denkt und fühlt – und konsequenterweise auch handelt. Kultur ist Informationsfilter und Interpretationshilfe. Sie schafft eine Wirklichkeit, an die Menschen eines sozialen Systems glauben, um sie nicht mehr hinterfragen zu müssen.
Wesentliches Element des Konstruktionsprozesses dieser Wirklichkeit ist die Habitualisierung: Handlungen, die sich bewährt haben, werden wiederholt und so zur Gewohnheit. Das spart viele geistige Ressourcen. Wir könnten gar nicht existieren, wenn wir jede einzelne Handlung jedes Mal erneut hinterfragen müssten. Übernehmen andere diese Handlungen, breiten sich die «Wahrheiten» aus. Eine solche institutionalisierte Wirklichkeit ist die Grundlage jeder sozialen Ordnung. Sie gibt den Menschen Routine und Sicherheit, der Zusammenarbeit gibt sie Verlässlichkeit. Erfahrung gräbt Spurrillen ins Gehirn und in die Unternehmenskultur. Eigentlich ein positiver Effekt, birgt dieser auch eine Gefahr: Denn wer immer den gleichen Weg geht, erlebt wenig Neues. Irgendwann graben sich die Spuren so tief ein, dass man kaum mehr nach links oder rechts blickt.
Nicht warten – starten
«Kulturentwicklung braucht Zeit. Die Strategie können wir recht schnell ändern, aber die Veränderung unserer Kultur braucht Jahre.» Eine weit verbreitete Annahme – und ebenso gefährlich, denn sie verleitet zum Zögern. Dabei gibt es keinen Grund zu warten. Es mag seine Zeit brauchen, bis genug Spuren gesetzt sind, um dadurch den für alle einladenden neuen Weg zu zeichnen. Aber Leader, die das tun, werden ihre Follower finden. Und es entsteht eine Bewegung, die den neuen Weg definiert.
Dabei sollte sich wirkungsvolle Kulturentwicklung vor allem nicht auf Massnahmen beschränken. Im besten Fall wirken sie systemverändernd, ganzheitlich und nachhaltig. Dementsprechend kosten sie meist auch viel Aufwand und Geld. Hacks folgen einer anderen Logik: Es sind kleine Impulse, die aber in ihrer Wirkung emotionalisieren und unmittelbar spürbar sind. Gute Hacks sind sichtbar – man spricht darüber. Sie kosten wenig, nicht einmal besonders viel Zeit. Man braucht dafür keine HR-Abteilung und kein umfangreiches Projektmanagement. Was man braucht, ist Mut. Denn gute Hacks irritieren bestehende Gewohnheiten. Es sind Musterbrüche. Hier eine Auswahl an erfolgreichen Hacks, die mir in den letzten Jahren begegnet sind:
Hack 1 #JustDUit!
Du-Kultur oder nicht? In traditionellen Unternehmen ein Thema, das besonders oft und emotional diskutiert wird. Häufig ist es das mittlere Management, das dem befürchteten Hierarchie- und Statusverlust skeptisch entgegenblickt. Es gibt Beispiele, in denen die Du-Kultur von ganz oben angeordnet wurde. Es gibt aber auch Beispiele, in denen die Sie-Kultur ganz einfach von unten gehackt wurde – wie in einem grossen deutschen Industrie-Unternehmen: Dort hatte ein Mitarbeitender damit begonnen, Hashtags à la #JustDUit oder «Gerne per Du» in seiner E-Mail-Signatur und im Intranet-Profil anzubringen. Was zu Beginn irritierte, fand schnell weitere «Hacker». Immer mehr schlossen sich der Du-Bewegung an. Immer grösser wurde der Druck auf die Sie-Bewahrer, mitzuziehen. Irgendwann waren die Siezer in der Minderheit, kurze Zeit später ganz verschwunden. Die Kultur hatte sich geändert – ausgehend von einem Hack.
Hack 2 #GehSpräche
Ein Manager beklagte den Mangel an Empathie und persönlicher Nähe in seiner Organisation – obwohl die Menschen viel Zeit in gemeinsamen Sitzungen verbringen und eigentlich die Möglichkeit hätten, bessere Beziehungen aufzubauen. Inspiriert von einem Bericht über Steve Jobs fasste er den Beschluss, die Kultur über Geh-Spräche zu hacken. Steve Jobs war bekannt dafür, wichtige Gespräche nicht im Office, sondern bei einem Spaziergang zu führen. Kurzerhand war der Hack geboren: Der Manager hinterlegte bei den Outlook-Meeting-Einladungen neben den Sitzungszimmern auch Spaziergang-Routen. Mit einem Klick konnte man anstatt der üblichen Sitzung auch ein Geh-Spräch buchen. Das Angebot wurde begeistert angenommen. Der Hack veränderte nicht nur die Sitzungskultur, sondern vor allem die Qualität der Gesprächsergebnisse.
Hack 3 #VierGewinnt
Apropos Sitzungskultur. Eine Abteilungsleiterin beschloss, der ausufernden Sitzungskultur in ihrer Organisation Einhalt zu gebieten. Sie erlaubte nur noch maximal vier Personen im Sitzungszimmer. Ein Schild am Sitzungsraum signalisierte, wenn dieser voll besetzt war. Wollte eine fünfte Person hinein, musste zuerst jemand den Raum verlassen. So besagte es die Hack-Regel.
Hack 4 #UnglaublicheKennzahlen
Was tun, wenn man das Gefühl hat, die Kultur versteht zu wenig von Markt und Kunden? Ein Manager hackte sein Umfeld damit, dass er jeden Montag eine andere unglaubliche Kennzahl für alle sichtbar im Eingangsbereich und in den Liften anbrachte. Es gab vier mögliche Erklärungen, worum es sich bei der Zahl handelt. Am Freitag folgte jeweils die Auflösung. Also diskutierte man in der Organisation neugierig die Kennzahl und was es wohl sein könnte – mal war es die Anzahl der Anfragen im Call-Center, die Zahl an neuen Lehrlingen, der NPS Score oder auch die Zahl an Nicht-Kunden, die trotz Interesse am Unternehmen nicht kaufen.
Hack 5 #TheOffer
Mit «The Offer» ging Tony Hsieh, Internet-Pionier und Gründer eines Online-Schuhhändlers, in die Culture-Hacking-Geschichte ein. Nach dem Einstiegstraining und einigen Wochen im Unternehmen bot er den Neuankömmlingen eine Prämie in Höhe von 2000 Dollar an – wenn sie sofort kündigten. Tony Hsieh erklärte das Motiv dahinter so: «Wir möchten, dass nur Leute bei uns sind, die hier sein wollen und an unsere Kultur glauben. Wenn sie merken, dass sie nicht hierher passen, dann sollen sie auch nicht hier festsitzen – daher lassen wir ihnen die Wahl.» Nur sehr wenige Mitarbeiter nahmen das Angebot an. Der Grossteil wählte die langfristige Zugehörigkeit und entschied sich bewusst dafür, Teil dieser Kultur zu sein und zu bleiben.
Fazit
Anstatt sich damit abzufinden, dass die Kultur die Strategie zum Frühstück verschlingt oder darauf zu warten, dass jemand anders (z.B. die HR-Abteilung) die Kultur der Organisation endlich ändert, sollte jede und jeder den Mut haben, Impulse zu setzen, die gewohnte Muster zu brechen und neue Spuren entstehen zu lassen. Culture-Hacks wirken und der Aufwand ist meist gering. Also: Disrupt your culture 2022!