Erste Stichprobenergebnisse einer Studie zum Führungskräfte-Coaching
Wer nimmt Coaching in Anspruch? Welche Anliegen bringen die Coachees in die Beratung mit und welche Ziele wollen sie erreichen? Wie lange und wie oft nutzen sie die Beratung? Was verändert sich durch das Coaching? Sind die erzielten Veränderungen nachhaltig? Diese und weitere Fragen soll eine Längsschnittstudie der ZHAW beantworten.
Erhoben werden Daten zu Beginn, am Ende und drei Monate nach Ende des Coachings. Erste Ergebnisse im Sinne eines Trends liegen vor. Mit aussagekräftigen Resultaten ist frühestens in einem halben Jahr zu rechnen. Umso interessanter jedoch ist der Blick auf die Stichprobe, also auf die Frage, wer ein Führungscoaching aufsucht und warum.
Seit Studienbeginn sind bisher insgesamt 50 Coachings erfasst worden. Bemerkenswert ist der Anteil der Frauen, die das Führungscoaching in Anspruch nehmen. Während der Frauenanteil schweizweit in der Teppichetage weniger als 10 Prozent ausmacht, beträgt der Anteil in der Studie knapp 40 Prozent. Ein möglicher Grund dafür dürfte darin liegen, dass die Mehrheit der Mitglieder des Praxispartners BSO (Schweizerischer Berufsverband für Supervision, Organisationsberatung und Coaching) ihre Beratungsmandate vornehmlich im Gesundheits-, Sozial- und Nonprofitbereich akquirieren. Zwei Fünftel der Führungskräfte in den untersuchten Coachings stammen aus dem Gesundheits- bzw. Sozialbereich. Nur jeder zehnte Coachee arbeitet im Bankwesen. Die Tourismusbranche ist mit fünf Prozent marginal vertreten.
Die Stichprobe im Profil
Das durchschnittliche Alter der Coachees beträgt 44 Jahre. Der «Gärungsprozess», also die Zeit, während der jemand sein Anliegen mit sich herumträgt, bis er ein Führungscoaching in Anspruch nimmt, beträgt elf Monate. Ein Coaching wird erst dann in Anspruch genommen, wenn die eigenen Lösungsversuche fehlgeschlagen sind oder nicht das gewünschte Resultat gebracht haben. Gemessen an Vergleichswerten aus Deutschland leiden 69 Prozent unter der subjektiv empfundenen Belastung und stufen ihre persönliche Lebensqualität als unterdurchschnittlich ein. Die genannten Anliegen, die im Coaching angegangen werden sollen, bewegen sich mehrheitlich auf der Ebene der Softskills wie Gewinnung höherer Selbstsicherheit, mehr Effizienz im Arbeitsalltag, besserer Umgang mit schwierigen Kollegen.
Ein Drittel der Coachees bezahlt die Beratung aus dem eigenen Sack. Dies, obwohl knapp 40 Prozent der Coachingkontrakte aufgrund einer gemeinsamen Entscheidung des Vorgesetzten und des Coachees entstehen. Aus welcher Führungsstufe stammen jedoch die Coachees, die ein Führungscoaching beanspruchen? Bei 21 Prozent handelt es sich um Team- und Gruppenleitungen. Knapp 32 Prozent führen auf der Ebene Abteilungsleitung. Etwas mehr als 18 Prozent zählen sich zum oberen Kader bzw. zur Bereichsleitung und immerhin fast jeder vierte Coachee stammt aus der Geschäftsleitung. Knappe fünf Prozent geben an, selbständigerwerbend zu sein.
Erfreulich ist die hohe Akzeptanz des Coachings unter den Führungskräften: Immerhin geben fast 45 Prozent der Befragten an, bereits ein- oder mehrmals Coaching beansprucht zu haben. Das dürfte ein erster wichtiger Hinweis auf die später zu erhärtende Hypothese sein, dass professionelles Coaching tatsächlich wirkt. Ein interessanter Aspekt scheint auch der Anlass oder besser gesagt die Verortung des Coachings zu sein. Ein Achtel der Befragten gab an, ihr Coaching im Rahmen eines organisationsinternen Programms zu beanspruchen, womit High-Potential-Programme oder Change-Projekte gemeint sind.
Der Erfolg eines Coachings ist immer eine Koproduktion. Coach und Coachee müssen zusammenarbeiten. Unabdingbar sind die positiven Erwartungen an ein Coaching und der Beziehungsaufbau. Die Stichprobe zeigt: Über 70 Prozent der Coachees sind davon überzeugt, dass ihnen das Coaching helfen und ihre Belastungssituation entschärfen wird.
Die wichtigsten Belastungsfaktoren
Was belastet die Führungskräfte der Schweiz konkret am meisten? Worüber wird hinter verschlossenen Türen in der Coachingpraxis gesprochen? Diese Frage beantworteten die Coachees auf den Ebenen Berufsrolle, Organisation und Person. «Unterschiedliche Erwartungen sollen von mir erfüllt werden, die nicht miteinander vereinbar sind» und «Schwierige Gespräche » (Mitarbeiter-, Qualifikations- oder Konfliktgspräche) – diese beiden Themengebiete werden auf der Ebene der Berufsrolle am meisten genannt. Wenn es um organisationsspezifische Probleme geht, stehen das «Angehen von strukturellen Problemen» (etwa Qualitätsverbesserung, ineffiziente Arbeitsorganisation) sowie die «Entwicklung von Visionen und/oder Strategien» an der Spitze. Auf Ebene der eigenen Person beschäftigt die Befragten das «Bedürfnis, meine Selbstkompetenz zu optimieren», wobei es durchaus auch um ein effizientes Stressmanagement geht und um andere Themen wie Abgrenzungsfragen, eigene Rollenfindung oder das Gefühl des Ausgebranntseins.
Abschliessend soll trotz noch sehr geringer Stichprobe ein Blick auf die Wirksamkeit des Coachings geworfen werden. Ziel jedes Coachings ist eine verbesserte Selbststeuerung. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass Menschen subjektiv den Eindruck haben, ihre Wünsche und Ziele aus eigenen Kräften zu erreichen. Das damit verbundene Selbsterleben nennen wir Kongruenz. Zwischen dem, was die Umwelt einem abfordert, und dem, was man zurückerhält, besteht ein Gleichgewicht. Sind eigene Handlungsmuster nicht mehr zielführend, erlebt man Inkongruenz. Die Balance ist aus dem Ruder gelaufen. Eine der wichtigsten Zieldimensionen im Projekt ist darum die Erfassung von Kongruenz- vs. Inkongruenzerleben. Damit erhalten wir einen Indikator für den individuell erlebten Erfolg des Coachings. Aus den Antworten zu diesen Themen zeichnet sich ab, dass sich alle in die gewünschte Richtung bewegen. Am stärksten verändern sich das Selbstvertrauen und das Gefühl, die Situation (wieder) im Griff zu haben. Gleichzeitig nimmt das Gefühl, fremdbestimmt und der Situation ausgeliefert zu sein, massiv ab.
Rendite von über 300 Prozent
Manch einer wird vielleicht nun kritisch anmerken, wo denn hier der Nutzen für die Unternehmen liegt. Was ist die Rendite für die Organisation? Dazu eine erste Antwort aus einem weiteren Coaching-Forschungsprojekt: Bei 8000 Franken Vollkosten für 15 Stunden Coaching wird durchschnittlich ein Ertrag von 27000 Franken erzielt. Das ergibt eine Rendite von über 300 Prozent! Wie kommt man auf diesen Wert? Etwa drei Monate nach einem Coaching wird ein Interview nach der Critical Incident Technique durchgeführt. Im Zentrum steht die Selbsteinschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit in Prozenten vor und nach dem Coaching. Diese Selbsteinschätzung wird durch die konkrete und verhaltensnahe Schilderung des Critical Incident validiert. So schätzt eine Person die Verbesserung ihrer Leistung für die Organisation mit 15 Prozent ein. Zugegeben, dies ist eine subjektiver Schätzung. Aber Hand aufs Herz: Ist dieser Wert glaubwürdig, wenn man weiss, dass diese Person vor dem Coaching kaum mehr arbeitsfähig war, kurz vor der Kündigung stand und nun wieder voll leistungsfähig und im Team integriert ist?