Wissenschaft und Praxis

Farben, Bewegung, Lärm und Schlaf 
beeinflussen die Arbeitsproduktivität

Obwohl der Taylorismus als überholt gilt, ist der Gedanke der Leistungssteigerung nach wie vor ein betriebswirtschaftliches Thema. Können uns die Erkenntnisse aus der relativ jungen Disziplin der Neurowissenschaft künftig helfen, die 
Produktivität weiter zu optimieren? Eine Studentengruppe der Uni Zürich ging in unserer Miniserie dieser Frage nach.

Nach neuesten Studien ist diese Frage klar zu bejahen, denn zu einem grossen Teil sind Unproduktivität und fehlerhaftes Verhalten auf gehirnphysiologische Ursachen zurückzuführen. Die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse können dabei in vier Bereiche unterteilt werden: Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Gedächtnis und Motorik (siehe Abbildung).

Im Bereich der Aufmerksamkeit zeigen Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren, dass Ablenkung am Arbeitsplatz verhindert, dass Informationen im Gedächtnis gespeichert werden. Stetiger Hintergrundlärm durch Gespräche von Arbeitskollegen sowie visuelle Störreize durch eintreffende E-Mails können die Arbeitsleistung ähnlich stark reduzieren wie Cannabiskonsum.

Ein Nickerchen gegen Vergesslichkeit

Forschungsergebnisse im Bereich der Wahrnehmung weisen darauf hin, dass das Betrachten von Farben auf die Stimmung sowie unsere Innen- bzw. Aussenorientierung wirkt. So wirken dezente Farben förderlich bei geistiger Arbeit, da sie die Innenorientierung des Menschen begünstigen. Knallige Farben aktivieren dagegen Gehirnregionen, welche für die Aussenorientierung zuständig sind, weshalb beispielsweise ein knalliges Rot in Kommunikationsräumen förderlich ist.
Neurowissenschaftliche Studien zum Gedächtnis belegen weiter, dass Schlaf unser Erinnerungsvermögen bedeutend beeinflusst. So kann ein Nickerchen am Arbeitsplatz gegen Vergesslichkeit wirken, jedoch nur dann, wenn man dabei nicht in den Tiefschlaf fällt. Das Angebot von Schlafräumen am Arbeitsplatz ist daher eine leistungssteigernde Massnahme, sofern die Arbeitnehmenden wissen, wie sie «richtig» schlafen sollen.

Auf dem Gebiet der Motorik fanden Gehirnforscher heraus, dass bereits leichte, regelmässige Bewegung das Demenzrisiko im Alter senken kann sowie die Zell-, Blutgefäss- und Endorphinbildung fördert. Somit wirkt sich Bewegung sowohl lang- als auch kurzfristig positiv auf unsere Leistung aus, weshalb Sportan-
gebote am Arbeitsplatz nicht fehlen sollten.

Wie die Literatur zeigt, hält die Neurowissenschaft einige Tipps für die Arbeitsplatz-
gestaltung bereit (siehe Abbildung). Doch inwieweit stossen neurowissenschaftlich basierte Arbeitsplatzgestaltungsmassnahmen auf Zustimmung in der Belegschaft? Anhand einer Fallstudie über eine Schweizer Krankenversicherung, die im Bereich der Arbeitsplatzgestaltung eine Vorreiterrolle einnimmt, wurde diesen Fragen nachgegangen.

Um die Aufmerksamkeit innerhalb der Grossraumbüros zu fördern, kommen dort sowohl schallabsorbierende Elemente als auch Rückzugsräume zum Einsatz. Während die Schallabsorbierung nach Ansicht der befragten Mitarbeitenden nur geringfügig zur Konzentrationsförderung beiträgt, helfen die Rückzugsräume eher, sich vor ungewollter Ablenkung zu schützen. Als weiteres wünschenswertes Angebot nennen die Befragten die Möglichkeit von «work at home». Eine flexible Arbeitsortwahl ermögliche den Arbeitnehmenden je nach Konzentrationsanspruch, die Arbeit zu Hause oder im Büro zu verrichten und so die Arbeitsleistung zu verbessern.

Wirkung auf das Unterbewusstsein

Auf die Wahrnehmung der Mitarbeitenden wirkt im Unternehmen ein Farbkonzept, das von einem Künstler entwickelt wurde und nicht auf wissenschaftlichen Kriterien beruht. Die Mitarbeitenden geben dazu an, dass sie die knalligen Farbelemente, die sowohl in Büro- als auch in Kommunikationsräumen auffindbar sind, nach einer anfänglichen Gewöhnungszeit kaum mehr wahrnehmen. Aus der neurowissenschaftlichen Forschung ist aber bekannt, dass Farben auch unbewusst wirken, weshalb ein gezieltes Einsetzen von Farben sinnvoll ist.

Mittels Schlafräumen und Kursen zum Thema Schlaf setzt die Versicherung Tipps aus der Neurowissenschaft zum Thema Gedächtnis um. Während das Kursangebot bei der Belegschaft auf reges Interesse stösst, scheint das Nickerchen am Arbeitsplatz wenig genutzt zu werden. In der Befragung stellte sich heraus, dass unsere Kultur, die Erholungsschlaf oft mit Leistungsschwäche gleichsetzt, eine Ursache dafür sein könnte. Hier spielt die Vorbildfunktion von Vorgesetzten eine wichtige Rolle, um den Erholungsschlaf in der Firmenkultur zu verankern.

Durch den betriebsinternen Fitness-Club und Sitz-Steh-Pulte unterstützt das Unternehmen die Motorik der Mitarbeitenden. Bereits die leichte Bewegung durch die Sitz-Steh-Wechseloption wird von den Mitarbeitenden als leistungsfördernd empfunden.

Die Neurowissenschaft hält also für praktische Fragestellungen, wie die Optimierung von Arbeitsplätzen zur Förderung der Produktivität, interessante Tipps bereit. Gleich wie beim Taylorismus darf beim «Neuro-Taylorismus» jedoch nicht vergessen werden, dass Menschen nicht auf Knopfdruck funktionieren. Zudem zeigt das Beispiel, dass letztlich die Motivation der Mitarbeitenden ausschlaggebend ist, ob die Angebote genutzt werden und somit die Produktivität steigern.

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Anja Brüschweiler, Peter Höltschi, Simona 
Arpagaus und Lukas Meier sind Studierende des 
Lehrstuhls HRM (unter Professor Staffelbach und 
Eva-Maria Aulich)  an der Universität Zürich.