HR Today 12/2015: Arbeit und Recht

Entschädigung für Bereitschaftsdienst

Der Bereitschaftsdienst bei einer 24-Stunden-Betreuung eines betagten Patienten gehört zur Arbeitszeit und gilt deshalb auch als entschädigungspflichtig. Zu diesem Schluss kommt das Zivilgericht in einem aufsehenerregenden Urteil.

Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 27. Oktober 2014 (GS.2013.32)

Das Urteil

Die Arbeitnehmerin Y arbeitete bei einer privaten Spitexorganisation als Betreuerin. Im Herbst 2011 übernahm sie die Betreuung von X. In Bezug auf die Arbeitszeit wurde vereinbart, dass diese entsprechend den Bedürfnissen von X rund 42 Stunden pro Woche beträgt und dass Y ein Zimmer in der Wohnung von X bewohnt. Die Einsatzdauer betrug jeweils einen Monat. Danach verbrachte Y einen Monat in Polen.

Mit Klage vom 26. Juni 2013 forderte Y vom Arbeitsgeber eine Entschädigung von rund CHF 23 400 zzgl. Zinsen. Sie machte geltend, sie sei während 24 Stunden pro Tag und während 7 Tagen die Woche für die Betreuung von X zuständig gewesen. Unter anderem machte Y eine Entschädigung für die Arbeitsbereitschaft zwischen 20 Uhr und 7 Uhr mit einem Stundenlohn von CHF 10.01 (55 Prozent des Grundlohns von CHF 17.74 pro Std.) geltend.

Das Zivilgericht stellte zunächst fest, dass Bereitschaftsdienst, bei dem sich der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers innerhalb oder ausserhalb des Betriebs im Interesse des Arbeitgebers zur Verfügung hält, ohne aktive Arbeit zu leisten, zur Arbeitszeit gehört, welcher ebenfalls zu entschädigen ist. Im Weiteren wurde ausgeführt, dass die Festsetzung der Entschädigung vorliegend mangels vertraglicher oder gesamtarbeitsvertraglicher Regelung nach richterlichem Ermessen zu erfolgen hat. Sodann setzte sich das Zivilgericht eingehend mit der Abwägung der Interessen bezüglich des Entschädigungsanspruchs auseinander. Hierfür wurden die Kriterien des Bundesgerichts, namentlich das betriebswirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Rufbereitschaft und die Freiheit und Intensität des Arbeitnehmers an der Nutzung der Bereitschaftszeit für arbeitsfremde Verrichtungen, herangezogen.

Das Interesse von X an der Bereitschaft von Y wurde aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit als hoch eingestuft. Da Y die Häufigkeit der Abrufe nicht abschätzen konnte und somit über ihre Wartezeit nur eingeschränkt verfügen konnte, wurde ihre persönliche Einschränkung ebenfalls als hoch eingestuft. Mindernd wurde berücksichtigt, dass die Abrufe nur sehr selten und jeweils von kurzer Dauer waren. Unter Berücksichtigung dieser Umstände betrachtete das Zivilgericht eine Entschädigung im Umfang von 50 Prozent des Stundenlohns (CHF 8.87 pro Std.) für den Bereitschaftsdienst von Y als angemessen.

Konsequenz für die Praxis

Es ist zu beachten, dass Bereitschaftsdienst entschädigungspflichtig ist. Sofern die Entschädigung für Bereitschaftsdienst nicht in einem Gesamtarbeitsvertrag geregelt wird, ist den Arbeitgebern zu empfehlen, die Entschädigung im Arbeitsvertrag zu regeln. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts wird es sogar als zulässig erachtet, die Entschädigung für Bereitschaftsdienst mit dem Grundlohn abzugelten. Mit einer vertraglichen Regelung kann vermieden werden, dass die Höhe der Entschädigung wie im vorliegenden Fall nach richterlichem Ermessen festgesetzt wird.

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Gloria Eschenbach, lic. iur. Rechtsanwältin, ist Partnerin und Leiterin der Rechtsabteilung der OBT AG in Zürich. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in Fragen des Arbeits-, Vertrags- und Gesellschaftsrechts. www.obt.ch

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