Arbeit und Recht

Euroschwäche – kann der 
Eurolohn die Antwort sein?

Die Exportbranche ächzt unter der Last des starken Frankens. Grosse Teile des Umsatzes werden in Euro erzielt, die 
Saläre aber fallen in Franken an. Personalkosten explodieren, Gewinnmargen schmelzen dahin. Grenznahe Unternehmen überlegen sich, die Grenzgänger in Euro auszuzahlen. Ist das eine unzulässige Überwälzung des Unternehmerrisikos?

Im März 2011 berichtete der «Blick» über die angeblich erste Schweizer Firma, die den Lohn dem Eurokurs anpasste. Die Gewerkschaft Unia hielte dies für illegal, wurde ausgeführt. Tatsächlich ist das Phänomen nicht neu. HR Today berichtete bereits in der Ausgabe 09/2005 über den Eurolohn. Der Titel lautete: «Arbeit in der Schweiz, Löhne in Euro = Profit für alle». Der Artikel erläuterte sinngemäss, Grenzgänger würden eine Auszahlung ihres Lohns in der Währung ihres Wohnsitzes bevorzugen. So bestände kein Risiko, bei einer allfälligen Abwertung des Frankens plötzlich über weniger Kaufkraft zu verfügen. Der Eurokurs lag damals bei rund 1.55 Franken, Tendenz steigend. 2007 stieg der Eurokurs vorübergehend auf 1.65 Franken.

Doch es kam anders. Der Franken wurde stärker und stärker. Mitte 2011 war der Euro kurzzeitig nur noch gleich viel wert wie der Schweizer Franken. Es wurde eng für die Exportwirtschaft. Die Nationalbank griff ein und band den Schweizer Franken jüngst an einen Eurokurs von 1.20 Franken.

Löhne in Fremdwährung sind grundsätzlich nichts Neues. Gerade bei Entsendungen von der Schweiz ins Ausland scheint die Auszahlung des Lohns in der lokalen Währung sinnvoll; bei Schweizer Botschaftspersonal im Ausland ist es gar die Regel. Wo aber liegen die Grenzen des Zulässigen? Zunächst können Gesamtarbeitsverträge Eurolöhne theoretisch ausschliessen. Andere formaljuristische Überlegungen dürften der Auszahlung von Löhnen in Fremdwährung aber nicht entgegenstehen.

Zunächst sieht das Arbeitsrecht in Art. 323b OR die Vereinbarung von Lohn in Fremdwährung ausdrücklich vor. Weiter publiziert das Bundesamt für Sozialversicherungen Umrechnungskurstabellen für Einkommen in Fremdwährung (www.ahv-iv.info/andere). Und die Vereinigung schweizerischer Steuerbehörden (Schweizerische Steuerkonferenz) erläutert im Internet, wie Löhne in Fremdwährung zu deklarieren sind (www.steuerkonferenz.ch/d/lohnausweis.htm, Unterregister FAQ).

Wechselkursrisiken sind laut 
Bundesrat Unternehmerrisiken

Die Kritik am Eurolohn zielt vielmehr auf das Verbot der Überwälzung des Unternehmerrisikos auf die Mitarbeiter sowie auf das Verbot von Lohndumping im Bereich der Personenfreizügigkeit mit der EU:

  • Unternehmerrisiko: Es gilt als fundamentaler arbeitsrechtlicher Grundsatz, dass das Arbeitgeberrisiko nicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden darf. Diese Regel findet ihre Entsprechung in Art. 324 OR. Der Artikel verpflichtet Arbeitgeber, den Lohn weiter zu zahlen, auch wenn sie keine Arbeit mehr anbieten können.
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Lohndumping: Der Schweizerische Gewerkschaftsbund hält die Anbindung an den Euro oder Zahlungen in Euro bei Grenzgängern für unzulässig, weil es sich dabei um Lohndumping handle, und dies wiederum sei im Rahmen der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit mit der EU ausdrücklich verboten.

Im eidgenössischen Parlament wurden dieses Jahr mehrere Vorstösse eingereicht, es sei die Auszahlung von Lohn in Fremdwährung gesetzlich zu verbieten. Der Bundesrat sah aber keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Denn, so der Bundesrat sinngemäss, bei Lohndumping könnten zunächst Gesamtarbeitsverträge für allgemeinverbindlich erklärt oder befristet Normalarbeitsverträge eingeführt werden (Art. 360a OR). Weiter könnten Arbeitnehmer vor Gericht klagen, wenn Unternehmerrisiken (hier: Wechselkursrisiken) unzulässigerweise auf sie überwälzt würden. Der Bundesrat hielt aber fest, bei Wechselkursrisiken handle es sich um Unternehmerrisiken.

Die vom Bundesrat eingesetzte «Interdepartementale Arbeitsgruppe Euro» war in dieser Frage allerdings auch schon anderer Meinung. 1999 führte sie im Bericht «Die Verwendung des Euro in der Schweiz» aus, es könne durchaus «eine Zahlung in einer ausländischen Währung vereinbart werden. Somit ist auf der Basis eines gegenseitigen Einverständnisses grundsätzlich eine Überwälzung des Währungsrisikos auf den […] Arbeitnehmer aus rechtlicher Sicht durchaus möglich. Für Lohnzahlungen wird der Grundsatz […] in Art. 323b Abs. 1 OR ausdrücklich wiederholt bzw. konkretisiert.»

Gefahr: Gerichte geraten unter Druck, Rechtspolitik zu betreiben

Nach Ansicht des Schreibenden werden bei all dem verschiedene Aspekte nicht genügend berücksichtigt:

  • Zunächst bergen sich ändernde Devisenkurse nicht nur Risiken, sondern auch Chancen für beide Seiten (siehe den erwähnten Artikel im HR Today, Ausgabe 09/2005 über den Eurolohn). Bei dieser Betrachtung rückt statt des Unternehmerrisikos plötzlich die Nähe von Eurolohnabsprachen zum Glücksspiel und zum börslichen Devisenhandel in den Vordergrund. So gesehen wären auch Löhne zu hinterfragen, die Mitarbeiterbeteiligungen in Form von Optionen oder Aktien am eigenen Unternehmen vorsehen, vielleicht sogar verbunden mit Sperrklauseln, die es Mitarbeitern verunmöglichen, ihre Beteiligungen bei schlechtem Kursverlauf abzustossen.
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Zweitens müsste die Diskussion nicht nur nominal (also anhand der Wechselkurse), sondern auch kaufkraftbereinigt geführt werden. Einfach gesagt: Mit einem Euro, der aktuell 1.20 Franken wert ist, kann man in der grenznahen Eurozone bekanntlich sehr viel mehr kaufen als mit 1.20 Franken in der Hochpreisinsel Schweiz. So gesehen werden Schweizer gegenüber Grenzgängern diskriminiert, wenn Löhne ausschliesslich in Franken bezahlt werden. Zudem sollte unterschieden werden zwischen Löhnen, die in Franken fixiert, aber in Euro ausbezahlt werden, und Löhnen, die direkt in Euro vereinbart werden. In letzterem Fall kann Grenzgängern durch Kursschwankungen kein Kaufkraftverlust entstehen.
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Drittens ist der Eurolohn immer noch besser als eine Entlassung wegen Betriebsschliessung.
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Wenn der Bundesrat viertens die politische Verantwortung in dieser Frage auf die Rechtsprechung abschiebt, birgt dies die reale und akute Gefahr, Gerichte könnten einmal mehr unter Druck geraten, Rechtspolitik zu betreiben, statt Recht zu sprechen – mit steigender Rechtsunsicherheit als Folge. Gemäss Presseberichten darf mit einem ersten Urteil Anfang 2012 gerechnet werden (Bezirksgericht Arlesheim).

Umstellung auf Eurolohn mit 
Änderungskündigungen verbunden

Für Praktiker sind damit natürlich noch nicht alle Aspekte angesprochen. Offen bleiben insbesondere Sozialversicherungs- und quellensteuerrechtliche Fragen sowie administrative Aspekte (etwa das Ausfüllen des Lohnausweises). Wie werden Leistungen von Taggeldversicherungen, die dem Arbeitgeber ausbezahlt werden, an die Arbeitnehmer weitergegeben? Wie berechnet sich der Ferienlohn? Auch Vorgehensfragen stellen sich: So dürfte die Umstellung auf den Eurolohn für Grenzgänger in den meisten Unternehmen mit Änderungskündigungen im Sinne von Massenentlassungen verbunden sein.

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Dr. Heinz Heller 
praktiziert als Fachanwalt SAV Arbeitsrecht. Er berät überwiegend Arbeitgeber und Manager.

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