«Es ist die Aufgabe der Führungskraft, die Mitarbeiter erfolgreich zu machen»
Führungskunst bedeutet für den Unternehmer Frank Breckwoldt, die Gratwanderung zwischen Menschlichkeit und dem Einfordern von Höchstleistungen zu meistern. Wer das schafft, werde automatisch erstklassige Zahlen erzielen.
Frank Breckwoldt: «Die Würde des Mitarbeiters darf niemals verletzt werden.» (Foto: zVg)
Herr Breckwoldt, Sie tragen für 1200 Mitarbeiter des Friseurfilialunternehmens Ryf Coiffeur die Verantwortung und müssen täglich zahlreiche Entscheidungen im Sinne des Unternehmens treffen – ist da noch Platz für den Menschen Frank Breckwoldt?
Frank Breckwoldt: Als Unternehmer bin ich auch Mensch und so haben alle meine Entscheidungen auch mit mir und mit meinen Emotionen zu tun. Ich glaube, dass man das nicht trennen kann.
Das heisst, kein Manager kann wirklich neutrale Entscheidungen treffen?
Entscheidungen sind immer subjektiv gefärbt – von der eigenen Befindlichkeit, eigenen Grundsätzen, Erfahrungen und der individuellen Persönlichkeitsstruktur.
Gibt es Menschentypen, die mit der Führungsrolle besondere Probleme haben?
Für mich haben sich zwei Typen von Führungskräften als besonders ungeeignet herausgestellt. Erstens die «Menschenfresser», die mit einem negativen Menschenbild ausgestattet sind, schlecht mit ihren Mitarbeitern umgehen und diese nur unter Druck setzen. Das geht auf Dauer schief. Und zweitens solche Menschen, die jedem Konflikt aus dem Weg gehen und bei jedem beliebt sein wollen. Ich nenne das Meerschweinchenkultur: Alle haben sich lieb, aber kein Schwein bewegt sich.
Welches sind die richtigen Menschen für erstklassige Führungsarbeit?
Zwei grosse Gruppen von Persönlichkeiten sind meines Erachtens besonders geeignet, erstklassige Führungsarbeit zu leisten. Das sind zum einen anständige Hochleister. Diese werden bei all den Forderungen, die sie stellen, den Mitarbeitern gegenüber immer anständig bleiben. Und zum anderen ehrgeizige Menschlichkeitsbasierte. Das sind sehr stark auf Menschlichkeit ausgerichtete Führungskräfte, die aber ehrgeizig sind. Durch den Ehrgeiz bekommen diese gut das Gewicht auch auf die andere Seite der Waage und bringen Ergebnisse.
Und diese Persönlichkeitsstrukturen kann man bei der Rekrutierung schon erkennen?
Solange Hochleister anständig sind und Menschlichkeitsbasierte ehrgeizig, kann man sicher sein, dass man sich keinen Rambo-Typ einkauft, der aufräumt und dann einen Trümmerhaufen produziert, aber auch keinen Meerschweinchen-Chef, der nie richtig Leistung verlangt, weil er allem Konflikt aus dem Weg geht. Erfahrenen Rekrutierern müsste es gelingen, das im Interview mit gezielten Fragen herauszufinden.
Nehmen wir an, Sie haben nun den richtigen Typ am Platz. Welche Grundsätze sollte diese Führungskraft im Hinblick auf Menschlichkeit Ihrer Meinung nach unbedingt beherzigen?
Ganz oben steht das Thema Respekt. Die Würde des Mitarbeiters darf niemals verletzt werden. Für mich ist die vorrangige Aufgabe einer menschlichen Führungskraft, den Mitarbeitern Wertegefühle zu vermitteln. Auch in Kritik- und Krisensituationen.
Wie privat sollten Führungskräfte mit ihren Mitarbeitern werden?
Es gibt einige Führungskräfte, die es schaffen, trotz sehr privaten Umganges im Konfliktfall die nötige Führungsspannung aufzubauen. Das gelingt aber nicht immer. Ich bin da eher vorsichtig.
Worin genau liegt die Gratwanderung zwischen Hochleistung fordern (zu müssen) und menschlich sein (zu wollen)? Ist das nicht ein Balanceakt?
Ja, das ist Führungskunst! Ich nenne das die «Führungs-Waage». Auf beiden Seiten hohes Gewicht schaffen und das möglichst im Gleichgewicht halten. Die Führungssituationen ändern sich ständig. Ich muss führungsmässig das einsetzen, was die jeweilige Situation erfordert.
Besteht nicht Gefahr, dass man als Chef nicht mehr ernst genommen wird, wenn man allzu menschlich ist?
Diese Gefahr besteht nur, wenn ausschliesslich auf der Menschlichkeitsseite Gewicht geschaffen wird, also keine oder nur geringe Leistungsanforderungen gestellt werden.
Und wenn man wirklich einmal hart durchgreifen muss?
Den Mut müssen Führungskräfte haben, wenn die Situation danach ist. Wenn dann die Mitarbeiter spüren, dass auch in einer solchen Situation ihre Interessen nicht vollständig ignoriert werden, folgen sie auch auf schwierigem Kurs.
Was verstehen Sie unter guter Führungsarbeit?
Es ist die Aufgabe der Führungskraft, die Mitarbeiter erfolgreich zu machen. Das erreicht sie am besten, wenn sie gegenüber Mitarbeitern hohe Leistungsanforderungen mit anständigem Umgang paart. Das sind die Spitzenspiele, die dauerhaft auf hohem Niveau laufen.
Wenn das so klar ist, warum kommt denn Menschlichkeit in Führungsfragen in vielen Unternehmen immer noch zu kurz? Die meisten Menschen schimpfen ja eher über den Chef. Selten hört man jemanden sagen: «Mein Chef ist ein Supertyp …»
Ich glaube, die besten und erfolgreichsten Unternehmen sind – oft ganz intuitiv – in Sachen Hochleistung und Menschlichkeit bereits unterwegs. Bei den vielen nur durchschnittlichen und weniger erfolgreichen Unternehmen liegt der Kern oft tatsächlich darin, dass mit den Menschen im Unternehmen nicht anständig umgegangen wird und als Quittung dafür diese ihre Leistung nicht in vollem Umfang erbringen. Dann wird wieder der Druck erhöht, ein Teufelskreis.
Aber muss nicht letztlich nur das Ergebnis stimmen, Menschlichkeit hin oder her?
Da hinein greift ja genau mein Konzept. Gerade wenn du menschlich bist und die Interessen der Mitarbeiter respektierst, wirst du am Ende auch die besten Zahlen haben.
Wie viel Prozent der Arbeitszeit sollten Führungskräfte der direkten Führungsarbeit widmen?
Bei ca. 10 Mitarbeitern ist es mit etwa 10 Prozent möglich, erstklassige Führungsarbeit zu leisten. Dann bleiben immer noch 90 Prozent für andere Managementaufgaben und die Zahlen.
Sie haben einmal gesagt: Um 10 Leute erfolgreich zu führen, braucht es 10 Mal individuelle Führung. Das klingt nach Psychologie und sehr viel Arbeit.
Leider erlebe ich immer noch Führungskräfte, die erwarten, dass die Mitarbeiter sich auf sie als Chef einstellen. Meistens tun die Mitarbeiter das aber nicht. Der Weg, der wirklich Erfolg verspricht, ist: Stelle dich auf deine Mitarbeiter ein. Und wenn du 10 Leute zu führen hast, hast du 10 Mal unterschiedliche Persönlichkeiten vor dir, die 10 Mal etwas anderes von dir als Führungskraft brauchen, um wirklich erfolgreich zu sein. Das ist für mich auch das Ende aller viel gepriesenen Führungsstile.
Inwiefern?
Was nützt Ihnen Ihr Führungsstil, wenn der Mitarbeiter etwas anderes braucht? Es gibt Mitarbeiter, die brauchen lange Leine, die sind an der kurzen Leine nur noch die Hälfte wert. Andere flippen Ihnen an der langen Leine aus, sind aber an der kurzen Leine genau solche Hochleister wie andere an der langen Leine. Es gibt Mitarbeiter, die sind absolute Dickhäuter, die müssen sie schon mal kräftig in die Seite treten, damit die merken, dass sie gemeint sind. Und dann gibt es Mitarbeiter, die sind sehr sensibel, die müssen Sie eher mal in den Arm nehmen. Wenn Sie den sensiblen Mitarbeiter – weil es Ihr Stil ist – kräftig in die Seite treten, fällt der um und gibt auf. Wenn Sie den Dickhäuter in den Arm nehmen, versteht der die Welt nicht mehr. Deswegen warne ich davor, stereotyp Führungsstile anwenden zu wollen.
An was machen Sie die Führungsqualität fest?
Klima und Stimmung sind wichtig. Ich nehme aber auch die Zahlen des Controllings als Messlatte dafür, ob die Führungsarbeit funktioniert. Erstklassige Führungsqualität bringt langfristig auch erstklassige Zahlen. An den Zahlen lässt sich die Führungsqualität direkt ablesen. Ich trenne das nie voneinander.
Soll man nun menschliche Führung so verstehen, dass man sich mit den Mitarbeitern verbündet und auf eine Stufe stellt?
Zunächst einmal: Alle Menschen im Unternehmen sind gleich wertvoll. Sie haben nur unterschiedliche Funktionen und diese werden auch unterschiedlich bezahlt. Für mich ist jede Führungskraft, egal auf welcher Hierarchiestufe, Teil des Managements und hat sich auch so zu verhalten. Wer sich mit den Mitarbeitern verbündet – gegen das Unternehmen – macht seinen Job nicht richtig. Die Kunst besteht aber genau darin, gerade auch in schwieriger Situation mit den Mitarbeitern zu spielen und nicht gegen sie. Sonst kannst du nicht gewinnen.
Welche Konsequenzen hat mangelnde menschliche Führungsqualität am Arbeitsmarkt?
Ein Mitarbeiter verlässt fast nie das Unternehmen, sondern immer seinen Chef, meistens wegen schlechten Umgangs. Das hat fundamentale Auswirkungen auf die Fluktuation, was in Anbetracht der dramatischen Veränderungen am Arbeitsmarkt eine ganz neue, kritische Dimension bekommt.
Frank Breckwoldt
ist Unternehmersohn und leitete nach seinem Studium der Betriebswirtschaft mit seinen beiden Brüdern zunächst das Haarpflegeunternehmen Dralle, das 1991 an L’Oréal verkauft wurde. Mitte der 1980er-Jahre erwarb Breckwoldt mit seinen Brüdern das Schweizer Friseur-Filialunternehmen Ryf. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen in 130 Salons in Deutschland und der Schweiz rund 1200 Mitarbeiter. Frank Breckwoldt führt das Unternehmen noch selbst und arbeitet seit 1998 zudem auch als Trainer mit Führungskräften namhafter Grossunternehmen und mittelständischer Betriebe.