Flexibles Arbeiten

Entgrenzung der Arbeit – Herausforderungen fürs HRM

Die Flexibilisierung der Arbeitswelt bringt Chancen und Risiken mit sich. Vormals klare Grenzen zwischen Arbeitswelt und Privatwelt stehen zur Disposition. Der flexible Mensch ist gefragt, sich mit den neuen Herausforderungen der Arbeitswelt auseinanderzusetzen, seine Chancen zu maximieren und dabei produktiv und gesund zu bleiben.

Es ist keine rein individuelle Leistung, mit Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeit umzugehen. Das Human Resource Management interessiert sich für die nachhaltige Leistungsfähigkeit ihrer hochqualifizierten Ressourcen und muss sich deshalb in diesem Thema engagieren.

Vor Jahrzehnten war es ein seltenes Privileg im Anstellungsverhältnis offiziell anerkannte Arbeit an Orten ausserhalb der Organisation verrichten zu dürfen. Inzwischen sind die technischen Voraussetzungen für mobiles Arbeiten kostengünstig und unaufwändig realisierbar. Immer mehr  Arbeitgeber stellen mobile Endgeräte und sichere Netzwerkzugriffe ausserhalb des Betriebs zur Verfügung und unterstützen damit das Arbeiten von jedem Ort zu jeder Zeit. Ein grosser Teil der angestellten Erwerbstätigen nützt diese Möglichkeiten – sei es für ungestörtes Arbeiten, einen kurzen Mailcheck unterwegs oder die optimierte Nutzung von Pendlerzeiten.

Neue Möglichkeiten entstehen, alte Grenzen verschwinden, Selbstorganisation ist gefragt

Mit dem Entstehen neuer Möglichkeiten des flexiblen Arbeitens verschwinden alte Grenzen. Man spricht von der Entgrenzung der Arbeitswelt (Sauer, 2012) und meint damit die Aufhebung der einst so klaren Trennung zwischen der Arbeitswelt und Lebenswelt, zwischen Unternehmen und Arbeitskraft. Untersuchungen belegen, dass flexibles Arbeiten vor allem bei höherqualifizierten Beschäftigten mit Arbeitsausdehnung in den Abend und das Wochenende verbunden ist. Mobiles Arbeiten bedeutet dann, dass man dafür nicht mehr zwingend ins Büro fahren muss, sondern Mehrleistungen eingestreut in den Privatalltag erbringt.

Hier zeigt sich eine riskante Seite des flexiblen Arbeitens. Eine mangelnde Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben erschwert nachweislich das Abschalten und begünstigt die Entwicklung emotionaler Erschöpfung, einem Leitsymptom innerhalb der Burnoutdiagnostik. Regenerationsfähigkeit kann also als eine zentrale Grösse betrachtet werden, die der Nachhaltigkeit der Humanressourcen dient. Sie erfordert Grenzziehung, die nicht nur als Ausdruck personaler Steuerungskompetenz verstanden werden darf. Sie wird auch von organisationalen Ressourcen und Praktiken beeinflusst, die im Gestaltungsbereich des HRM und der Führung liegen.

Herausforderungen des Human Resource Management in der flexiblen Arbeitswelt

Die Herausforderung besteht darin, für ein nachhaltiges Human Resource Management einzutreten, das besonders in Organisationen mit einer hohen Bedeutung der Humanressourcen als Erfolgsfaktor und einem hohen Interesse an deren Bindung relevant ist. Die folgenden Empfehlungen konzentrieren sich auf drei Bereiche.

Organisationale Regelungen prüfen
In Richtlinien können nicht nur Home-Office-Einsätze geregelt werden, sondern auch Erwartungen an Erreichbarkeit jenseits der üblichen Arbeitszeiten sowie in den Ferien. Teilweise werden Führungspersonen darin angehalten, die Privatzeiten ihrer Mitarbeitenden zu respektieren und keine Telefonate zu tätigen. Solche Regelungen setzen eine interne Diskussion und Meinungsbildung voraus, deren Beitrag zur Sensibilisierung und Kulturbildung nicht zu unterschätzen ist.

Bewusstseinsbildung über Leistungsdynamiken in der flexibilisierten Arbeitswelt
Entstehende Leistungsverausgabungsdynamiken im Kontext flexiblen und mobilen Arbeitens sind Phänomene einer flexibilisierten Arbeitswelt, die kein Tabu sein dürfen. Es gilt zu wissen, welche Personalgruppen besonders anfällig für Überlastung durch Entgrenzung sind – in der Regel sind dies die unter flexiblen Bedingungen ergebnisverantwortlich arbeitenden, sehr gut qualifizierten Mitarbeitenden –, und hier einen offenen Austausch der Erfahrungen zu unterstützen und so voneinander und als Organisation zu lernen.

Man weiss, dass das kollegiale Umfeld eine wichtige Ressource darstellt, denn hier wird Unterstützung gehandelt und Leistungsnormen werden bekräftigt. In diesem Kreis muss Auslastung und Überlastung besprochen werden. Weiter gibt es Hinweise darauf, dass Führungspersonen als Vorbilder im Umgang mit Grenzziehung wirken. Dies gilt es zu nützen. Daher muss dieses Thema in Führungsentwicklungen aufgenommen werden. Es betrifft im Übrigen die Führungspersonen selbst ganz zentral und ist gleichzeitig Grundlagenwissen für die Aufgabe der Fürsorge den eigenen Mitarbeitenden gegenüber. Im System des betrieblichen Gesundheitsmanagements schliesslich sollte diesbezüglich ebenfalls Aufklärung und Sensibilisierung vorgesehen werden.

Koppelung von Zielen und Ressourcen
Eine grundlegende und herausfordernde Aufgabe besteht schliesslich darin, für eine Koppelung der Zielsetzungen an die Ressourcensituation zu  sorgen. Im Rahmen eines MbO-Prozesses ist diese Aufgabe mit der Linie gemeinsam zu gestalten.

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Birgit Werkmann-
Karcher ist Dozentin und Beraterin am 
IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie leitet 
die Weiterbildungsstudiengänge MAS Human Resource Management sowie DAS -Personalpsychologie.

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