Einfach tun!

Statt zu handeln, belassen es viele Firmen beim Reden. Wir haben uns mit Fabian Reinhard, Managing Partner beim Softwareentwickler Seantis über Studie von Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton zum Learning Doing Gap unterhalten, mit der er sich in einem Blogbeitrag vertieft auseinandergesetzt hat.

Herr Reinhard, was hat sich bezüglich Tun statt Reden seit Erscheinen der Studie von Jeffrey Pfeffer und Robert Sutton in den letzten Jahren verändert?

Fabian Reinhard: Ob sich die Dinge seither zum Besseren verändert haben, wage ich zu bezweifeln. Interessant finde ich beispielsweise, dass in letzter Zeit alle von «agil» reden. Agile Methoden kommen ursprünglich aus der Software-Entwicklung, haben sich mittlerweile aber weit darüber hinaus verbreitet. Sie versuchen, den Entwicklungsprozess flexibler und schlanker zu machen und dadurch den Output, also das Tun, zu erhöhen.

Inwiefern stellen Sie die Tendenz zu reden, anstatt zu machen in Ihrem Umfeld und bei Ihren Kunden fest?

Bei unseren Kunden stelle ich dies überhaupt nicht fest. Wir sind eine kleine Software-Schmiede, die in sehr direkter Zusammenarbeit mit dem Kunden Lösungen entwickelt. Wer mehr Reden als Tun will, kommt nicht zu uns. In diesem Sinne findet wohl eine kundenseitige Selbst-Selektion statt.

Gut reden und sich selbst verkaufen ohne Tatbeweise zu liefern, scheint im Zeitalter des Castings tendenziell wichtiger geworden zu sein. Beispiel Recruiting Tools – ausgewählt wird, wer sich per Video besser verkauft, befördert wird, wer intern grosse Seilschaften hat, nicht der, der arbeitet und Wertschöpfung schafft. Wie nehmen Sie dies wahr?

Das ist sicher ein Problem, war es aber wohl schon immer. Ich kann nicht für andere Branchen sprechen, aber die IT hat es hier vielleicht einfacher. Wenn sich ein neuer Entwickler bei uns bewirbt, zeigt er uns möglicherweise seinen Code auf der Entwicklerplattform Github, aber sicher nicht ein Video von sich.

Wie können wir vermeiden, von «Schönrednern» geblendet zu werden?

Wie vorher erwähnt, wollen wir den Code sehen, den ein Software-Entwickler produziert hat. Nach meinem Verständnis sollte jeder Job einen Output haben. Weshalb sollte es diesen sonst brauchen? Am Output sollten wir auch die Qualitäten eines Mitarbeiters messen: den Koch an seinem feinen Essen, eine Dichterin an ihren wohlklingenden Gedichten und einen Lehrer an der Motivation und den Lernerfolgen seiner Schülerinnen.

Werden die falschen Leute angestellt? Etwa Redner mit fehlender Handlungskompetenz?

Ich denke nicht, denn es ist Teil des Systems. Wenn eine Firma «Reden» verkauft und nicht «Tun», ist dies eben Teil des Geschäftsmodells: die Kunden wissen, was sie bekommen und wofür sie bezahlen. Eine Firma, die von ihren Kunden fürs Reden bezahlt wird, stellt besser Redner ein.

Sind wir ein Volk von Selbstbeweihräuchern?

Wir nicht, aber alle anderen auch nicht. Nächste Frage bitte! :-)

Können wir uns ein Nichtstun in Zeiten der Digitalisierung leisten?

Wenn ich all das Gerede von Digitalisierung höre, fürchte ich, es wird noch schlimmer. Stattdessen sollten wir das Programmieren lernen oder darüber nachdenken, wie «Maschinelles Lernen» und vielleicht sogar künstliche Intelligenz unsere Gesellschaft grundsätzlich verändern könnten. Verstehen sie mich nicht falsch: echte Reflexion und Nachdenken ist auch Tun und das Gegenteil von Reden nur des schönen Scheins wegen.

Sind Mission Statements eine andere Art von Nichtstun? Inwiefern sind Sie überflüssig?

Mission Statements können Orientierung schaffen und sind daher sicher nicht falsch. Die Organisation und alle Mitarbeitenden müssen diese aber effektiv leben.

Wenn nichts getan und viel geredet wird (cc: Manie), hat das oft mit persönlicher Absicherung zu tun, um gut vor anderen dazustehen. Wenn man sich nicht traut, Fehler zu machen, stirbt Kreativität und Innovation. Können wir uns das leisten?

Sobald wir es uns nicht mehr leisten, wird es sich ändern. Ich vertraue auf die selbstkorrigierenden Kräfte des Marktes. Ein freier Markt belohnt Innovation und Kreativität. In einem freien Markt lohnt sich das Risiko und das ist genau der richtige Anreiz.

Inwiefern zerstören Mitarbeiterbeurteilungen die intrinsische Motivation? Sind sie ein Auslaufmodell?

Ich persönlich finde Mitarbeiterbeurteilungen falsch. Man sollte versuchen, als Team das Beste herauszuholen. Ich höre von vielen Bankangestellten, wieviel Zeit für Mitarbeiterbeurteilungen und den damit verbundenen individuellen Boni verplempert wird. Das kann für die Firma nicht gut sein und für die intrinsische Motivation der Mitarbeiter ist es ein Desaster.

Kooperation statt interner Wettbewerb. Ein Erfolgsrezept, um ins Tun zu kommen?

Kooperation und Wettbewerb schliessen sich nicht aus. Die richtige Kombination scheint mir das Erfolgsrezept zu sein.

Dezentralisierung, statt Zentralisierung: inwiefern ist der Overhead vor allem in Konzernen ein Störfaktor, um Menschen vom Reden ins Tun zu bringen?

Unbedingt mehr Dezentralisierung. Auch die Forschung zum politischen Föderalismus zeigt, dass dezentrale föderale Systeme gerade bei Innovationen zu besseren Ergebnisse führen. «Bottom up» statt «top down» schafft Räume fürs Ausprobieren und Testen – also Tun anstelle grosser Konzepte.

Was können Unternehmen tun, damit Mitarbeitende ins Tun kommen?

Die Ergebnisverantwortung und gleichzeitig den Spielraum aller Mitarbeiter stärken. Das eine geht nicht ohne das andere. Für die Software-Entwicklung wurde vor fast zwanzig Jahren das Agile Manifest proklamiert. Es besteht aus den vier «Glaubenssätzen»:

  1. Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen
  2. Funktionierende Software vor umfassender Dokumentation
  3. Zusammenarbeit mit dem Kunden vor Vertragsverhandlung
  4. Reagieren auf Veränderung vor dem Befolgen eines Plans
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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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