Leadership

«Ein Chefsessel ist keine Beautyfarm»

Business-Coach und Psychologe Manuel Tusch hilft Führungskräften auf ihrem Weg die Karriereleiter hinauf. Im Interview mit HR Today zeigt er das Spannungsfeld, in dem sich Coach und Coachee im Talent Management bewegen.

Herr Tusch, braucht es überhaupt Coaching im Talent Management? Sollte eine künftige Führungskraft dank der ausgeklügelten Programme, die HR ihr bietet, nicht selbst wissen, wo es hingeht?

Manuel Tusch: Natürlich werden die HR-Programme stets raffinierter. Nur: Coaching an sich ist eine hochindividuelle Intervention, die durch kein Programm dieser Welt zu ersetzen ist. Je weiter sich Klienten entwickeln, je höher sie aufsteigen, desto dünner wird die Luft. Und desto grösser wird die Einsamkeit. Das mag jetzt ein wenig dramatisch klingen. Und genau so ist es auch, man spricht nur nicht unbedingt immer so offen darüber. Das hat aber zur Folge, dass die Führungskraft einen vertrauenswürdigen Ansprechpartner auf ihrem Weg braucht, der sie begleitet. Einen professionellen Coach.

Coaching hat nicht überall das beste Image. Ist es ein Eingeständnis von Schwäche, wenn man sich coachen lässt?

Naja, so schlecht ist das Image inzwischen auch nicht mehr. Früher war es tatsächlich so. Da gehörte Coaching noch fast in die Psycho-Ecke. Heute ist es eher eine Stärke zu erkennen, wo die eigenen Grenzen sind – um dann verantwortungsvoll Unterstützung zu suchen. Der Coach ist jemand, der als Reflexionspartner zur Verfügung steht, der als Experte für die Prozessstruktur dem Klienten ein gewisses Fundament bietet. Auf dem der Klient – als Experte seines subjektiven Lebensraumes – eine eigenverantwortliche Lösung aufbauen kann.

Der Coach als Schuhlöffel sozusagen?

Interessantes Bild. Wenn Sie so wollen: ja. Nur klingt Schuh danach, als gäbe es schon einen festen Rahmen. Das muss nicht immer so sein. Der Coach ist gleichzeitig ein Stück weit Schuhmacher, der gemeinsam mit dem Klienten diesen Schuh fertigt. Dem Klienten vielleicht auch manchmal den Fuss massiert. Oder ihm auf denselben tritt. Aber immer von Mensch zu Mensch.

Jetzt mal konkret: Welche Rolle spielt der Coach im Talent Management?

Dieser Punkt wird durchaus kontrovers diskutiert. Zunächst einmal müssen wir uns einigen, was Talent Management überhaupt ist. Natürlich will ich an dieser Stelle nicht das Rad neu erfinden, aber zumindest darauf hinweisen, dass nach wie vor viele Defizite und Widersprüche in der Personalpraxis existieren.

Welche Defizite und Widersprüche?

Einerseits steigt der Bedarf an Hochqualifizierten und Potenzialträgern im Unternehmen und auch die Notwendigkeit für Performance- und Förderungsdifferenzierungen, um nur einige Aspekte zu benennen. Andererseits gibt es eine grosse Unkenntnis von Kriterien zum Erkennen von Talenten und Entwicklungsbedarf sowie der Möglichkeiten zur Förderung. Oder Personalfunktionen sind dezentralisiert und zersplittert. Dann können wir es gleich lassen.

Wie sieht hier die Aufgabe des Coachs konkret aus?

Der Coach kann wunderbar einhaken in Bereichen wie Entwicklung, Bindung und Positionierung der Klienten, die ein hohes Potenzial besitzen und dem Unternehmen einen besonderen Nutzen bringen.

Und das funktioniert?

Wunderbar. Darüber hinaus gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass die grössten Probleme im Talent Management derzeit im Bereich Entwicklung bestehen. Da ist der Coach doch prädestiniert.

Besteht nicht die Gefahr, dass im Talent Management zu viele Kurse, Coachings und zu viel Weiterbildung die jungen Führungskräfte von der konkreten Arbeit abhalten?

Ein ganz klares Jein. Natürlich müssen wir aufpassen, dass das Ganze nicht zum Selbstzweck wird. Immerhin ist es auch ein schöner Markt für Trainer und Coachs. Nur: Wer hoch hinauswill, der muss auch einiges investieren. Ein Chefsessel ist keine Beautyfarm. Die Leute müssen halt vieles auch zusätzlich zur konkreten, eigentlichen Arbeit machen.

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Alexandra von Ascheraden ist freie Journalistin.

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