Erwachsene lernen nicht im luftleeren Raum, sondern anwendungsorientiert
Was zeichnet nachhaltige und nutzbringende Weiterbildung aus? Sie muss anschlussfähig und anschaulich sein, reale Projekte aus dem Arbeitsleben einbeziehen und den Praxistransfer gewährleisten. Und nicht zuletzt hängt es auch von der Offenheit der Vorgesetzten ab, ob eine Weiterbildung als Erfolg bezeichnet werden kann.
(Illustration: iStockphoto)
Die gesamte Schweizer Wirtschaft ist an qualitativer und zielorientierter Weiterbildung interessiert. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber beziehungsweise Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer investieren weiterhin hohe Beträge in berufliche Weiterbildungen. In der Schweiz hat der Weiterbildungsmarkt gemäss Schätzungen – es gibt keine Statistiken zur Finanzierung der Weiterbildung in der Schweiz – insgesamt ein Volumen von ca. 5,3 Milliarden Franken (Wolter & Messer, 2007). Dies entspricht einem Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Die Gelder werden vorwiegend von privater Seite investiert, sowohl von den Teilnehmenden selbst wie auch von jenen Betrieben, welche die Mitarbeitenden finanziell und zeitlich (mit-)finanzieren.
Lehrinhalte müssen auf Arbeitsalltag der Zielgruppe zugeschnitten sein
Die in vielen Branchen immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen wollen effizient eingesetzt werden. Vor diesem Hintergrund spielen die Transferleistung und die Gestaltung nachhaltiger Weiterbildung eine entscheidende Rolle. Es stellt sich primär die Frage, wie der Praxistransfer gestaltet und gemessen werden kann, der die erfolgreiche Umsetzung und Aufrechterhaltung erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten am Arbeitsplatz im Anschluss an eine Weiterbildung beinhaltet und somit die Nachhaltigkeit einer Weiterbildungsmassnahme massgeblich beeinflusst. Ein möglichst hoher Praxistransfer ist ein zentraler Erfolgsfaktor einer nachhaltigen Weiterbildung und muss bei der Evaluation von Weiterbildungsangeboten entsprechend berücksichtigt werden.
Zentral ist zunächst die Feststellung, dass die Weichen für eine qualitativ gute Weiterbildung im Vorfeld einer Weiterbildung gestellt werden. Eine Weiterbildung kann immer nur in dem Mass erfolgreich sein, wie sie auch auf die Arbeitsanforderungen und Interessen der Zielgruppe zugeschnitten ist. Grundlage einer erfolgversprechenden Weiterbildung ist daher eine sorgfältige Adressaten- und Bedarfsanalyse, aus der in einem nächsten Schritt das Weiterbildungskonzept abgeleitet wird. Ausgangspunkt der Bedarfsanalyse sollte die Frage sein, was die Zielgruppe tatsächlich tut oder zu tun beabsichtigt und mit welchen Anforderungen diese Tätigkeiten verbunden sind. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die definierten Lehrinhalte eines Seminars oder eines Kurses auf den Arbeitsalltag der betreffenden Zielgruppe zugeschnitten sind und nicht nur auf abstrakter Ebene festgelegt werden.
Teilnehmende bestimmen mit, was und wie sie lernen
Auch bei der Ausgestaltung der Lernumgebung ist eine konsequente Teilnehmerfokussierung wichtig. Lernen mit Erwachsenen erfordert darüber hinaus, dass Lernen in Auseinandersetzung mit Aufgaben geschieht, die den realen Arbeitssituationen der Teilnehmer möglichst ähnlich sind. Es reicht nicht, einfach nur Beispiele aus der Praxis einzuflechten – die Lerninhalte müssen wann immer möglich bewusst mit konkreten Berufs- und Lebenserfahrungen der Teilnehmenden verknüpft werden können. Darüber hinaus sollten den Teilnehmern Freiräume für eigene Fragestellungen zur Verfügung gestellt werden.
Lehren kann nicht einfach nur mit systematischer Stoffvermittlung gleichgesetzt werden. Vielmehr sollten Handlungsräume zu einem selbständigen, aktiven Erarbeiten der Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Dies erfordert von den Teilnehmenden eine gewisse Eigenverantwortung, indem sie ihren Lernprozess selbst steuern und bestimmen, was und wie sie lernen wollen. Dadurch wird zugleich das ganzheitliche Lernen gefördert und sichergestellt, dass alle Kompetenzbereiche – von der Fach- und Methodenkompetenz bis hin zur Sozial- und Selbstkompetenz – angesprochen werden. Als überaus gewinnbringend erweist es sich, wenn die Teilnehmenden selbständig reale Projekte aus dem eigenen Arbeitsumfeld bearbeiten – unterstützt durch Lernimpulse und Erfahrungsberichte von Experten aus ihrem Fachgebiet. Diese Projekterfahrung sollte im Rahmen der Weiterbildung bewusst reflektiert und mit abstrakten Konzepten und Modellen aus dem Unterricht in Verbindung gebracht werden.
Lernen ist immer auch ein sozialer Prozess
Weiterbildungsangebote für Erwachsene müssen also in besonderem Mass anschlussfähig, anschaulich und relevant sein. Die Teilnehmenden werden dadurch zu Beteiligten und können das Gelernte besser in die Praxis umsetzen. Erwachsene lernen nicht im luftleeren Raum – sie lernen anwendungsorientiert. Eine Weiterbildung für Ausbildungsmanager beispielsweise kann nur Früchte tragen, wenn die Teilnehmenden auch tatsächlich verantwortungsvolle Aufgaben im Rahmen der betrieblichen Bildung oder Personalentwicklung wahrnehmen und die vermittelten Inhalte mit eigenen Erfahrungen aus dem Arbeitsalltag verlinken können.
Wie gut dies schliesslich gelingt, liegt zu einem grossen Teil in der Hand des jeweiligen Dozierenden. Neben ausreichender Fach- und Methodenkompetenz sowie relevanter Berufserfahrung müssen Dozierende auch über ausreichende Sozialkompetenzen verfügen. Die Teilnehmenden müssen unterstützt, gefordert und gefördert werden. Lernen ist schliesslich immer auch ein sozialer Prozess – der Aufbau eines angenehmen und wertschätzenden Lernklimas sollte daher unbedingt beachtet werden.
Bemühungen, ein Weiterbildungsangebot adressatengerecht zu konzipieren, nach den Prinzipien des Erwachsenenlernens zu gestalten und versierte Dozierende mit einzubeziehen, sind für sich genommen gute Voraussetzungen für einen hohen Qualitätsstandard und eine nachhaltige Weiterbildung. Darüber hinaus muss aber immer auch der Phase nach Abschluss einer Weiterbildung gebührend Platz eingeräumt werden. Der Fokus liegt dabei auf der Förderung des Praxistransfers – einem Schlüsselfaktor einer nachhaltigen und somit erfolgreichen Weiterbildung. Es ist wichtig, dass die Teilnehmenden bereits im Laufe der Weiterbildung auf mögliche sogenannte Transferhindernisse am Arbeitsplatz – wie Zeitknappheit oder Routinefallen – vorbereitet werden. Dies gelingt etwa durch das Festlegen von konkreten Transferzielen während und am Ende der Weiterbildung.
Ob der Praxistransfer tatsächlich gelingt, liegt nicht nur in der Verantwortung der Teilnehmenden oder Dozierenden. Auch Faktoren ausserhalb des eigentlichen Lernumfelds spielen eine oft unterschätzte Rolle. Verschiedene Studien der Lerntransferforschung weisen in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des unmittelbaren Arbeitsumfeldes hin. Damit der Transfer gelingt, müssen Organisationen offen sein für neue Inputs und Herangehensweisen, die die Teilnehmenden mitbringen, und Ressourcen wie Zeitfenster für die Anwendung des neu vorhandenen Know-hows bereitstellen.
Insbesondere die Unterstützung der Vorgesetzten kann wesentlich zum «Dranbleiben» beitragen. Diese Unterstützung können sie leisten, indem sie beispielsweise an der Weiterbildung Interesse zeigen oder die Aufgabenfelder der Mitarbeitenden entsprechend derer neu erworbenen Kompetenzen erweitern. Auch Gespräche zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten, in denen verbindliche Transferziele festgelegt oder Aktionspläne erarbeitet werden, sind viel versprechende Massnahmen, um der Umsetzung die notwendigen Impulse zu verleihen.
Anbieter von Weiterbildungsprogrammen können einen Beitrag an einen möglichst guten Transfer leisten, indem sie die Vorgesetzten aktiv einbinden (zum Beispiel zu Projektpräsentationen einladen), die Vorgesetzten und die Teilnehmenden höher sensibilisieren und den Teilnehmenden Transferaufgaben stellen, die eine Umsetzung innerhalb der Organisationen erfordern.
Im Lernumfeld bessere Unterstützung als im Arbeitsumfeld
Weiterbilden mit Erfolgsaussicht setzt also voraus, die genannten Qualitätsmerkmale über den gesamten Verlauf einer Weiterbildung im Auge zu behalten. Eine systematische und zielgerichtete Evaluation der Weiterbildung ist in diesem Zusammenhang unerlässlich. Sie kann etwa in Form einer sorgfältig geplanten, standardisierten Befragung von Teilnehmern oder auch Vorgesetzten und Arbeitskollegen realisiert werden.
Neben Beurteilungen der methodisch-didaktischen Qualität, der Teilnehmerzufriedenheit, des persönlichen Lernerfolgs und des Lerntransfers können dabei nicht zuletzt auch wertvolle Informationen zum Lernprozess selbst sowie zu den Rahmenbedingungen gesammelt werden: Finden die Teilnehmenden eine lernförderliche Seminarumgebung vor? Stehen ihnen im Arbeitsumfeld Gelegenheiten zur Umsetzung zur Verfügung? Unterstützen die Vorgesetzten die Teilnehmer bei der Umsetzung? Die Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen kann wertvolle Hinweise darauf liefern, an welchen Stellen im Lern- oder Arbeitsumfeld noch Handlungsbedarf besteht.
Dies kann exemplarisch an der Befragung mit einer quantitativen Längsschnittstudie (Negri, 2012) im Zeitraum von 2006 bis 2011 anhand von drei abgeschlossenen Studiengängen des Lehrgangs MAS Ausbildungsmanagement am IAP Institut für Angewandte Psychologie in Zürich aufgezeigt werden: Wie aus der nebenstehenden Abbildung (Grafik oben) hervorgeht, fühlen sich die angehenden Ausbildungsmanager/-innen im Lernumfeld unterstützt. Das Lernklima wird im Durchschnitt also als gut bewertet.
Die Beurteilung der Unterstützung aus dem Arbeitsumfeld (Grafik unten) hingegen wird als eher gering eingestuft. Es scheint demnach, als würde Lerntransfermanagement im Unternehmen noch selten als Führungsaufgabe wahrgenommen.
Hier könnte nun angesetzt werden, indem etwa die Vorgesetzten eines Unternehmens stärker für das Thema Lerntransfer sensibilisiert werden – sei es durch die Teilnehmenden selbst oder durch entsprechende Info-Veranstaltungen und Workshops im Unternehmen.
Ganzheitlich gestaltete Weiterbildungen mit Wirkung
Die Annahme, dass erfolgreiche Weiterbildung stark geprägt ist von einem guten Transfer des Gelernten in die Berufspraxis, bestätigt sich durch die erwähnte Längsschnittstudie: Sie zeigt, dass Praxis- und Umsetzungsorientierung wesentliche Erfolgsfaktoren darstellen. Der Lerntransfer wird durch die Merkmale des Lerndesigns (Lernarchitektur) und die Merkmale der Organisation (Lernklima, Unternehmensklima und Rolle der Vorgesetzten) beeinflusst.
Gelingt es, eine Weiterbildungsmassnahme mit Orientierung an die genannten Qualitätsmerkmale zu gestalten, bestehen gute Chancen, dass der Aufwand auf allen Seiten belohnt wird – mit echter Aussicht auf Erfolg. Weiterbildungen schaffen neue Karrieremöglichkeiten. Es zeigt sich eine Tendenz dazu, dass ganzheitlich gestaltete Weiterbildungen dazu beitragen, die eigene berufliche Situation zu festigen und zu stärken, neue Aufgaben zu übernehmen oder unter Umständen einen Wechsel des Arbeitgebers anzugehen.