Erst wenn HR und Kommunikation im gleichen Boot rudern, winkt der Erfolg
Wie hält man, was die Marke verspricht? Indem das Thema Behavioral Branding professionell angepackt wird. Dazu gehört, die optimalen Instrumente zu wählen, die richtigen Leute zu involvieren, in der anstrengenden Phase nach der Anfangseuphorie durchzuhalten – und man muss auch wissen, wann man besser die Finger vom Thema lässt.
Als die Hochschule St. Gallen begann, den Begriff «Behavioral Branding» zu verwenden, löste das bei Praktikern zuerst etwas Verwunderung aus. Bisher galt der Begriff «Internal Branding» als die übliche Bezeichnung für diese Disziplin. Googelt man auch heute «Internal Branding», kommt man zu 22 Millionen Ergebnissen und bei «Behavioral Branding» lediglich auf 3 Millionen Nennungen.
Aber es ist gut möglich, dass sich dies zu Gunsten von Behavioral Branding verändern wird, denn die Forscher um Torsten Tomczak haben mit diesem Zungenbrecher eine gute Wahl getroffen. Mit Internal Branding will die HR-Abteilung nicht unbedingt zu tun haben, weil Branding nicht ihre Aufgabe ist. Und wenn Marketer «Internal» hören, fühlen sie sich auch nicht besonders angesprochen. Ganz anders bei «Behavioral». Der Begriff ist gutes Marketing, denn er rückt die Disziplin in die Nähe des hippen Behavioral Economic, das sich mit menschlichem Verhalten in wirtschaftlichen Situationen befasst. Und zweitens klingt Behavioral Branding auch etwas umständlich, was wiederum gut zur Komplexität der Disziplin passt.
Talentierte Mitarbeiter wollen einen Job, der sie erfüllt
Behavioral Branding motiviert und befähigt die Mitarbeitenden dazu, das Markenversprechen in ihrer täglichen Arbeit einzulösen und bei der Erreichung der Unternehmensziele über sich hinauszuwachsen. Behavioral Branding ist damit auch ein Instrument zur Mitarbeiterbindung: Die heutigen gut ausgebildeten und talentierten Mitarbeitenden erwarten von ihrem Job, dass er sie erfüllt. Dazu gehört wesentlich, dass sie die Unternehmenspositionierung mittragen können.
Gelingt es einem Unternehmen nicht, sie für die Unternehmensziele zu begeistern, wenden sie sich früher oder später einer anderen Aufgabe zu. Behavioral Branding eignet sich für jedes Unternehmen, in welchem der häufige und persönliche Kontakt zwischen der Unternehmensleitung und den Mitarbeitern aufgrund der Unternehmensgrösse nicht möglich ist. Solche Unternehmen sind auf interne Kommunikationsmittel angewiesen. Auf ihnen baut Behavioral Branding auf und ergänzt sie.
Wer ein Behavioral Branding-Projekt am besten führt
Behavioral-Branding-Projekte benötigen zweifellos einen guten Projektleiter. Entscheidend aber ist, dass Behavioral Branding von der Unternehmensspitze vorbehaltlos mitgetragen wird. Im Rahmen eines Behavioral-Branding-Projekts wird der CEO jeweils sehr genau beobachtet. Mitarbeitende, die ihr Verhalten ändern sollen, wollen Beweise dafür, dass es dem Chef wirklich ernst ist. Spricht der Chef die Mittel, die dem Projekt Durchschlagskraft ermöglichen? Ist er bereit, Zeit in das Projekt zu investieren? Ist auch er selber damit beschäftigt, sich in Richtung der definierten Ziele weiter zu verbessern? Leadership an der Firmenspitze ist die Grundvoraussetzung für Behavioral Branding.
Die Wahl des richtigen internen Projektleiters ist dann ein weiterer zentraler Erfolgsfaktor. Oft behaupten sich in dieser Funktion Persönlichkeiten am besten, die auf den ersten Blick so gar nicht dem Bild des superdynamischen Projektleiters entsprechen. Nachhaltig erfolgreich ist, wer die Aufgabe als persönliches Anliegen vermitteln kann und den Mut aufbringt, anderen zu signalisieren, dass er oder sie auf Unterstützung angewiesen ist. Auf die volle Distanz scheitert meist, wer mit der Brechstange arbeitet und jedes Wortgefecht für sich entscheidet. Den Kampf für die Unternehmensmarke gewinnt man nicht mit Schlagfertigkeit, sondern durch Verbundenheit.
Zusammenspiel von HR- und -Markenmanagement
Behavioral Branding ist an der Schnittstelle zwischen dem HR und der Kommunikationsabteilung angesiedelt. Ein gutes Zusammenspiel dieser beiden Fachbereiche zu erreichen, bedeutet für den Projektleiter oft eine echte Herausforderung. Obwohl HR- wie Kommunikationsleute grundsätzlich nicht zu den introvertiertesten des Unternehmens gehören und selten auf den Mund gefallen sind, redet man zu Projektbeginn meist aneinander vorbei. Interessieren sich die Marketingkommunikations-Fachleute eher für Information und Motivation, liegen den HR-Profis Themen wie Befähigung und organisationelles Lernen besonders am Herzen. Der Projektleiter muss es schaffen, den Beteiligten zu vermitteln, dass alle diese Themen Teil der Lösung sind, die zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung führen.
Im Behavioral Branding bewährt sich die «Taktik der Nadelstiche». Die unterstützende Kommunikationsagentur entwickelt für einzelne Projektstufen verschiedenste Massnahmen, die völlig neu und an die Eigenheiten des Unternehmens angepasst sind. Im Austausch mit dem Auftraggeber stimmt die Agentur diese Massnahmen präzis auf die Unternehmenskultur ab. Durch diese Abstimmung von Aussen- und Innensicht können auf eine positive Weise vermeintliche Tabus gebrochen werden, welche die Entwicklungen hin zur konsequenten Einlösung des Unternehmensversprechens behindern. Die denkbaren Instrumente und Kommunikationsmittel sind so vielseitig wie die Aufgabenstellungen, die in Behavioral-Branding-Projekten angegangen werden. Die folgende Übersicht gibt dennoch eine Idee von typischen Instrumenten:
- Kennenlernen (Wissen): Kickoff-Events, interne Poster, Bodenkleber, CEO-Newsletter, Magazine, Flyer, Screensaver, Microsites.
- Wollen (Motivation): Emotional Trailers, Best-Practice-Filme, Gastreferate, Status-Meetings, Info-Apéros, interne Wettbewerbe, Awards, Performance-Bildschirme, T-Shirts, Pins.
- Können (Qualifikation): Trainings, Workshops, Erfahrungsaustausch, Erlebnisberichte, Dialogpostkarten.
- Sollen (Organisation): MbO-Vereinbarungen, Gewährung von Handlungsspielräumen, Belohnung (Wertschätzung oder Bezahlung).
Dauer eines BB-Projektes
Erfahrungsgemäss dauert ein Behavioral-Branding-Projekt zwei bis drei Jahre. Die ers-ten Ergebnisse zeigen sich natürlich schon früher, in der Regel innerhalb der ersten zwölf Monate. Der Prozess zwischen Kommunikationsagentur und Auftraggeber läuft grundsätzlich iterativ ab, da während des Projekts immer auch neue Problemzonen sichtbar werden, die man vorher in dieser Schärfe gar nicht wahrnahm. Dazu kommt, dass auch neue Entwicklungen im Unternehmen berücksichtigt werden.
Messbarkeit der Wirkung
Zur Messung der Wirksamkeit von Behavioral Branding stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. In vielen Fällen lässt sich der Soll-Zustand quantifizieren und mit dem Ist-Zustand vergleichen. Das wichtigste Instrument sind aber Umfragen, und zwar nicht nur bei den Mitarbeitern, sondern auch bei den Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern. Die kontinuierliche Erfolgsmessung ist im Übrigen ein zentraler Bestandteil des Behavioral Branding selbst, indem die erhobenen Resultate die Grundlage für diverse Kommunikationsmittel bilden. Dazu zählen etwa interne Servicebarometer, Best-Practice-Beispiele und Awards. Solche Instrumente haben die Funktion von Motivationsspritzen und dienen als Anreiz, über sich hinauszuwachsen.
Wann man besser die Hände von Behavioral Branding lässt
Behavioral Branding setzt Rahmenbedingungen voraus. Bei folgenden drei Gegebenheiten ist der Erfolg eines Behavioral-Branding-Projekts erfahrungsgemäss eher unwahrscheinlich:
- Der Chef fehlt: Delegiert der Chef das Thema und beschränkt sein Engagement auf ein Vorwort im Mitarbeitermagazin, ist jeder Franken an einem anderen Ort besser investiert als im Behavioral Branding.
- Professionalität fehlt: Man kann mit seinen Mitarbeitenden nicht zwingend «billiger» kommunizieren als mit seinen Kunden. Natürlich geht es nicht darum, jede Botschaft zu «vergolden», aber die Mitarbeitenden sind die Kunden von anderen Unternehmen und erleben jeden Tag professionelle Kommunikation. Vor einigen Jahren versuchte ein grösseres Beratungsunternehmen, seine Kernwerte besser zu etablieren. Um Geld zu sparen, wurde die Unternehmensleitung selber kreativ und entschied sich, am nächsten Mitarbeiterevent ihren Kaderangehörigen Tafeln mit einzelnen Kernwer-ten zu verteilen, die sie dann während des Anlasses vor der Brust zu tragen hatten, damit die Kernwerte fleissig diskutiert würden. Dass das Bild von Menschen, die Tafeln vor sich tragen müssen, falsche Assoziationen auslösen kann, wurde der Führungsspitze erst am Anlass selbst bewusst … Behavioral-Branding-Massnahmen müssen für einen längeren Zeitraum professionell geplant und budgetiert werden. Werden in der Umsetzung dann Ziele schneller erreicht als erwartet, können geplante Massnahmen angepasst oder sistiert werden.
- Ziel fehlt: «Wir müssen unsere Mannschaft vorwärtsbewegen», ist leicht gesagt. Aber wohin ganz genau? Und bis wann? Werden keine klar überprüfbaren Ziele definiert, geht meist auf halbem Weg die Luft aus. Denn nach der Anfangseuphorie ist Behavioral Branding für alle Beteiligten richtig anstrengend und verlangt die berühmte Extrameile, mit der die Mitarbeitenden aus einem guten Unternehmen ein exzellentes machen. Sind Ziele nicht genau definiert, freuen sich insgeheim viele, wenn nach einer gewissen Zeit der Chefcontroller aus Kostengründen für den Übungsabbruch plädiert. Schliesslich kann man dann wieder seine Arbeit im gewohnten Rahmen tun.
Dass Behavioral Branding zunehmend auf Interesse stösst, ist kein Zufall. Unter den Bedingungen des verschärften Wettbewerbs können es sich immer weniger Unternehmen leis-ten, dass sich nur ein Teil ihrer Mitarbeitenden für die Unternehmensziele begeistert und sich mit vollem Engagement für deren Erreichung einsetzt. Und es ist erstaunlich, was sich alles erreichen lässt, wenn die Mitarbeitenden der Geschäftsleitung vertrauen, die Unternehmensziele verinnerlichen und mit der Haltung eines «Intrapreneurs» im Sinne der Unternehmensmarke agieren.