Employer Branding

Diversity: Was toll klingt, ist noch lange nicht gut umgesetzt

In der heutigen Arbeitswelt ergibt sich 
Diversity fast von selbst und beginnt bereits bei der Rekrutierung. Bloss, was fangen Unternehmen mit der heterogenen Belegschaft an? Denn noch immer wird die Verschiedenheit der Mitarbeiter nicht bewusst gemanagt – und so nicht für den Unternehmenserfolg genutzt.

Unternehmen, die wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen innovativ und kreativ sein. Dazu gehört, das eigene Blickfeld zu verlassen und sich konstruktiv mit Neuem und Anderem auseinanderzusetzen. «Neue Ideen und Prozessansätze entstehen durch eine Konfrontation mit etwas Neuem, sie entstehen in der Regel nicht, wenn ich mich mit meinesgleichen beschäftige», sagt Ursula Vranken, Leiterin des Instituts für Personalentwicklung und Arbeitsorganisation (IPA) in Köln.

Immer mehr Unternehmen würden die Chancen, die sich aus Vielfalt ergeben, sehen, aber: «Oft wird die Vielfalt zwar gerne genommen, wenn sie da ist, aber viele Unternehmen managen Diversity nicht bewusst, das findet eher zufällig statt.»

Die Finanzkrise schmälerte den 
Einsatz für die Vielfalt

Diversity ergibt sich heute fast von selbst. In der globalisierten Welt wird der Arbeitsalltag interkulturell, durch den demografischen Wandel sind die Teams mehr und mehr altersgemischt, und die Best Agers treffen auf die Digital Natives. Also auf diejenigen jungen Fachkräfte und Nachwuchsführungskräfte, die mit Multimedia gross geworden sind. Da prallen Welten aufeinander. Was aber nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Für die 
Mitarbeiter nicht und auch nicht für das Unternehmen. Entscheidend ist, wie Unternehmen diese Vielfalt managen. Sita Mazumder, Gabrielle Wanzenried und 
Nicole Burri von der Hochschule Luzern (Bereich Wirtschaft) haben in ihrem Buch «Diversity Management» einige Fallbeispiele zusammengetragen, wie sich Verschiedenheit im Unternehmensalltag leben lässt. Diversity Management toleriert nicht nur die gegebene Vielfalt, sondern hebt diese in einer positiven Wertschätzung hervor. In Unternehmen, die die Vielfalt ihrer Belegschaft bewusst managen, ist diese der Ausgangspunkt der organisationalen Gestaltung.

«Leider hat die Finanzkrise zu einer beträchtlichen Ressourcenschmälerung im Bereich Diversity Management geführt. Zwar schreiben es sich so ziemlich alle Unternehmen auf die Fahne, aber um es zu leben und nachhaltig umzusetzen, benötigt es eben Ressourcen», sagt Mazumder. Heterogenität sei nicht per se gut und förderlich, sondern nur, wenn die Unternehmen die Vielfalt proaktiv managten. «Organisationen müssen sich entscheiden, über welche Kriterien sie in welchem Grad Heterogenität suchen. Natürlich ist das nicht hundert Prozent steuerbar, aber über die Selektion und weitere Mechanismen kann Einfluss genommen werden.» Wichtig dabei sei es, die Herausforderungen zu erkennen. Das können beispielsweise kulturelle Verschiedenheiten im Umgang, sprachliche Barrieren, unterschiedliche Kommunikation der Geschlechter oder der Umgang mit behinderten Menschen sein. Hier gilt es, zu sensibilisieren und zu schulen, denn zufällige Heterogenität kann zu Reibungsverlusten bis hin 
zu chaotischen Stresszuständen führen anstatt zu Wertsteigerung.

Die Gefahr des oberflächlichen 
Informationsaustausches

Wer Vielfalt im Unternehmen gezielt fördern und nutzen will, muss also Instrumente bereitstellen. «Bei der Einbindung verschiedener Kulturen fängt es bereits bei der Sprache an», sagt Ursula Vranken. «Und man muss kulturelle Unterschiede und deren Auswirkungen auf die Zusammenarbeit thematisieren.» Hier komme es besonders auf eine sorgfältige  Kommunikation an. Solche weichen Sozialtechniken seien aber in der Krise eher abgebaut worden, bestätigt sie.

Es gab einmal eine Zeit ohne Internet und E-Mail, ohne die Möglichkeit, immer und überall Informationen abzurufen, und ohne ständig erreichbar zu sein. Ältere Mitarbeiter mögen sich noch gut daran erinnern und kommunizieren vielleicht anders als die junge Generation der Digital Natives.

In Workshops mit den Digital Natives hat Vranken die Erfahrung gemacht, dass diese mit den Medien zwar absolut 
vertraut sind und alle quantitativ zu kommunizieren scheinen. «Qualitativ unterscheidet sich das aber nicht von der generationsübergreifenden Kommunikation.» Auch die Probleme blieben die gleichen, und E-Mails und Skypemeldungen führten häufig nicht dazu, dass diese besser oder tiefer durchdrungen würden. Die Probleme werden nur anders platziert. Hinzu kommt, dass die Kommunikation in internationalen Teams in Englisch stattfindet,  wo manch einer schon Mühe hat, den Sachverhalt in der Muttersprache schriftlich klar darzulegen. Erreicht wird oft nur ein oberflächlicher Austausch von Informationen ohne Synergieeffekt. Nach zig E-Mails, die hin und her geschickt wurden, zeigt sich oft nur das Ergebnis: Ich glaube, wir müssen mal miteinander reden. 
Vranken warnt, dass es durch die Kommunikation via Facebook und Co. nur zu oberflächlichen Scheinlösungen komme und sich letztlich niemand mehr wirklich 
verantwortlich fühle.

Diversity als einen strategischen 
Wettbewerbsfaktor nutzen

«Wenn ich divers aufgestellt bin, muss ich noch mehr und noch intensiver persönlich kommunizieren», ist Vranken überzeugt. In altersgemischten Teams kann eine Personalpolitik angewandt werden, die sich nach dem jeweiligen Lebenszyklus ausrichtet. In einem Lebensabschnitt ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für den Mitarbeiter zentral, in einem anderen vielleicht die unterstützende Vorbereitung auf den Ruhestand.

Letztlich beginnt Diversity Management schon bei der Rekrutierung, was aber, so Vranken, in den Unternehmen eher noch selten Beachtung findet. Bereits hier müsse nicht nur das Individuum mit seinen Leistungen gesehen werden, sondern diese auch im Kontext kollektiver Handlungen. Durch die richtige Zusammenstellung von Vielfalt ergeben sich zum Beispiel Vorteile in der Kundenorientierung, weil ethnische, alters- oder geschlechterspezifische Bedürfnisse besser erkannt werden. Die Sicht aus verschiedenen Perspektiven ist förderlich bei der 
Problemlösung. «Noch immer hat sich 
Diversity nicht als strategischer Wettbewerbsfaktor in den Köpfen verankert», sagt Vranken.

Für Sita Mazumder ist das Kriterium Alter eine der grössten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Der Generationenvertrag bewege sich in Richtung Generationenkonflikt. «Ein erfolgreiches Diversity Management ist sich dieser Herausforderung nicht nur bewusst, sondern es unterstützt mit Mentoring oder Sensibilisierung die Kommunikation und die Zusammenarbeit zwischen den Best Agers und Digital Natives. Bringen die verschiedenen Altersklassen ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Wissensstände in einem offenen Umfeld zusammen, wird so die Innovation regelmässig gesteigert.»

Unternehmen sollten sich aber nicht nur auf die wahrnehmbaren Diversity-
Dimensionen wie Alter und Nationalität konzentrieren, sondern auch auf die weniger wahrnehmbaren Merkmale. Die Persönlichkeit wird durch Erfahrungen, 
kulturelle Werte, Religion sowie durch 
Bildung, Fachkompetenz oder Hierarchie 
geprägt. Mazumder sieht in der Diversity-Debatte im Moment die Genderthematik im Vordergrund. «Der Faktor Interkulturalität wird sehr unterschiedlich je nach 
zugänglichem Arbeitsmarkt, Kunden und Ausrichtung von den Instituten aufgegriffen. Männer und Frauen sind überall, 
intern und extern, Realität.»

Diversity Management ist ein ganzheitlicher Ansatz, der sich aus der Unternehmensstrategie ableiten muss. «Wissen und Sensibilisierung im HR, aber auch in der Linie sind Voraussetzung für ein erfolgreiches Diversity Management.» Dass sämtliche HR-Prozesse frei von Diskriminierung seien und auch so gelebt werden müssten, sei dabei eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Erfolgreich wird Diversity Management im Sinne einer Wertsteigerung dann, wenn Hand in Hand mit der Linie eine entsprechende Strategie definiert und durch die Prozesse gezielt umgesetzt wird.

«Diversity-Programme flankieren diese Umsetzung idealerweise. Erst dann kann man das volle Potenzial des Humankapitals entfalten und die passenden Mitarbeitenden rekrutieren», so Mazumder.

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