Ein Tag im Leben der HR-Leiterin
Seit Juni 2011 ist Stephanie Rielle Personalchefin bei der Rhätischen Bahn (RhB) und mit ihrem elfköpfigen Team für insgesamt 1400 Personen zuständig. Sie hat sich von HR Today einen Tag lang über die Schulter schauen lassen.
Stephanie Rielle und ihr Team gleisen die Mitarbeiter-Beurteilungskriterien neu auf. (Foto: Peter Fuchs)
Mittwoch, 7. März, 6.37 Uhr, Abfahrt Intercity von Zürich nach Chur
Heute fängt Stephanie Rielles Arbeitstag ausnahmsweise nicht um 7 Uhr in Chur an: Am Vorabend traf sie sich mit den Personalleiterinnen von zwei anderen Eisenbahnunternehmen zum Gedankenaustausch, übernachtete danach bei ihrem Mann in Zürich und beginnt nun ihre Arbeit im Zug: Mails beantworten, Sitzungen vorbereiten, den Entwurf für eine Bachelorarbeit über Personalcontrolling (siehe Kasten 1) lesen.
1) Bachelorarbeit zum Personalcontrolling
«Die will ich nicht verlieren!»
Zwar werden bei der RhB Kennzahlen zu Fluktuation, Absenzen etc. erhoben, doch werden diese noch nicht aktiv als Steuerungsinstrument benützt. Das soll sich laut Stephanie Rielle ändern. Perfektes Timing also, dass eine Teilzeitmitarbeiterin aus der Buchhaltung ihr Teilzeitstudium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur mit folgender Bachelorarbeit abschliessen will: «Personalcontrolling – wertschöpfungsorientierte Evaluation des Personalmanagements bei der RhB». Das Ziel: ein umsetzbares Personalcontrolling-Konzept. Und was passiert nach dem Bachelor? Rielle: «Diese Frau ist seit 1999 bei uns. Sie machte die Lehre als Bahnbetriebsdisponentin, wurde Leiterin eines Bahnhofs, war Zugbegleiterin und ist nun im Controlling tätig. Leute mit solchen Werdegängen haben es bei uns bis in die GL geschafft. Die will ich nicht verlieren!»
7.52 Uhr, Ankunft in Chur
Zwei Minuten dauert es vom Bahnhof bis zur Bahnhofstrasse 25, dem eindrücklichen RhB-Verwaltungsgebäude im Bündner Heimatstil. Nach einem Begrüssungsrundgang (die Bereichspersonalleiter sind auf drei Stockwerke verteilt) heisst die HR-Leiterin eine Lernende des KV öV willkommen, die ein Semester bei der RhB verbringen wird.
9.05 Uhr, Besprechung
Stephanie Rielle geht mit dem Leiter Controlling das Konzept für die geplante Bachelorarbeit (1) durch.
9.30 Uhr, Kaffeepause
Die Leiterin und fünf weitere Personen aus dem elfköpfigen HR-Team treffen sich bei der Kaffeemaschine. Das Gespräch reicht von den Kalorien eines Gipfelis bis hin zur Frauenquote in Unternehmen.
9.50 Uhr, Besprechung
Mit der Verantwortlichen für Weiterbildung/ Projekte diskutiert Stephanie Rielle aktuelle Themen, darunter den morgigen Pensioniertenanlass (2), Neuerungen rund ums Mitarbeitergespräch (3) und den Firmenarbeitsvertrag (4).
2) Pensioniertenanlass
Tradition vs. Tempo
Den Pensioniertenanlass besuchen nicht nur die 16 Personen, die 2011 in Rente gingen.
Es wird auch die gesamte sechsköpfige Geschäftsleitung inklusive RhB-Direktor teilnehmen. Auf dem Programm – von 8 bis 20 Uhr – stehen eine Bahnfahrt nach Poschiavo, Ehrungen, Geschenkvergaben sowie das Aufspielen der RhB-Musik: Die 15 Personen reisen ebenfalls mit nach Poschiavo. «Wir haben innerhalb der RhB spannende Widersprüche», sagt Stephanie Rielle. «Dass die GL einen ganzen Tag mit den Letztjahrespensionierten verbringt, zeigt unsere Bodenständigkeit, den Wert der Tradition. Gleichzeitig gehen wir mit grossem Tempo vorwärts: Einen GL-Workshop zu unseren Werten, aus
denen wir dann lohnbestimmende MAG-Kriterien ableiten, ziehen wir in vier Stunden durch. Andere Geschäftsleitungen wursteln an so etwas drei Tage herum.»
3) Mitarbeitergespräch (MAG)
Klarere Beurteilungskriterien
Kann eine Lokführerin überperformen? Nein, sie kann ihre Arbeit lediglich zuverlässig und sicher ausführen, denn «übersicher» und «überpünktlich» gibt es nicht. Lokführer fallen in der Regel nur auf, wenn etwas schiefläuft. Solche Themen sind Herausforderungen bei der Mitarbeiterbeurteilung. Zurzeit ist die RhB daran, ihre entsprechenden Kriterien mehr auf solche unternehmensrelevanten Punkte zu schärfen, und das Instrument für die Mitarbeiterbeurteilung zu vereinfachen. Die lohnrelevanten Beurteilungskriterien sollen letztlich von den bestehenden Unternehmenswerten abgeleitet werden, die Eckwerte fürs MAG werden in einem Workshop der GL erarbeitet. «Unsere MA-Umfrage zeigte bei manchen Mitarbeitern eine Unzufriedenheit bezüglich MAG», sagt Stephanie Rielle. «Nebst der Neugestaltung des Instruments werden daher Gesprächsführung und Rollenverständnis demnächst ein Thema bei uns sein.»
4) Firmenarbeitsvertrag (FAV)
Mehr Vaterschaftsurlaub
Zwei Wochen nach Stephanie Rielles Start bei der RhB im Juni 2011 kündigten die Sozialpartner den Firmenarbeitsvertrag. Unter anderem wegen des intransparenten Lohnsys-tems. Das Verhandeln mit Gewerkschaften war neu für die HR-Leiterin und darum zu Beginn auch harzig. «Doch inzwischen habe ich einen guten Draht zu den Sozialpartnern», so Rielle, «und soeben haben wir die erste Etappe abgeschlossen: Wir konnten den neuen FAV unterschreiben.» Jetzt geht es an die zweite Etappe, die Umsetzung. Für die Angestellten bedeutet der neue FAV zum Beispiel nur noch drei statt fünf Tage Heiratsurlaub, dafür aber fünf statt einen Tag Vaterschaftsurlaub. «Auch ist das Lohnsystem in Zukunft so transparent, dass alle Mitarbeiter aufgrund von Budget, Leistung und Lohnband wissen, wie ihre weiteren Lohnschritte aussehen», sagt Stephanie Rielle.
11.18 Uhr, Telefonbesprechung
Anruf eines externen Beraters: Die zwei Frauen sowie der – sich in einem anderen Raum befindende – stellvertretende HR-Leiter legen gemeinsam mit dem Berater die Schwerpunkte für einen GL-Workshop fest, bei dem die Parameter fürs neue Mitarbeitergespräch (3) festgelegt werden sollen.
12.07 Uhr, Mittagspause
Stephanie Rielle und eine Kollegin besorgen sich im Laden gegenüber einen Salat, sie essen mit drei weiteren Kolleginnen am runden Tisch in einem der Büros. Die Gesprächsthemen: der bevorstehende Pensioniertenanlass und der peinlichste Augenblick, den die anwesenden Frauen je erlebten.
13.00 Uhr, HR-Sitzung
Seit der letzten Sitzung der Bereichspersonalleiter sind, wegen Ferien, ausnahmsweise viereinhalb statt zwei Wochen vergangen, so dass vieles zusammengekommen ist und zweieinhalb Stunden zu diversen Traktanden (5) «gesessen» wird. Die süsse Sitzungsverpflegung bringt die Bereichspersonalleiterin Rollmaterial, die morgen ihren Geburtstag feiern kann. Von Stephanie Rielle wird sie ein Buch geschenkt bekommen (6).
5) Aktuelle Projekte
«Pragmatische Lösungen»
Zugbegleiteraustausch: Im Sommer werden Leute der RhB auf der Bahnlinie des Golden Pass auftauchen – und umgekehrt. Neben solchen (dank Uniform) sichtbaren Projekten laufen im Hintergrund die unsichtbaren Projekte ab. Das HR-Team entwickelt momentan ein spezifisches Führungskräfteentwicklungsprogramm im Bereich Bahn- und Tourismusumfeld. Stephanie Rielle wird zudem demnächst eine HR-Strategie definieren. Als Mitglied des Führungsteams (erweiterte Geschäftsleitung) nimmt die HR-Leiterin jeweils an der wöchentlichen GL-Sitzung teil. Rielle: «Der Verwaltungsrat und das Führungsteam erarbeiten gemeinsam die Unternehmensziele, wobei auch die Ziele für den Bereich HR definiert werden. Im Hinblick auf den Weg zur Zielerreichung habe ich viel Spielraum, muss aber immer auch die GL überzeugen. Gefragt sind pragmatische Lösungen mit hohem Wirkungsgrad.»
6) Die Leiterin und ihr Team
Glück auf vielen Seiten
«Möchte jemand von euch an den HR Swiss Congress?», fragt Stephanie Rielle ihr Team an der Sitzung und fügt augenzwinkernd an: «Das wäre etwas zum Kopf-Auslüften für die, die nicht so oft rauskommen aus unserem schönen Bündnerland.» Wenn es um Fachfragen geht, kommt durchaus Ernst auf, aber sonst wird oft gelacht im HR-Team der RhB. «Ich verlange viel von meinen Leuten», sagt Stephanie Rielle. «Das ist möglich, weil ich von Anfang an bei allen auf deren individuelle Stärken setzte.» Auch über die privaten Interessen weiss die HR-Leiterin Bescheid. Neben dem «offiziellen» Geschenk kauft sie für ihre Leute, wenn diese Geburtstag haben, jeweils noch ein persönliches Präsent. Soeben hat sie für eine Bereichspersonalleiterin ein Buch zum Thema Glück besorgt.
15.35 Uhr, zwischen Tür und Angel
Kurze Gespräche mit Teammitgliedern.
16.03 Uhr, Besprechung
Die Teilzeitmitarbeiterin, die ihre Bachelorarbeit zum Personalcontrolling (1) schreiben wird, geht mit Rielle und dem Leiter Controlling ihren Entwurf durch. Das weitere Vorgehen wird festgelegt, und die HR-Leiterin bietet an, sich jederzeit für einen Kaffee Zeit zu nehmen, wenn Fragen auftauchen. Auch offeriert sie der Frau ein Laufbahngespräch, denn ihrer Meinung nach könnte diese es bei der RhB noch weit bringen.
16.45 Uhr, am Computer
Die letzten zwei Stunden verbringt Rielle mit dem Beantworten von Mails, der Vorbereitung einer PeKo-Sitzung und Telefonaten.
19.00 Uhr, Feierabend
Bei einer Massage erholt sie sich von der Kopfarbeit. Stephanie Rielle beschäftigt sich in ihrer Freizeit oft mit Frauenthemen. Und so informiert sich die Vizepräsidentin des BPW (Business and Professional Women) während des restlichen Abends, was am heutigen Equal Pay Day in den BPW-Clubs lief. Sie übernachtet in ihrer Wohnung in Chur.
Video zum Thema «Herausforderungen im HR Business der Zukunft»